Österreich

"Ischgl hat uns ins offene Messer laufen lassen"

Heute Redaktion
Teilen
Picture

Über 5.000 Personen wollen das Land Tirol wegen seines Managements in der Corona-Krise verklagen. Mittlerweile liegt zu den Vorgängen in Ischgl ein polizeilicher Zwischenbericht vor.

Bei den Ermittlungen zu den Ereignissen in der Corona-Krise in Ischgl liegt nun ein Zwischenbericht der Polizei vor. Der etwa 1000-seitige Bericht sei "sehr detailliert und umfangreich", sagte am Dienstag der Sprecher der Staatsanwaltschaft Innsbruck, Hansjörg Mayr. Nach Durchsicht der Akten werde entschieden, ob ein begründeter Verdacht vorliege.

Mails aus Island bringen Tirol in Erklärungsnot

Seit Ende März läuft bei der Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Gefährdung durch ansteckende Krankheiten. Erst vor kurzem wurden neue Details zur Causa bekannt. So sollen Mails aus Island ebenfalls beweisen, dass die Behörden in Tirol zu lasch reagiert hätten, "Heute" berichtete.

Der Wintersportort Ischgl in Tirol gilt als Hotspot, der maßgeblich zur Verbreitung des Coronavirus in Teilen Europas beigetragen haben soll. Eine Frage ist, ob gemäß vorliegenden Erkenntnissen rechtzeitig gehandelt wurde, ob die Behörden vom Coronavirus gewusst und es mit Blick auf die Tourismuseinnahmen heruntergespielt hatten.

25 Todesopfer

Am Dienstag sind neue Zahlen zu den Ischgl-Opfern bekannt geworden. 5.380 Opfer haben sich bisher gemeldet, die meisten davon stammen aus Deutschland (3.680). 526 stammen aus den Niederlanden, 152 aus Großbritannien und 133 aus der Schweiz. 75 Prozent der Beschwerden betreffen den Skiort Ischgl.

Der Großteil musste in Heimquarantäne. 2,5 Prozent mussten im Krankenhaus oder sogar auf der Intensivstation behandelt werden. Inzwischen sind auch 25 Tote zu beklagen.

Eine deutsche Klägerin, die sich in Ischgl mit dem Coronavirus angesteckt hatte, erklärt gegenüber MDR Thüringen: "Der Ort hat uns ins offene Messer laufen lassen." Niemand habe die Gäste vor der Virusgefahr gewarnt.

Dem stimmt Verbrauchschutzanwalt Peter Kolba zu: In Innsbruck sei nach einem positiven Testergebnis einer Kellnerin gleich ein Hotel geschlossen worden, wohingegen man in den Tourismusgebieten den Ski- und Barbetrieb zunächst einfach habe weiterlaufen lassen.

So sei Tirol zu einem Hotspot für die Verbreitung des Coronavirus in Europa geworden. Derzeit werden Schadenersatzansprüche geprüft.