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"Le Passé - Das Vergangene": Schuld, Lüge & Familie

Heute Redaktion
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Die Geister, die ich rief: Regisseur und Oscar-Gewinner Asghar Farhadi lässt es in der Patchworkfamilie spuken und zieht in seinem neuen Werk Le Passé - Das Vergangene ein Konfliktnetz auf, aus dem sich niemand in dem beeindruckenden Schauspielerensemble befreien kann. Die Vergangenheit ist wie ein Fluch, müssen sie erfahren, damit umzugehen, wird ein Parforceritt und eine intensive Filmerfahrung, wie man sie selten erlebt.

Die Geister, die ich rief: Regisseur und Oscar-Gewinner Asghar Farhadi lässt es in der Patchworkfamilie spuken und zieht in seinem neuen Werk ein spannendes Lügennetz auf, aus dem sich niemand in dem beeindruckenden Schauspielerensemble befreien kann. Die Vergangenheit ist wie ein Fluch, mit ihr umzugehen wird ein Parforceritt und eine intensive Filmerfahrung, wie man sie selten erlebt.

Ahmad (Ali Mosaffa) kehrt aus seiner Heimat Iran zurück nach Paris, um mit seiner Noch-Ehefrau Marie () die Scheidung zu vollziehen. Sie holt ihn am Flughafen ab und hält bereits die erste Überraschung bereit: Sie hat aus Trotz kein Hotel für ihn gebucht. Unmittelbar hebt sich die Spannung zwischen Ahmad und Marie, er muss wohl oder übel in das alte Familienhaus zurück. Marie hat nämlich schon einen Hintergedanken: Ahmad soll mit ihrer Tochter Lucie (Pauline Burlet) reden, die sich in letzter Zeit seltsam verhält. Widerwillig geht Ahmad darauf ein, bleibt für ein paar Tage und versucht, einen Draht zu seiner Tochter zu finden, die ihre Mutter mit Schweigen straft.

Nebenbei sieht sich Ahmad auch noch mit Maries neuem Lebensgefährten Samir (Tahar Rahim) konfrontiert, der ein eigenes Kind aus einer früheren Beziehung mitbringt. Das die beiden keine Freunde werden liegt auf der Hand, doch Samir hat eine weitaus dunklere Vergangenheit, als Ahmad es ahnen könnte. Und seine Tochter Lucie scheint ihren ganz eigenen Grund zu haben, warum sie Samir nicht mag.

Hitchcock in der Familie

"Le Passé - Das Vergangene" beginnt verhalten, steigert sich aber nach und nach zu einem intensiven Kammerspiel, das überwiegend im Haus der Mutter stattfindet. Obwohl in Paris spielend, hat die romantische Stimmung der Stadt der Liebe hier keinen Platz: Die Atmosphäre wirkt ausgetrocknet, verblüht, herbstlich und betont das grundlegende Thema der Vergangenheit.

Diese thront über allen Figuren und schnürt sie zusammen, bis die letzte Lüge ans dunstige Tagslicht kommt. Regisseur Farhadi inszeniert dieses Familiendrama spannend wie einen Hitchcock-Krimi und durchleuchtet die Beziehungen aus allen möglichen Perspektiven. Bald erfahren wir, dass Samir frühere Beziehung nicht harmonisch endete - seine Exfrau liegt nach einem Selbstmordversuch im Koma. Und die Schuldfrage hiernach scheint noch lange nicht geklärt.

Schauspielkunst auf höchster Ebene

Es gibt nicht viele Filme, in denen ausnahmslos jeder Schauspieler zur Geltung kommt. "Le Passé - Das Vergangene" ist so ein seltenes Beispiel. Farhadi hatte mit seinem Ensemble vier Monate lang nur geprobt und die Figurenbeziehungen einstudiert, bevor es an die Dreharbeiten ging.

Diesen Aufwand spürt man in jeder der Einstellung: Es herrscht kein falscher Ton in diesem Machwerk, das die zerrüttete Familie chirurgisch seziert und bei allen Lügen und Missetaten dennoch Verständnis für jede Figur bereithält. Aus dem grandiosen Ensemble herauszustechen ist kaum möglich, aber die schöne Bérénice Bejo zieht hier wirklich alle Register an großer Schauspielkunst – dafür gab es zurecht den Darstellerinnenpreis in Cannes.

"Le Passé - Das Vergangene" ist ein packendes Familiengeheimnis, das es zu entdecken gibt. Wer sich auf den Film einlässt, wird noch lange die Bilder mit sich tragen. Denn Farhadis Konflikte bleiben im Kopf. Wie Geister.