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"Ich wohnte Tür an Tür mit dem ICE-Täter"

Heute Redaktion
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Der Mann, der am Montag einen Jungen (8) vor einen ICE stieß, lebte in der Schweiz. Nachbarn und Bekannte beschreiben ihn als freundlich und unauffällig.

Der dreifache Familienvater H. A.* (40) sitzt nach der Horror-Tat auf Gleis 7 am Frankfurter Hauptbahnhof in Haft. Der gebürtige Eritreer lebte seit über zehn Jahren in der Schweiz und hat bis Anfang dieses Jahr für die Verkehrsbetriebe Zürich gearbeitet. Er war in psychiatrischer Behandlung, wie die Kantonspolizei Zürich an einer Pressekonferenz mitteilte.

Nachbarin ist erschüttert

In Wädenswil am Zürichsee, wo A. mit seiner Familie wohnte, sagt eine Nachbarin: "Zu wissen, dass ich mit dem Mann, der für diese schreckliche Tat verantwortlich ist, Tür an Tür gewohnt habe, erschüttert mich zutiefst." Sie habe die Familie vom Sehen her gekannt, die Kinder hätten ab und zu auf dem Balkon gespielt. "Den Mann sah ich morgens jeweils zur Arbeit gehen. Er und seine Familie waren unauffällig, aber nicht sehr kontaktfreudig."

Ein eritreischer Bekannter des Mannes, der ebenfalls in Wädenswil lebt, kann die Tat nicht fassen. Er sagt zu "20 Minuten": "H. ist ein guter Mensch, ruhig und nicht aggressiv. Irgendetwas muss mit ihm passiert sein, dass er zu sowas fähig war. Ich bin sehr schockiert."

In der eritreischen Community in Zürich war A. bekannt. In zwei äthiopischen oder eritreischen Restaurants im Zürcher Kreis 3 weiß man genau, wer der 40-Jährige war. Die Mitarbeiter beschreiben ihn unabhängig voneinander als höflichen, ruhigen Mann. Einer gibt an: "Er hat hier Billard gespielt. Ich habe aber schon länger nichts mehr von ihm gehört."

"Er hat von seiner Frau und den kleinen Kindern erzählt"

In einem anderen Restaurant war er in seiner Zeit als VBZ-Mitarbeiter regelmäßig Gast. Vor einem Jahr sei er dann plötzlich nicht mehr gekommen, sagt ein Restaurant-Angestellter. "Er hat öfter auch von seiner Frau und den kleinen Kindern erzählt. Ich erlebte ihn als engagiert – er war stolz auf seine Arbeit und fiel in keinster Weise negativ auf."

Auch einige Gäste in den Restaurants wissen, wer A. war. Sie sind schockiert über die Tat. "Im Moment fragen wir uns alle, wie das passieren konnte. In Zürich hat man von dem Mann aber seit längerem nichts mehr gehört."

Community ist bestürzt

An einem eritreischen Kiosk nahe der Zürcher Langstrasse war der Mann nicht oder nur flüchtig bekannt, auch dort bestürzt die Tat Besitzer und Kunden. Samuel Yemane (37) hat A. nicht gekannt. Er hat in der Zeitung von der Tat gelesen: "Ich kann nicht glauben, wie jemand so etwas tun kann." Eine Mutter aus Eritrea, die mit ihrer Tochter vorbeikommt, sagt: "Was der Mann getan hat, kann ich nicht glauben – er war erst noch Familienvater. Jeder weiß doch, dass man fremde Kinder ebenso behandeln soll, wie die eigenen, unabhängig davon, ob jemand Schweizer oder Eritreer ist."

*Name der Redaktion bekannt

(jk/zos/mon)