Österreich

"Mit nichts außer meinem Stethoskop geflüchtet"

Nach einem Drohbrief von Al Kaida packte die Gynakologin und bekennende Christin, Ban Ibraheem, ihre Sachen und flüchtete.

Heute Redaktion
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Ban Ibraheem (42) war in ihrer Heimat Irak Gynakologin. Sie und ihr Mann sind sehr gläubig – als christlich Orthodoxe glauben sie an Jesus, die Jungfrau Maria, und sogar an den Nikolo - "ich bin am Nikolaustag geboren", so die 42-Jährige, die im Wohnzimmer neben Heiligenfiguren auch ein Foto mit ihrem Mann und dem Kardinal Schönborn aufgestellt hat.

Drohbrief ins Krankenhaus

In zehn Jahren sind rund 1,5 Mio Christen aus dem Irak geflüchtet, weil sie politisch verfolgt wurden. Als in Bagdad eine Kirche bombardiert wurde und sie im Krankenhaus schwer Verletzte versorgte, bekam Ban Ibraheem einen Drohbrief einer Al Kaida-Organisation. Wenn sie die Stadt nicht verlasse, würden sie und ihr Mann, ärztlicher Leiter eines Spitals, sterben.

"Plötzlich waren wir auf der Philadelphiabrücke"

Zwei Tage später begann eine Irrfahrt nach Europa mit nichts, außer ihren liebsten medizinischen Geräten: einem Stethoskop und einem Blutdruck-Messgerät. Die beiden wollten nach England flüchten. Gelandet sind sie auf der Philadelphiabrücke in Wien – das wurde ihnen bewusst, als sie aus einem Bus stiegen und die Straßenschilder entzifferten. Schlepper hatten sie dort ausgesetzt.

Herkunftsland: Irak
Seit wann in Wien? Mai 2011
Alter: 42
Was bedeutet Ihnen Religion? Ich bin Christin, gehe oft in die Kirche
Was ist in Wien vorbildhaft? Die Sicherheit, das Gesundheitssystem
Lieblingsessen? Wiener Schnitzel
Ausbildung? Medizinerin
Mitglied in Verein? Kirchenverein
Ihre beste Freundin ist Österreicherin? Mit meiner österr. Betreuerin bin ich befreundet.
Fühlen Sie sich integriert? Es ist nicht einfach, Anschluss zu finden, aber die Nachbarn sind sehr nett.

Von dort ging es nach Traiskirchen und in ein Asylheim nach Zeltweg, ehe sie in einer verschimmelten Bleibe in Margareten Unterkunft fanden.

Inzwischen hat Ban Ibraheem Deutsch gelernt, wohnt in einem Gemeindebau und ist Mutter eines dreijährigen Buben. Sie arbeitet jetzt als freiwillige Mitarbeiterin bei Amber Med, der ambulant medizinischen Versorgung der Erzdiözese. Ban ist für sportmedizinische Erstversorgung verantwortlich und ist in das Peer-Projekt der MA 17 für Schwangere und junge Mütter eingebunden. Ihr Ziel: wieder als Gynakologin in einem Spital, oder als Gesundheitsberaterin arbeiten. Ihr Mann, der ebenfalls Deutsch gelernt hat, hofft auf die baldige Nostrifizierung seiner medizinischen Ausbildung, um wieder als Arzt arbeiten zu können. (jem)

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