Politik

"Lemminge" enttäuschen mit Mager-Koalition

Heute Redaktion
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Die neue Koalition ist noch nicht einmal angelobt, da lacht die Nation schon über die Ergebnisse: Die Ministerposten sind verteilt (Sebastian Kurz wird Außennminister), die Singles, Sekt-Trinker und Raucher kommen zum Handkuss, aber sonst tut sich nicht viel. Politik-Eperte Anton Pelinka vergleicht die Politiker gar mit "Lemmingen, die auf den Untergang zusteuern". Aus Aberglaube wurden die Ergebnisse am Donnerstag präsentiert.

Die neue Koalition ist noch nicht einmal angelobt, da lacht die Nation schon über die Ergebnisse: Die , aber sonst tut sich nicht viel. Politik-Eperte Anton Pelinka vergleicht die Politiker gar mit "Lemmingen, die auf den Untergang zusteuern". Aus Aberglaube wurden die Ergebnisse am Donnerstag präsentiert.

Die verantwortliche Politiker seien wie der "legendäre Zug der Lemminge", meinte Anton Pelinka zum ORF. "Wenige Schritte vor dem Abrund unternehmen sie nichts, um sich zu retten." Zwar saßen die Verhandler von Mittwoch auf Donnerstag bis halb eins zusammen, getan hat sich laut Experten aber viel zu wenig.

Nachtsitzung aus Angst vor Freitag, dem 13.

werden. Damit kann die neue Regierung am Montag von Bundespräsident Heinz Fischer angelobt und bei der bereits fixierten Sitzung am Dienstag dem Nationalrat vorgestellt werden. Der Grund für diesen Stress ist ebenfalls zum Grinsen: Es sollte vermieden werden, dass die neue Regierung am Freitag den 13. der Öffentlichkeit präsentiert wird!

Die Steuern werden - trotz gegenteiliger Versicherungen vor der Wahl - erhöht, um eine zusätzliche Milliarde Euro in die Kassen zu spülen. Doch dort, wo man viel einsparen könnte, bei Bildungs- und Verwaltungsreform, greifen Faymann, Spindelegger und Co nichts an.

FPÖ: Wie ein Nachruf

Die rot-schwarze Koalition erinnere an so manche Hollywood-Filme. Diese würden nämlich auch mit jeder Fortsetzung immer noch schlechter, meinte FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache zur Einigung von SPÖ und ÖVP. Außer Lippenbekenntnissen hätten Faymann und Spindelegger nichts zu bieten gehabt. Vom "neuen Regieren" sei nicht einmal in Spurenelementen etwas zu merken. In Wahrheit habe die heutige Erklärung bereits wie ein Nachruf geklungen. Dass die Regierung Österreich bis 2018 aus der Krise führen wolle, widerspreche früheren rot-schwarzen Aussagen, wonach die Krise doch eh schon lang vorbei sei. Vor fünf Jahren habe das alles ganz ähnlich geklungen.

Stronach/Nachbaur: "Besteuerungsgier"

Team Stronach Klubobfrau Kathrin Nachbaur zur verkündeten Koalitionseinigung: "Bei dieser Regierung zählen nicht Lösungskompetenz und Unternehmergeist, sondern die Besteuerungsgier. Diese Regierung ist eine phantasielose Verteiler-Clique, doch je weniger Geld in diesem Land erwirtschaftet wird, umso weniger kann die Regierung verteilen. Die Zukunft wird auf diese Weise dank SPÖ und ÖVP wohl unsozialer. Faymann und Spindelegger haben Freitag, den 13., mit all seinem Unheil vorgezogen. Heute ist ein schwarzer Tag für die Österreicherinnen und Österreicher, und es werden mit dieser Regierung leider noch viele folgen".

VSStÖ: "Blanker Hohn"

"Es ist ernüchternd, dass nach monatelangen geheimen Verhandlungen nun über Nacht der Koalitionsvertrag abgestimmt werden soll. Mitbestimmung und Demokratie sehen anders aus!" ärgert sich Jessica Müller, Vorsitzende des Verbands sozialistischer Studentinnen in Österreich (VSStÖ). Das ist blanker Hohn wenn diesem Prozess nicht einmal 24h Stunden gegeben wird!", kritisiert Müller weiter.

Lesen Sie weiter: Zweite Republik dominiert von Großer Koalition

Die nun wieder besiegelte Große Koalition ist die dominierende Regierungsform der Zweiten Republik. Mehr als die Hälfte - 40 Jahre - der 68 Jahre seit der ersten Nationalratswahl 1945 regierten SPÖ und ÖVP bisher gemeinsam. Die Große Koalition schrumpft aber immer weiter. Die neue Regierung unter Werner Faymann (SPÖ) ist die bisher prozentmäßig schwächste Große Koalition von SPÖ und ÖVP.

Die Nationalratswahl am 29. September 2013 hat beiden Partnern historische Tiefstände beschert - erstmals hat eine Koalition weniger als 100 Abgeordnete hinter sich. SPÖ und ÖVP kommen gemeinsam auf 99 der 183 Mandate, das sind 50,8 Prozent. In der vorigen Periode waren SPÖ und ÖVP miteinander auf 108 Mandate gekommen und hatten damit bereits die Zwei-Drittel-Mehrheit der Abgeordneten verloren.

Den absoluten Höhepunkt hatten Koalitionen der damaligen beiden Großparteien SPÖ und ÖVP in den 1960-er Jahren. 1962 kam die VP-SP-Koalition auf 89,4 Prozent. Von 1990 an sank diese Regierungsform in der Gunst der Bevölkerung ab. 1995 stieg sie wieder leicht auf 66,4 Prozent an, nach der siebenjährigen Schwarz-Blau-Phase nahm sie 2006 mit 69,7 Prozent sogar einen neuerlichen leichten Aufschwung. 2008 sackte Rot-Schwarz aber wieder auf 59 Prozent und damit erstmals unter die 60-Prozent-Marke ab.

Seither kann die Regierung keine Verfassungsgesetze mehr ohne eine Oppositionspartei beschließen. Das bedeutet, dass die SPÖ-ÖVP-Koalition nicht mehr Gesetze weitgehend der Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) entziehen kann. Die SPÖ-ÖVP-Koalitionen in der Zweiten Republik stützten sich fast die ganze Zeit auf eine Zwei-Drittel-Mehrheit.

Mehr als 40 der 68 Jahre seit der ersten Wahl im November 1945 regierten SPÖ und ÖVP gemeinsam - von 1945 bis 1966 unter ÖVP-Kanzlern, von 1987 bis Anfang 2000 unter SPÖ-Kanzlern und seit 2007 bis zuletzt. Die ÖVP ist seit 27 Jahren durchgehend Regierungspartei. Die SPÖ drückte von 2000 bis 2007 die Oppositionsbank - nachdem sie zuvor fast 30 Jahre (13 davon allein) regiert hat.

Mit diesen 13 Jahren Alleinregierung kommt die SPÖ in Summe auf eine längere Regierungsbeteiligung - nämlich 57 Jahre - seit 1945; bei der ÖVP sind es mehr als 51 Jahre (mit vier Jahren Alleinregierung von 1966 bis 1970). Bei den Kanzlern hat die SPÖ mit den letzten beiden Kanzlern Alfred Gusenbauer und Werner Faymann die ÖVP überholt: 36,7 Jahre stellte die SPÖ bisher den Regierungschef, 31,3 Jahre die ÖVP.

Eine Kleine Koalition mit der FPÖ sind sowohl SPÖ als auch ÖVP schon eingegangen. Die SPÖ vor langer Zeit - vom Verlust der Absoluten 1983 bis zu den nach Jörg Haiders Machtübernahme vorgezogenen Neuwahlen 1986. Die ÖVP verabschiedete sich Ende der 90er-Jahre von der Absage an eine Koalition mit der Haider-FPÖ und ging nach der Wahl 1999 Schwarz-Blau ein.

Dies war bisher die einzige Regierung, an der die stimmenstärkste Partei - die SPÖ - nicht beteiligt war und in der die drittstärkste Partei, die ÖVP, den Kanzler stellte. Auch nach den vorgezogenen Neuwahlen 2002 setzte die ÖVP - nunmehr als stimmenstärkste Partei - Schwarz-Blau fort; nach der Spaltung der FPÖ 2005 mutierte diese Regierung zu Schwarz-Orange.

Nach der Wahl 2006 wurde die Große Koalition unter Führung der Wahlsiegerin SPÖ wiederbelebt - hielt zunächst aber nur knapp eineinhalb Jahre. SPÖ-Chef Werner Faymann setzte dann 2008 die Koalition mit dem neuen ÖVP-Chef Josef Pröll und ab 2011 mit Michael Spindelegger fort - in einer erstmals fünfjährigen Periode.