Österreich

Warum Stadtrat Hanke trotz Krise Krawatte trägt

Heute Redaktion
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Die Corona-Maßnahmen treffen Wien als Wirtschaftsstandort und Tourismus-Hotspot besonders stark. Stadtrat Peter Hanke erklärt, wie er die Stadt - mit Stil - aus der Krise führen will.

Die Corona-Krise hat weiter weitreichende Auswirkungen auf den Alltag in Österreich und Wien. Auch wenn nun Schritt für Schritt die ersten Geschäfte wieder öffnen, die Wiener Wirtschaft steht nach den wochenlangen erzwungenen Schließungen weiter vor großen finanziellen Herausforderungen, viele fürchten um ihre Existenz.

Im Interview mit "Heute" spricht Wirtschafts- und Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) über das Wiener Budget, wie die Stadt hier helfen kann, warum er auch in der Krise nicht auf seine Krawatte verzichtet und ob nun fix geplante Projekte wie etwa die neue Mega-Arena in St. Marx in Gefahr sind.

Heute: Herr Stadtrat, wie geht es Ihnen mit der "neuen Realität?"

Hanke: "Mir geht es eigentlich sehr gut. Auch wenn ich merke, dass die vielen Videkonferenzen ihren Tribut fordern."

Heute: Das ist eine überraschende Aussage für Sie als Digitalisierungs-Stadtrat.

Hanke (schmunzelt): "An sich sind Videokonferenzen ja eine gute Sache, es ist nur das Ausmaß zu hoch. Ich war bisher nun einen Tag im Home Office, den Rest der Zeit in meinem Büro (im Wiener Rathaus, Anm.). Denn Krisenmanagement geht nicht von Zuhause. Ich behelfe mir aber, indem ich mehr als sonst in meinem Büro umher gehe."

Heute: Sie gelten ja als "Sir" der Wiener Stadtregierung, sind für Ihre perfekte Kleidung bekannt. Die Mehrheit der Wiener geht derzeit aber wohl eher in Pyjama oder Jogginghose ins Home Office. Hat Corona etwas an Ihrem Kleidungsstil geändert, haben Sie eine personalisierte Schutzmaske? Wenn ja, welche?

"Ich habe keine zu Hemd oder Stecktuch passende Schutzmaske"

Hanke (lacht): "Der Herr Bürgermeister (Michael Ludwig, SPÖ, Anm.) hat mich auch gefragt, ob ich schon eine zu meinem Hemd oder dem Stecktuch passende Nasen-Mundschutzmaske habe. Aber nein, habe ich nicht. Nachdem ich ja fast immer im Büro bin und auch aus Respekt meinen Mitarbeitern und Gesprächpartner gegenüber, bin ich gekleidet wie immer. Ich bleibe so, wie ich bin, das heißt auch die Krawatte bleibt".

Heute: Als Wirtschafts- und Finanzstadtrat sind Sie in der Krise der "Finanz-Feuerwehrmann" der Stadt. Wie viel wird uns Wiener das Corona-Virus und dessen Auswirkungen insgesamt kosten?

Hanke: "Wir haben bisher Unterstützungen von rund 100 Millionen Euro beschlossen. Davon geht die Hälfte, also 50 Millionen Euro in den Gesundheitsbereich. Dazu haben wir eine Vielzahl von Unterstützungsleistungen wie etwa die Förderung von Home Office-Plätzen. Dafür waren zunächst zwei Millionen Euro geplant, wir haben es dann auf zehn Millionen Euro erhöht. Daneben gibt es Unterstützungen für die, die besonders betroffen sind - also Einpersonenunternehmen und Klein- und Mittelbetriebe. Das hat bisher sehr gut funktioniert".

"Corona-Krise wirtschaftlich die schwierigste Zeit seit 60 Jahren, von Untergang kann aber keine Rede sein"

Heute: Es heißt "der echte Wiener geht nicht unter". Als wie widerstandsfähig hat sich die Wiener Wirtschaft in der Krise erwiesen?

Hanke: "Die Corona-Krise ist eine große Herausforderung und wirtschaftlich die schwierigste Zeit seit 60 Jahren. Die Auswirkungen sind auch deutlich schwieriger als die weltweite Finanzkrise 2008. Von Untergehen kann aber keine Rede sein. Ich glaube fest an die Kraft der Wiener Unternehmen".

Heute: Im Budgetvoranschlag für 2020 erreichte Wien erstmals nach langer Zeit wieder einen ausgeglichenen Haushalt, es gab keine neuen Schulden – 182 Millionen Euro sollten sogar zurückgezahlt werden. Dann kam die Corona-Krise und Hilfspakete im Ausmaß von rund 100 Millionenbetrags – von einem Nulldefizit kann die Stadt jetzt nur noch träumen. Ist Wien nach Corona pleite und sind nun Großprojekte wie die neue Mega-Arena in St. Marx oder der neue Fernbusterminal in Gefahr?

Hanke: "Nein! Wir haben 2019 mit einem ausgeglichenen Budget bilanziert und Rücklagen gemacht, auf die wir nun zurückgreifen können. Das gibt uns einen Spielraum, um rasch und gut zu handeln. Dadurch ist auch kein geplantes Projekt in Gefahr. Mir ist es wichtig, dass Projekte, die für Wien essentiell sind – also etwa die neue Arena – weiter auf der geplanten Zeitachse bleiben".

Heute: Wien galt lange als der Beschäftigungsmotor Österreichs, durch Corona ist die Arbeitslosenzahl dramatisch gestiegen. Mit 1. April waren rund 165.000 Wiener ohne Job – wie kommen wir da wieder raus?

Hanke: "Ich gehe davon aus, dass jetzt mit der schrittweisen Wiederöffnung von Geschäften, viele Unternehmer ihre Mitarbeiter wieder anstellen werden. Davon erwarte ich eine gewisse Linderung am Arbeitsmarkt. Trotzdem setzen wir als Stadt weiter auf Weiterbildung und Qualifizierung über den Wiener ArbeitnehmerInnenfonds waff".

Heute: Die Bundesregierung hat für die Zeit nach Ostern ein schrittweises Hochfahren der Wirtschaft in Aussicht gestellt, das ist nun passiert. Baumärkte und Schuhgeschäfte dürfen nun wieder öffnen. Die von Ihnen geforderten Mittagstische in der Gastronomie und die Möbelhäuser sind aber nicht dabei? Verstehen Sie das?

Hanke: "Ich verstehe vieles, was die Bundesregierung macht und vieles davon ist auch richtig. Es gibt aber auch einiges, das ich anders gemacht hätte."

Heute: Zum Beispiel?

Hanke: "Ich hätte etwa die rund 6.000 Betriebe in der Wiener Gastronomie schneller wieder hochgefahren. Denn von einem Mittagstisch profitieren nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Wiener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Für Mitte Mai wünsche ich mir eine Teilöffnung der Restaurants".

"Auch beim Handel darf man nicht zu viele Wochen verstreichen lassen. So sehe ich etwa keinen Grund warum der Autoverkauf oder der Möbelhandel nicht auch aufmachen dürfen. Die hätten ja genug Fläche, damit der Sicherheitsabstand gewährt ist. Vergessen dürfen wir auch nicht die kleinen Geschäfte in den Shopping Center – die ja, reduziert auf Lebensmittelgeschäfte, Apotheken und Drogerien – durchgehend geöffnet waren. Warum diese nicht aufsperren dürfen, kann ich nicht ganz nachvollziehen, hier wünsche ich mir mehr Einbeziehung."

Heute: Bundeskanzler Kurz hat quasi einen Reisestopp ausgerufen, bis es eine Impfung gegen das Covid19-Virus gibt. Das könnte aber noch ein Jahr dauern – was bedeutet das für Wien als Tourismus-Stadt?

Hanke: "Es bedeutet, dass wir mehr auf heimische Gäste setzen. Wir bereiten derzeit eine Schwerpunktkampagne vor, die auf Besucher aus Restösterreich abzielt".

"Wir können aber hoffen, dass ein Medikament oder eine Impfung gegen das Corona-Virus schneller kommt, als gedacht. Denn weltweit arbeiten derzeit tausende Forscher daran. Auch in Wien, wo wir ja einen sehr starken Life-Science-Bereich haben. Die Stadt unterstützt die Entwicklung neuer Projekte gegen Covid19 mit zwei Millionen Euro".

Heute: Halten Sie die Öffnung von Museen ab Mitte Mai, wie von der Bundesregierung für angekündigt für gut? Denn mit begrenzten Besuchern , die alle Maske tragen und den Sicherheitsabstand einhalten, wäre das ja machbar.

Hanke: "Das ist genau mein Gedanke. Wir haben uns ja alle mittlerweile an die neue Realität mit Schutzmasken und Abstand halten gewöhnt. Daher sehe keinen Grund, warum das in Museen nicht auch gehen sollte".

Heute: Die Wiener Wirtschaft zeichnet sich durch einen hohen Anteil an Dienstleistungen, aber einen relativ geringen Produktionssektor aus. Wird sich daran nach Corona etwas ändern? Muss Wien mehr selbst produzieren, etwa Medikamente oder Schutzkleidung für den Fall der Fälle?

"Langfristige Strategie sieht eigene Medikamentenproduktion in Wien vor"

Hanke: "Auf diese Frage gibt es zwei Antworten: Eine kurzfristige Variante und eine langfristige. Kurzfristig wird die Wirtschaftsagentur Wien Unternehmen beim Einstieg in neue Geschäftsfelder, die das Corona-Virus aufgezeigt hat, mit einem Millionenbetrag unterstützen. Die Produktion von Covid-bezogenen Produkten wird dann über die Stadt mit Abnehmern, etwa dem Wiener Krankenanstaltenverbund vernetzt".

"Die langfristige Strategie sieht vor, in Wien und in Österreich eine eigene Medikamentenproduktion zu etablieren".

Heute: Herr Stadtrat, vielen Dank für das Gespräch.