Szene
"Jeder von uns ist Jack, schon im Sandkasten"
Wenn Mörder menscheln, hat die Meute ihren Mythos. Im Fall Unterweger bekommt dieser 21 Jahre nach Jacks Selbstmord die nächste Streicheleinheit - ab 11. September im Kino. Johannes Krisch spricht über Abscheu, Schuld und seinen sechsten Sinn für das Böse.
Spielball, Spielmacher, Spielwiese. Jack war von allem ein bisschen - vor allem aber ein sadistischer Frauenmörder, den die linke Kultur-Schickeria zum geläuterten Helden stilisierte. In Elisabeth Scharangs Biopic absorbiert Krisch Mörder und Mensch. Der Talk:
"Heute": Wenn Sie an Jack denken, was fühlen Sie?
Krisch: Einsamkeit. Ein sehr einschneidendes Gefühl.
Hatten Sie Momente der Vertrautheit mit ihm?
Viele. Zeichen, die mir Gänsehaut bescherten. Da war eine Kerze, die einfach ausging. Ein Auto vor der Haftanstalt Graz, mit "Jack 1" als Kennzeichen. Ein Speiseplan, der den Häftling Unterweger auflistete.
Verabscheuten Sie den Mörder auch manchmal?
Natürlich. Ich habe Sachen über ihn gelesen. Grauslich, verletzend und ekelhaft. Das wird man nicht leicht los.
Bescherte Ihnen der Sprung in die Mördergrube die eine, ultimative Erkenntnis?
Ja. Psychologische Gutachten zeigen, dass Jack in uns allen steckt. Schon im Kindergarten. Wir stehen mit verdreckter Hose da und behaupten, nicht im Sandkasten gespielt zu haben. Die Frage ist nur, wann bricht Jack in uns aus, wann kippt der Schalter.
Der Film endet mit Tränen der Reue. Eine stumme, aber klare Message. Sollen wir Jack so in Erinnerung behalten?
Das muss jeder selbst wissen. Jack wird mit seiner Tat konfrontiert, die Reaktion ist menschlich. Ich spreche ihm nicht ab, ein Mensch zu sein.
Schuldig oder nicht schuldig. Wie wichtig ist diese Frage für Sie und den Film?
Ich habe mir die Frage selbst lange nicht gestellt, um in meiner Recherche nicht eingeschränkt zu sein. Erst danach habe ich mich hingesetzt und sie für mich beantwortet.
Wenn Sie Unterweger eine Frage stellen könnten...
Ich würde ihn nur fragen, warum? Irgendwann werden wir es aber eh alle wissen.