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"Nioh 2": Noch härter, aber auch spektakulärer

Heute Redaktion
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Mit "Nioh" hat das Studio Team Ninja 2017 einen Hardcore-Rollenspiel-Hit gelandet. "Nioh 2" legt die Latte nun noch einmal höher – in jeglicher Hinsicht.

Gleich vorweg: Sorgen, dass der zweite Teil von Keoi Tecmo und Team Ninja nur eine schnelle Kopie von "Nioh" ist, das sich 13 Jahre in Entwicklung befand und schließlich zum Hit wurde, sind unbegründet. Zwar kommt "Nioh 2" nur zwei Jahre nach dem ersten Teil für Playstation 4 auf den Markt, es ist aber nicht nur eine konsequente Fortsetzung, sondern auch ein Spiel mit ganz neuen Elementen.

Die Grundpfeiler aber bleiben gleich: "Nioh 2" spielt im Japan des 16. Jahrhunderts, in dem Geisterwesen wie Yokai und menschliche Schurken mit Waffen und Magie um Macht und Ruhm kämpfen. Anders als in Teil 1 ist der Protagonist aber nicht der menschliche Kämpfer gegen die Dämonen, sondern selbst zur Hälfte einer der Yokai. Entsprechend kann er nicht nur wieder zu Schwert, Odachi und Co. greifen, sondern auch seine Dämonenkräfte anzapfen.

"Nioh 2" ist auch kein Sequel, sondern ein Prequel von "Nioh". Es spielt in der Sengoku-Zeit von etwa 1477 bis 1573. Im kriegszerrissenen Land mit Tausenden Toten wurden mächtige Dämonen zu den Schlachtfeldern gelockt, die vom Helden bekämpft werden wollen. Wieder wurden dazu die Regionen von "Nioh 2" ähnlich spektakulär, düster und atmosphärisch wie jene des Vorgängers inszeniert.

Charakter nun selbst erstellbar

Anders als im Vorgänger mit William Adams gibt es dieses Mal zwar keinen vorgegeben Charakter, an eine historische Figur ist aber auch der selbst zu erstellende Protagonist von "Nioh 2" angelehnt: Feldheer Toyotomi Hideyoshi trug, wenn auch mit teils brutalen Methoden, maßgeblich dazu bei, dass die Kriege der japanischen Reiche beendet wurden und gemeinsam ein neuzeitliches Japan geschaffen wurde.

Das Anpassungssystem ist in "Nioh 2" gänzlich neu. Mittels zahlreicher Kategorien kann man sich die eigene Figur nach Geschlecht, Stimme, Frisur, Haut- und Haarfarbe oder Körperform sowie sogar Bewegungen selbst bauen. Auch die Dämonenhälfte des Charakters darf mit Hörnern und ähnlichem angepasst werden. Die Anpassung ist dabei nicht rein dekorativer Art: Spätestens mit der Wahl des Yokai-Geistes bestimmt man, in welchen Dämon man sich verwandeln kann.

Wieder ist für alle Spielweisen etwas dabei: Phantome setzen auf Hinterhalte und Fernangriffe, Rohlinge suchen den Nahkampf und können leichter schwere Waffen nutzen und Wildlinge sind Meister darin, Attacken zu entgehen und blitzschnell zu kontern. Lange bleibt man allerdings nicht auf diese drei Dämonen beschränkt, denn im Lauf des Spiels kommen immer mehr dazu und eine getroffene Wahl ist hier nicht endgültig, sondern modifizierbar.

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Noch mehr Spezialisierungen

Zwar nicht neu, aber gewachsen ist die Auswahl an Spezialisierungen, die man in "Nioh 2" leveln kann. Wieder gibt es acht levelbare Werte wie Herz, Stärke und Magie, die bestimmen, welche Waffen und Rüstungen man tragen kann und gleichzeitig, gegen welche Effekte man resistenter wird. So sorgt etwa Herz dafür, dass man Schwerter und Bögen beherrscht, über mehr Ki für Angriffe und Verteidigung verfügt und man beständiger gegen Feuereffekte wird.

Neben den Fähigkeiten, die nun noch stärker ineinander greifen, gibt es auch neue Waffen. Zu den bekannten Katana-Schwertern, Zweifach-Schwertern, Speeren, Äxten, Tonfas, Odachis und Kusarigamas kommen nun werfbare Doppel-Äxte und Sensen hinzu. Fernangriffe können weiter mit Bögen und Gewehren ausgeführt werden. Gleich geblieben sind die Angriffs-Positionen, die schon "Nioh" von Genre-Vertretern wie "Dark Souls" abgehoben haben. Angriffe können in niedriger, mittlerer oder hoher Haltung ausgeführt werden, was Schaden, Reichweite und Geschwindigkeit der Angriffe beeinflusst.

Werden Anfänger sich hier schnell überfordert fühlen, können Meister wahre Angriffsfeuerwerke starten. Denn mit immer mehr Skills belohnt der fließende Wechsel zwischen Haltungen bei Angriffen einen gewaltigen Schadens-Boost – noch wichtiger ist allerdings, dass das für Angriffe nötige Ki dadurch ständig wieder aufgefüllt wird. Ebenfalls bereits aus dem Vorgänger bekannt: Auch Spezialfähigkeiten für Waffen lassen sich freischalten. Das ermöglicht etwa Konter, bei denen man einem Angreifer aufs Schwert steigt, ihm einen Tritt gegen den Körper verpasst und ihn dann mit der Klinge zu Boden schickt. Dazu kommen die Wuchtkonter, die ähnlich wie in "Sekiro: Shadows Die Twice" bei blitzschneller Reaktion den Feind stark angreifbar machen.

Keine Waffen-Schwächen mehr

Vorbildlich: Wer sich beim Aufleveln seines Charakters in eine vermeintlich falsche Richtung für den eigenen Spielstil bewegt, kann das mit der Zahlung von aus Kämpfen gewonnenem Gold wieder rückgängig machen. Die Punkte lassen sich nach der Zurücksetzung des Charakters einfach neu verteilen. "Nioh 2" wurde auch von Beginn an besser ausbalanciert als der Vorgänger: Erschienen in "Nioh" anfangs Äxte als viel zu langsam und die Odachi-Langschwerter dafür übermächtig, zeigen alle Waffen in "Nioh 2" zwar unterschiedliche Bewegungsabläufe, gleichen Vor- und Nachteile aber weit besser aus.

Noch gewaltiger sind die Fähigkeiten abseits der Primärwaffe geworden. Zwar konnte man schon in "Nioh" Zauber, Wurfsterne und Fallen nutzen, die Möglichkeiten sind in "Nioh 2" mit neuen Statuseffekten und Items aber beinahe ins Unendliche gestiegen. Neben all dem Lob für neue Techniken und Waffen: Auch die Button-Belegung für Angriffe ist gestiegen. So müssen weit mehr Knöpfe in den schnellen Gefechten gedrückt werden, um wirklich alle Attacken perfekt nutzen zu können. Das überfordert nicht nur Neulinge, sondern auch Kenner anfangs immens, bis man die Steuerung komplett verinnerlicht hat.

Besonders zu Beginn werden sich Spieler deswegen eher zurückhaltend zeigen, mit dem Fadenkreuz anvisierte Feinde umkreisen, in sicheren Momenten zuschlagen und mit der Schultertaste das für die Angriffe nötige Ki blitzschnell nach Attacken regenerieren. Feinde zwingen den Spieler allerdings nun neu recht schnell dazu, die bekannten Steuerungsmuster aufzugeben. Wusste man bei "Nioh" nach vier oder fünf Begegnungen mit einem Gegner-Typ dessen Bewegungsmuster, verfallen sie nun in "Nioh 2" meist schwer verwundet in einen Blutrausch mit teils unvorhersagbaren Bewegungen. Dies ist einer der Hauptgründe, warum "Nioh 2" drastisch schwerer geworden ist.

Dämonen-Kräfte statt "Living Weapon"

Zwar recycelt und passt "Nioh 2" viele Features des Vorgängers an, die spektakulärste Mechanik wurde aber gänzlich neu umgesetzt. Konnte man in "Nioh" einen Stoff namens Amrita sammeln, um mit ihm und dem eigenen Schutzgeist seine Waffe kurzzeitig in einem enorm Schadens-bringende "Living Weapon" vor allem für Bosskämpfe zu verwandeln, wird das Letztere von "Nioh 2" gestrichen und durch eine zweiteilige Dämonen-Mechanik ersetzt. Diese setzt sich einerseits aus der Nutzung von Dämonen-Effekten, andererseits aus der vollständigen Verwandlung in einen Dämon zusammen.

Besiegte Gegner lassen manchmal Seelenkerne fallen, die Reste von Yokai-Kräften enthalten. Verbindet man diese Kerne mit dem eigenen Schutzgeist, lassen sich ganz kurze Dämonen-Angriffe freischalten, bei denen man Feinden etwa Flammen entgegen schleudert oder sie aufspießt. Die Steigerung davon ist schließlich die vollständige Verwandlung in einen Dämon, für das wiederum Amrita gesammelt werden muss. Ist die Anzeige voll, kann man eine bestimmte Zeit lang seine Dämonenform annehmen und unglaublich stark zuschlagen. Wird man selbst getroffen, bedeutet das keinen Schaden sondern verkürzt nur die Zeit, die man in der Form des Dämonen verbringen kann.

Auch diese Dämonenform lässt sich weiter ausbauen, so dass sie im Spielverlauf weit länger als nur wenige Sekunden anhält und dabei noch mehr Schaden verursacht. Auch ein weiterer Aspekt ist neu: Nun lassen sich nicht nur bei Online-Anbindung die Leichen von gefallenen menschlichen Spielern als Gegner über die roten Gräber wiederbeleben, auch KI-gesteuerte gefallene Spieler können über die blauen Gräber als Mitstreiter gewonnen werden. Sie zeigen sich äußerst hilfreich, denn sie bekämpfen sogar Bosse und verschwinden meist erst nach mehreren Minuten wieder. Zudem ist die KI beachtenswert, nur Kanonenfutter sind die neuen Kameraden nicht.

Stundenlanger Sterbemarathon

Was sich allerdings nicht geändert hat, ist der nicht einstellbare Schwierigkeitsgrad des Spiels, der sich allerdings noch höher als jener des Vorgängers zeigt. Selbst mit langen Level-Orgien fühlt man sich in "Nioh 2" nie übermächtig und zu Beginn kommt die steile Lernkurve durch die teils neue Steuerung hinzu. Unfair geht es allerdings nie her, denn wieder sind in den verschiedenen Levels die Schreine als Speichermöglichkeiten sehr regelmäßig verteilt. Wie bekannt: Ihre Nutzung allerdings lässt fast alle besiegten Feinde wiederauferstehen. Stirbt man selbst, verliert man einen Teil der gesammelten Erfahrung. Stirbt man erneut, bevor man sie wieder eingesammelt hat, ist sie futsch.

Weit üppiger kommen nun die Videosequenzen des Spiels daher, die nicht nur besser aussehen, sondern auch vermehrt auftreten und fließendere Übergänge zum Spiel bieten. Auch mehr Nebenfiguren als noch das Original hat Teil 2 zu bieten. Ausbaufähig ist dagegen weiterhin die Levelgestaltung. Die Dörfer, Ruinen und Tunnel sind zwar wieder abwechslungs- und detailreich und können nun auch statt eben auch verstärkt über Stockwerke und Steigungen erkundet werden, vieles geht aber in meist dunklen Umgebungen verloren. Atmosphärisch dagegen ist das Game eindrucksvoll. In den rund 80 bis 100 Spielstunden hat man immer das Gefühl, hinter der nächste Ecke lauert der sichere Tod. Und meist ist das auch so.

Was schade ist: Dass die Figur beim Sturz in Wasser sofort stirbt wirkt wie ein Logikfehler; dass manche Passagen so eng sind, dass Abstürze immer wieder vorkommen wie eine gewollte Frust-Beilage. Auch nicht einmal Knie-hohe Zäune scheinen für die Spielfigur unüberwindbar zu sein – in Sachen natürliche Levelbegrenzung gibt es noch Nachholbedarf. Wie im Original schaltet man auch in "Nioh 2" mit jeder geschafften Mission auf einer Weltkarte eine weitere frei, manchmal wird auch, allerdings sehr zurückhaltend, eine Nebenmission eingestreut. Pflicht sind sowieso alle, um halbwegs mit den Level-Empfehlungen und Gegnern mithalten zu können.

Hart, aber jedenfalls außergewöhnlich

Grafisch wurde aufgerüstet, mit dem Hochglanz-Genre-Vertreter "Sekiro: Shadows Die Twice" kann man aber dennoch nicht ganz mithalten. Vor allem in Bosskämpfen mit über den Bildschirm sprühenden Effekten kommt es derzeit noch zu kleineren Rucklern, die schnell den Tod bedeuten können. Auch wirken die entfernten Umgebungen etwas schwammig und vor allem Gebäude recht grob und kantig. Klasse ist dafür, wie sich die Spielfigur mit jeder neuen Waffe und Ausrüstung auch optisch sehr verändert.

Apropos Ausrüstung: Den Überfluss hat auch "Nioh 2" nicht abgelegt. Eifrige Sammler müssen deshalb schon kurz nach Spielbeginn durch Dutzende, später Hunderte Waffen, Rüstungen und Items scrollen, um die Statuswerte und Effekte zu vergleichen und Unbrauchbares herauszufiltern. Herstellen kann man Items übrigens auch, was bei der Vielzahl an Beute aber fast überflüssig wird. Und wieder verrät das Spiel einfach nichts darüber, wie die verschiedenen Werte zusammenspielen, der Spieler muss sich da ordentlich in die Beschreibungen und Fähigkeiten einlesen.

Wie in "Nioh" ist auch der Multiplayer in "Nioh 2" stark eingeschränkt, wenn auch nicht so stark. Um (dieses Mal mit bis zu zwei Begleitern) kämpfen zu können, muss man selbst die auswählbaren Missionen bereits abgeschlossen haben. Beute bekommt jeder Spieler extra, die Mission ist erst gescheitert, wenn alle Teilnehmer tot sind. Entsprechend der Anzahl der Spieler steigt auch die Zahl und Stärke der Feinde. Kleinere technische und grafische Fehler verzeiht man dem Titel letztlich gerne. "Nioh 2" ist ein brachial-brutales und schweres Abenteuer, das sich nun endgültig vor "Dark Souls" und Co. nicht mehr zu verstecken braucht und mit tollen eigenen Innovationen aufwartet. Vor allem die Verwandlung zum Dämon macht den Reiz des neuen Hardcore-Rollenspiels aus.