Österreich

"Ja zu Grenzkontrollen – das sagt der Hausverstand"

Starke Worte von Burgenlands Landeschef Hans Niessl zur aktuellen politischen Lage: "Der Wahlkampf der SPÖ hätte besser sein können."

Heute Redaktion
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Interview mit Hans Niessl im Eisenstädter Landhaus. Der Urlaubsbart ist ab, die Ansagen kommen mit der Schärfe eines Rasiermessers: „Wer Sicherheit als lächerlich bezeichnet, kann nicht unser Partner sein."

Das große Niessl-Interview

"Heute": Tut Ihnen der stotternde Wahlkampf der SPÖ weh?

Hans Niessl:
Ich habe in 30 Jahren schon vieles in Wahlkämpfen erlebt. So schnell schmerzt mich da nichts. Natürlich hätte er besser sein können, aber jetzt hat die SPÖ die Linie wieder gefunden und wird sie hoffentlich halten.

"Heute": "Opposition ist Mist", korrigierten Sie unlängst Bundeskanzler Christian Kern. Warum ist das so?

Niessl:
Wenn die SPÖ nicht Erster wird, kommt Schwarz-Blau. Ich habe den Eindruck, dass sich ÖVP und FPÖ in vielen Punkten bereits sehr nahe sind. Ich denke da etwa an das Wirtschaftsprogramm, das in vielen Punkten sehr ähnlich gehalten ist. Oder dass beide gegen eine gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen und eine Millionärssteuer sind. Wenn die ÖVP Erster wird, kommt Schwarz-Blau, für die SPÖ ist dann Opposition angesagt – und dort können wir nix mehr für die Einkommensschwachen, die kleinen Leute, die Ein-Personen-Unternehmen tun. Das ist Mist. Das wollte ich ausdrücken.

"Heute": Die kleinen Leute, die Sie eben zitiert haben, sehen auch nicht ein, warum sich die Regierung eine Mauer baut. Vor Ihrem Landhaus gibt es keinen Schutzwall, keine Poller …

Niessl:
Ich fühle mich hier im Burgenland sehr sicher. Und der beste Schutz ist ohnehin, viel raus zu gehen. Zu den Menschen. In 17 Jahren gab es keinen einzigen Zwischenfall, auch nicht bei Festen, wo es gegen Mitternacht schon ein bisschen lockerer zugeht. Ich kann mich völlig frei bewegen.

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"Heute": Wie oft sind Sie unterwegs?

Niessl:
Es gibt in Österreich keinen Politiker, der so viele Hände schüttelt, wie ich. Ich bin 40 Stunden in der Woche im Büro und 40 im Außendienst. Ich höre mir die Sorgen der Menschen an, setze mich bei Veranstaltungen oft stundenlang zu ihnen und trinke ein Achterl mit ihnen mit. Ich komme nicht nur zum kurzen Gesichtsbad vorbei, mach' schnell ein paar Fotos und sage dann tschüss – ich bin wieder weg.

"Heute": Wie viele Stunden schlafen Sie?

Niessl:
Sechseinhalb Stunden. Ich gehe um Mitternacht ins Bett und stehe um halb sieben in der Früh auf. Dann nehme ich mir eine Stunde Zeit für ein Frühstück zuhause und lese dabei die Zeitungen.

"Heute": Welches Thema beschäftigt Sie derzeit am meisten?

Niessl:
Jobs, Jobs, Jobs. Im Burgenland müssen wir unser Ziel korrigieren – und zwar nach oben. Bis 2021, in diesem Jahr feiern wir übrigens 100 Jahre Burgenland, soll es 110.000 Arbeitsplätze im Land geben. 10.000 mehr als noch 2014. Dafür werden wir hart arbeiten.

"Heute": Trotzdem können viele Menschen von Ihrem Job nicht leben.

Niessl:
Es ist nicht akzeptabel, dass man 40 Stunden arbeitet und netto 1.200 Euro bekommt, oder dass Alleinerzieherinnen 20 Stunden arbeiten, 800 Euro verdienen und 500 Euro für die Wohnung zahlen. Diese Menschen finden es unfair, dass Familien mit Asylstatus weit mehr bekommen.

"Heute": Finden Sie das gerecht?

Niessl:
Nein, darum haben wir die Mindestsicherung bei uns gedeckelt. Es muss einen Unterschied machen, ob man schon ins Sozialsystem eingezahlt hat oder nicht.

"Heute": Sie werden immer wieder kritisiert, bei der Aufnahme von Flüchtlingen säumig zu sein.

Niessl:
Flüchtlinge sind ein großes Thema für die Menschen bei uns. Unser Zugang ist, dass wird die Zuwanderer auf kleine Einheiten aufteilen wollen, da tun wir uns mit der Integration viel leichter, als sehr viele konzentriert unterzubringen. Das ist bei 171 nicht leicht, aber wichtig, denn die Aufteilungsfrage ist entscheidend bei der Integration. Bei uns in Frauenkirchen spielt ein Asylberechtigter in der U21. Das ist gute Integration – entscheidend ist, rasch die Sprache zu lernen, rasch einen Job zu bekommen, um rasch ein eigenes Einkommen zu erlangen.

"Heute": Wie kommen die Grenzkontrollen an?

Niessl:
90 Prozent der Burgenländer begrüßen sie. Es ist unsere Pflicht, das Land mit Kontrollen vor Schleppern zu schützen – das sagt der Hausverstand, so lange die Schengen-Außengrenzen nicht entsprechend gesichert wreden. Ob Nickelsdorf oder Pamhagen: Es wird bei uns sehr intensiv kontrolliert. Das ist notwendig, wichtig und muss ein nationales Recht bleiben. Wenn klar ist, dass Schlepper illegal Menschen ins Land bringen, muss der Staat reagieren. Mit der Schlepperkriminalität wird derzeit mehr Geld als mit Rauschgift umgesetzt. Wer Sicherheit wie die ÖVP-Burgenland als lächerlich bezeichnet, kann nicht unser Partner sein. Rot-Blau funktioniert, weil wir die selben Anliegen haben.

"Heute": Warum tun Sie sich so leicht mit der FPÖ und Ihre Genossen in Wien so schwer?

Niessl:
Wir haben im Burgenland einen sehr pragmatischen Zugang. Ich spreche an einem Wochenende mit den unterschiedlichsten Menschen – vom Arbeitslosen bis zum Akademiker, rede mit Pendlern, mit Familien, mit Alleinerziehern. Ich höre den Menschen zu, nehme ihre Anliegen ernst und schaue dann, wer mit mir die Sorgen dieser Leute lösen möchte. Derjenige ist mein Partner. Ich sage nicht von vornherein: mit dir nicht.

"Heute": Können Sie Rot-Blau auch auf Bundesebene empfehlen?

Niessl:
Ich empfehle gar nichts. Es gibt einen Kriterienkatalog. Der Bundesparteivorsitzende hat zu entscheiden, wer den erfüllt, und wer bereit ist, die Sachthemen im „Plan A" ernst zu nehmen und umzusetzen. Was ich nicht mehr empfehlen würde: Ein wie zuletzt loses Regierungsabkommen mit der ÖVP, das Interpretationen in alle Richtungen zulässt.

"Heute": Das heißt, eine Zusammenarbeit mit der ÖVP wäre schwer?

Niessl:
Ich glaube, es gibt niemanden der das Gegenteil behauptet. Die ÖVP hat zuletzt sehr wichtige Entscheidungen blockiert und dann stellt sich Sebastian Kurz hin und sagt: „Wir brauchen einen Neustart." Warum hat er den nicht in der Regierung ermöglicht?

"Heute": Am 1. Oktober wählt das Burgenland. Ihr Ziel?

Niessl:
Ich bin Lizenztrainer im Fußball und als solcher weiß ich: Auf 0:0 spielen geht immer in die Hose, ich peile daher einen Sieg an. Die ÖVP hat derzeit 79 Bürgermeister, wir 87. Ein paar mehr wären schon ein großer Erfolg. Ich bin optimistisch, dass wir den einen oder anderen dazubekommen, wenngleich es eine große Herausforderung wird. 2012 erreichte die FPÖ bei den Gemeinderatswahlen 4 Prozent, die Grünen knapp 2 – dass da Potential nach oben vorhanden ist, ist klar.



"Heute": Und wie sieht Ihre Zielsetzung knapp zwei Wochen später im Bund aus?

Niessl:
Wir wollen wie schon bei der Nationalratswahl 2013 das beste SPÖ-Ergebnis aller Bundesländer erzielen und die 37,3 Prozent von damals vielleicht sogar noch ausbauen. Christian Kern soll Kanzler bleiben, damit unser Burgenlandminister Hans Peter Doskozil weiter eine wichtige Position in der Regierung einnehmen kann.

"Heute": Sind Sie stolz auf Verteidigungsminister Doskozil, der ja Ihre Erfindung war?

Niessl:
Ich bin nicht nur stolz. Es ist eine Freude zu sehen, wie er sich als Quereinsteiger entwickelt. Er ist nicht nur bei SPÖ-Wählern oder im Burgenland sehr beliebt, er hat österreichweit eine tolle Reputation, seine Arbeit wird geschätzt. Doskozil ist höchst kompetent im Sicherheitsbereich – da gibt es keinen zweiten in Österreich, der so ein Verständnis gepaart mit Ahnung von Politik mitbringt.

"Heute": Über welchen Burgenländerwitz können Sie lachen?

Niessl:
Ich habe seit 15 Jahren keinen mehr gehört – weil alle lächerlich sind. Wir haben im Burgenland die höchste Maturantenquote, das größte Wirtschaftswachstum, die höchste Kinderbetreuungsquote bei den Drei- bis Fünfjährigen, die wenigsten „Nicht genügend" bei der Zentralmatura in Deutsch, Mathematik und Englisch, und so weiter.

"Heute": Im Bildungsbereich haben Sie Änderungen vorgenommen …

Niessl
: Ja, früher waren vier Regierungsmitglieder für den Bildungsbereich zuständig, jetzt mache ich das alleine, bekomme aber nicht das vierfache bezahlt. Seit wir das in einer Hand konzentriert haben, können wir viele Synergien nutzen und schauen, was wir noch besser machen können.

"Heute": Apropos besser machen: Vor einigen Monaten wurden Sie überraschend zu „Genosse Fitness". Wie läuft Ihre Diät?

Niessl:
Der Wahlkampf hat mich wieder zurückgeworfen. Ich hatte schon 12 Kilo abgenommen, jetzt aber wieder fünf zugelegt. Das macht mich schon ein bisschen grantig.

"Heute": Ihre Kollegen Josef Pühringer und Erwin Pröll haben sich im letzten Jahr von der politischen Bühne verabschiedet, auch Michael Häupl hat seinen Rückzug angesagt. Wollten Sie nicht auch den New-York-Marathon laufen?

Niessl:
Das Burgenland hat großes Potential nach oben, ich will das Land noch weiter voranbringen, das ist eine tolle faszinierende Aufgabe. Der New-York-Marathon muss also noch warten.

"Heute": Was ist Ihre Deadline?

Niessl:
Meine Deadline war 60, die habe ich schon um sechs Jahre überschritten.

"Heute": Wollen Sie sie korrigieren?

Niessl:
Nach unten geht's ja nimmer …

"Heute": Haben Sie noch die Kraft?

Niessl:
Zum Marathonlaufen? (lacht) Nein, weil ich zu wenig trainiere. Mein Marathon ist, bei den Menschen zu sein, so viele persönliche Kontakte wie möglich zu pflegen. Das ist auch herausfordernd – am Abend ist man ziemlich fertig, aber es ist auch ein gutes Training.