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"Jets fehlt die Testzeit, der Produktionsdruck steigt"

Heute Redaktion
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Nach dem Absturz einer Boeing 737 Max 8 spricht ein Flugtechniker mit "Heute" über die Produktions- und Entwicklungsbedingungen moderner Jets.

Der Absturz einer Boeing 737 Max 8 hat in Äthiopien 157 Todesopfer gefordert, darunter auch Passagiere aus Österreich. Besonders brisant: Damit ist schon zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit ein fast fabrikneuer Jet des Herstellers unter ähnlichen Umständen abgestürzt. Experten vermuten einen Fehler in der Software des neuesten Boeing-Flugzeugs hinter den Tragödien.

In einem Leserbrief teilt nun ein Ingenieur für Flugtechnik seine Bedenken mit "Heute.at":

>>>Ich finde es gut, dass die Flugzeuge der jeweils neuesten Generation leiser, sparsamer im Ressourcenverbrauch und zugleich leistungsfähiger als ihre Vorgänger sind. Manches am Erfolg ist tatsächlich dem Fortschritt in der Forschung und Entwicklung geschuldet, soll heißen, man baut ein solches Luftfahrzeug guten Gewissens gemäß dem "Stand der Technik".

Nun ist es aber so, dass der Stand der Technik im Hinblick auf die unterstellte Sicherheit und Zuverlässigkeit ein wenig nachhinkt. Erst, wenn beide Kriterien zusammen erfüllt werden, ist ein Flugzeug nach den anerkannten Regeln der Technik mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit technisch zuverlässig.

Enormer Produktions- und Kostendruck

Ich will damit sagen, dass die Hersteller, dem enormen Kostendruck gehorchend, unter dem Einsatz modernster Software buchstäblich das Letzte aus Material und Technologie heraus holen. Flugzeugrümpfe und Tragflächen werden verlängert, Elektronik ohne Ende eingebaut. Es wird nach dem Stand der Wissenschaft und dem Stand der Technik gebaut und schon vor dem Bau des ersten Exemplars der verbesserten Generation ein Auslieferungstag genannt. Selbstverständlich werden auch schon Lieferzusagen für zig Exemplare gemacht, was zwar den Aktienkurs des Flugzeugherstellers steigen lässt, die Produktion aber schier unendlich unter Druck setzt.

Testzeit unter realen Bedingungen fehlt

Was aber fehlt, ist jene Zeit zum Erproben in Echtzeit, im Maßstab 1:1 - nicht bloß am Simulator. Jene Testzeit, die man dem berühmten "Jumbo Jet" in den 60er-Jahren noch gegönnt hat. Nicht umsonst fliegt die 747 von Boeing noch immer.

Nicht immer ist der rasche Fortschritt der Beste, denn manchmal hätten vielleicht umfangreichere Erprobungsphasen zwar nicht den ökonomischen Durchbruch gebracht, möglicherweise jedoch tragische Verluste und letztlich auch Abstürze an den Börsen verhindert.

Nichtsdestotrotz ist und bleibt Fliegen immer noch die sicherste Art der raschen Fortbewegung. Glück ab, gut Land!

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