Welt

"Mein Vergewaltiger machte mich unfruchtbar"

Mit 15 wurde Sarah vergewaltigt. Jahre später muss sie deswegen ihre Gebärmutter entfernen lassen.

Heute Redaktion
Teilen
Sie war 15 und unterwegs zu einer Kollegin.
Sie war 15 und unterwegs zu einer Kollegin.
Bild: privat

Sarah* spricht nie darüber. Bloß drei Personen wissen, was damals passiert ist. Die Worte kommen ihr kaum über die Lippen, allein die Erinnerung schüttelt sie durch.

Sie war 15 und unterwegs zu einer Kollegin. Es war Nachmittag, noch hell draußen, als ein Mann sie am Bahnhof Wil im Kanton St. Gallen in der Schweiz ansprach und um Hilfe fragte. Er bat sie, mitzukommen. "Ich habe ihn begleitet. Ich ging immer vom Guten aus." In seiner Wohnung vergewaltigte der Mann Sarah.

Lange für sich behalten

Sarah kehrt nach Hause zurück, verkriecht sich. Sie spricht mit niemandem darüber, erstattet keine Anzeige, geht nicht zum Frauenarzt. Erst ein halbes Jahr später weiht sie ihre Schwester ein. "Meine Mutter hat selbst psychische Probleme. Mit meinem Vater kann ich über solche Dinge nicht reden." Sarah geht es nicht gut. Wegen einer starken Magersucht kommt sie in die Klinik, doch auch da kann sie sich nicht öffnen.

Suizidgedanken? Holen Sie sich Hilfe, es gibt sie.

In der Regel berichten wir nicht über Selbsttötungen - außer, Suizide erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit.

Wenn Sie unter Selbstmord-Gedanken, oder Depressionen leiden, dann kontaktieren Sie die Telefonseelsorge unter der Nummer 142
täglich 0-24 Uhr

Allein schlägt sie sich durch, absolviert ein Studium an einer Fachhochschule. Immer wieder plagen sie Albträume. "Ich träume, wie der Mann über mich herfällt. Er war etwa doppelt so alt wie ich, ich hatte keine Chance." Mit 19 lernt Sarah ihren jetzigen Freund kennen. Er ist einfühlsam und verständnisvoll, mit ihm kann sie über alles sprechen. "Am Anfang war es schwierig, körperliche Nähe zuzulassen. Immer wieder kamen Erinnerungen an die Tat hoch. Heute kann ich seine Berührungen genießen."

Gebärmutter muss entfernt werden

Eines Tages hat Sarah plötzlich starke Bauchkrämpfe, später kommt Erbrechen dazu. Als ihr Hausarzt ihre Blutwerte sieht, wird sie sofort ins Krankenhaus eingeliefert. Nach stundenlangen Untersuchungen entdecken die Ärzte, dass ihre Eileiter durch eine Gonorrhö-Infektion komplett vereitert sind.

Einzige Ansteckungsmöglichkeit: die Vergewaltigung. Weil sich der Erreger so lange unentdeckt ausbreiten konnte, müssen die Chirurgen Gebärmutter und Eileiter der damals 19-Jährigen entfernen. "Nach dem Eingriff sagten die Ärzte, dass ich nie schwanger werden könnte. Sie sagten es einfach so dahin und ließen mich damit allein. Für mich brach eine Welt zusammen. Ich hatte mir so sehr eigene Kinder gewünscht."

Fünf Jahre später kämpft Sarah immer noch mit der Diagnose. Doch heute gelingt es ihr auch, Pläne für die Zukunft zu schmieden. "Ich möchte mit meinem Freund durch die Welt reisen, gemeinsam eine schöne Wohnung beziehen und eines Tages vielleicht einem Kind aus ärmlichen Verhältnissen ein liebevolles Zuhause geben."

* Name geändert