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"Ich kann einfach nicht treu sein"
Emma versucht alles, um der gesellschaftlichen Norm zu entsprechen. Trotzdem gelingt es ihr nicht, monogam zu leben. Was nun?
Frage von Emma (20) an Doktor Sex: Ich bin nun schon seit zwei Jahren mit meinem Freund zusammen. Wir haben es gut, aber ich kann ihm nicht treu sein. Als ich ihm dies das erste Mal sagte, einigten wir uns auf einen zeitlich beschränkten Freipass, mit der Idee, dass meine Lust auf Sex mit anderen Männern vorbeigehen würde. Diesen nutze ich ausgiebig, geändert hat sich damit aber nichts. Auch einen Monat Beziehungspause hatten wir schon. Danach war die Lust für einen Moment weg, kam dann aber wieder. Diverse andere Versuche wie Psycho- und Sexualtherapie zeigten nicht das gewünschte Ergebnis. Nun nehme ich sogar ein Antidepressivum, das meine Lust senken soll. Trotzdem komme ich immer wieder an den Punkt, wo ich einfach nicht mehr treu sein kann und treu sein will – obwohl ich meinen Freund sehr liebe. Ich bin verzweifelt. Zugleich denke ich mittlerweile auch manchmal, dass die große sexuelle Lust und die Offenheit, mich auf mehr als einen Mann einzulassen, einfach ein Teil von mir sind und ich daher vielleicht eine offene Beziehung leben sollte. Für meinen Freund käme dies aber niemals infrage. Was kann ich noch tun, um treu sein zu können?
Antwort von Doktor Sex
Liebe Emma
Der entscheidende Punkt zur Lösung der von dir als problematisch wahrgenommenen Situation liegt für mich in der Aussage, dass du letztlich nicht unbedingt treu sein willst. Sie ist darum so wichtig, weil sie dir die Erkenntnis ermöglicht, dass du einen freien Willen hast, den du nutzen kannst und darfst, um so in deinem Leben handlungsfähig und damit auch umfassend verantwortlich zu sein.
In der Beratung von Menschen erlebe ich immer wieder, dass diese die Verantwortung für ihre Werte, Haltungen, für ihr Denken und Handeln von sich schieben, indem sie diese an eine andere Person oder einen von außen kommenden Umstand abgeben, beispielsweise dem Partner oder der Partnerin. Die Gesellschaft, eine Krankheit, oder – wie es heute Mode ist – die Gene sollen schuld sein.
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Selbstverständlich haben die erwähnten Aspekte auf die Lebensführung eines Menschen jeweils auch einen Einfluss. Letztlich ist es aber doch immer der oder die Einzelne, der oder die darüber entscheidet, wie er oder sie sich zum eigenen Leben sowie zu den Menschen und Phänomenen, die ihm oder ihr darin begegnen, positionieren will – wie er oder sie damit umgehen will.
Im Moment wirkst du ambivalent und pendelst zwischen den Polen "Ich kann nicht" und "Ich will nicht". Entscheidend ist nun, ob du den Mut und die Kraft aufbringst, um voll für dich und dein Leben verantwortlich zu sein, oder ob du dich lieber in die Opferrolle begeben und die Haltung einnehmen willst: "Ich würde ja gern, aber ich kann einfach nicht" – weil du dann beispielsweise deinen Freund verletzen oder die Beziehung beenden müsstest.
Weder kann es für dich darum gehen, um jeden Preis treu zu sein und dafür gar Medikamente zu schlucken, noch kann es dein Ziel sein, nun noch Jahre in dieser für dich und deinen Freund leidvollen Situation auszuharren. Gehe, wohin dein Herz dich trägt, und entscheide, wie es weitergehen soll. Beides – also geschlossene Beziehung und totale Offenheit – kannst du in der aktuellen Konstellation mit deinem Freund auf Dauer nicht leben!
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(wer)