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"Konzerthaus braucht 1,5 Mio Euro im Jahr"

Heute Redaktion
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Bild: Konzerthaus

Matthias Naske, 51, seit 2013 Intendant des Wiener Konzerthauses, im Gespräch mit Heute.at über die neuen Programmkonzepte, schwierige Arbeitsbedingungen, die finanzielle Situation 2015, und seinen integrativen Plan, das Haus auch für soziale Randschichten zu öffnen.

Heute.at: Herr Naske, wer ist Ihnen lieber: Bach oder Mozart?

Matthias Naske: Das ist einfach zu beantworten: Bach. Er ist  für mich das ursprünglichere Genie. Aber auch heute gibt es Komponisten, die ähnlich spirituell sind. Jeder Zeit findet eigene Mittel des musikalischen Ausdrucks.

Heute.at: Wenn Sie die Wahl hätten, Gäste fürs Konzerthaus zu holen: die Rolling Stones oder doch lieber die Wiener Philharmoniker?

 

Naske: Ich würde mich für die Wiener Philharmoniker entscheiden. Aus akustischen Gründen. Denn die Säle im Konzerthaus vertragen keine zu laute Musik, die Akustik im Haus hat ihre natürlichen Limits. Rockmusik braucht Räume ohne Nachklang. Wir hier haben exzellente akustische Bedingungen. Die Rolling Stones unplugged, das ginge auch.

Heute.at: Sie haben in Ihrem "früheren Leben" bei der Jeunesse das Kulturleben für Junge speziell in Wien stark vorangetrieben. Wie findet sich das Thema Jugendproramm im Konzerthaus?

 

Naske: Ich glaube, wir haben einen guten Altersmix. Kinder sind natürlich eine der Hauptzielgruppen unseres Hauses. Wir haben auch viele Schulklassen hier. Etwa 110 Veranstaltungen von 500 sind für ein junges Publikum – und es sollen noch mehr werden. Junge Menschen sind interessante, weil unkorrumpierte Zuhörer. Sie gehen vorurteilsfrei in ein Konzert. Und es ist wichtig, offen wahrnehmen zu können. Günther Anders hat das als "Lauschen" bezeichnet, eigentlich meinte er damit das aktive Zugehen auf die Musik. Wir werden hier weiterhin auch partizipative Veranstaltungen anbieten, also das Publikum in die Musik unmittelbar einbeziehen.

Heute.at: Sie haben vor Ihrem Antritt als Direktor gesagt, sie würden dafür kämpfen, dass das Konzerthaus mehr Bewegungsspielraum für die Gestaltung künstlerisch exponierter Programme erhält. Haben Sie da bis jetzt etwas erreicht?

Naske: Wir planen im Mai 2015 zum Beispiel den "Gemischten Satz" - ein sinnenfrohes Festival in allen Sälen des Hauses. Das wird ein Festival der Musik, Literatur und Bildenden Kunst. Das ist aber nur ein Beispiel, wie wir das Wiener Konzerthaus positionieren. Das Haus lebt und lebte ja davon, dass es experimentiert.

 

Heute.at: Aber dann findet man im Programm 2015 auch klingende Namen wie Boena Vista, Paolo Conte, Matthias Goerne, die Wiener Symphonikern. Das sind ja keine exponierten Programme.

Naske: Solche Namen schaffen Vertrauen. Was zählt, ist außergewöhnliche künstlerische Qualität in hoher stilistischer Vielfalt, von experimenteller Musik bis Klassik, von Jazz bis World, Wiener Lieder bis zu den Sofa Surfers oder König Leopold.

 

Heute.at: Sie sitzen nach wie vor auf über 6 Mio Euro Schulden durch die Generalsanierung. Seit 2000 hat die Stadt Wien die Subvention für das Haus quasi eingefroren, der Anteil an öffentlicher Finanzierung ist sehr gering. Wie sieht es 2015 aus?

Naske: Konkret betragen unsere Schulden 6,4 Mio Euro. Die Stadt Wien erhöht seit 17 Jahren ihren Beitrag von 1,054 Mio Euro nicht. Die Subventionen aus öffentlicher Hand machen nur 14 Prozent der Gesamteinnahmen des Hauses aus. Wir finanzieren uns über den Verkauf von 31.000 Abonnements pro Saison, Sponsoringgeldern und von der Vermietung der Räumlichkeiten. Das Kulturministerium unter Josef Ostermayer hat dem Konzerthaus für 2015 eine Subvention von 1,2 Mio Euro in Aussicht gestellt, v.a. für die innovativen Ansätze zur Musikvermittlung. Darüber bin ich sehr froh. Aber es braucht mehr als das. Ich hoffe sehr, dass die Stadt Wien mitzieht und ihre Subvention aufstockt.

Heute.at: Wieviel fordern Sie von der Stadt?

Naske: Ich bräuchte eine Aufstockung auf mindestens 1,54 Mio Euro jährlich – das wäre keine Erhöhung, sondern lediglich die Inflationsanpassung.

 

Heute.at: Was, wenn die Stadt Wien ablehnt?

Naske (lacht): Ich werde weiter lästig sein. Aber wir sind dabei durchaus verletzlich, weil wir auf die Mitfinanzierung durch die öffentliche Hand angewiesen sind. In Sachen Effizienz und Kostensparsamkeit brauchen keinen Vergleich zu scheuen. Das Wiener Konzerthaus ist ein kultureller Sehnsuchtsort hoher Relevanz für viele tausende Menschen unterschiedlicher sozialer und kulturellen Hintergründe. Das ist der Auftrag, den Präsident Dr. Christian Konrad und der Vorstand wahrnehmen. Und so arbeiten wir intensiv daran dieser Institution den Atem zu geben, der notwendig ist, dem Potential zu entsprechen. 

Heute.at: Längerfristige Pläne?

Naske: Ich träume davon, das Haus integrativ in der Gesellschaft zu verankern, also für soziale Einrichtungen zu öffnen, um Konzerte künftig auch einem Publikum zugänglich zu machen, das bisher keine Chancen auf die Teilnahme am direkten Erleben von Konzerten hatte. Dabei möchte ich einfach niemanden ausschließen. Wir müssen integrativ sein, qualitativ teilen und nicht trennen. Das sind wir unserer Kultur schuldig.

Heute.at: Wie konkret soll das aussehen?

Naske: Etwa, indem exzellente Konzerte doppelt geführt werden, um auch Personen Zugang zu gelebter Kultur zu sichern, die sich nur einen geringeren Eintrittspreis leisten können oder eingeladen werden müssen.