Österreich

Mädchen (11) musste im Spital ganz alleine warten

Heute Redaktion
Teilen
Stundenlang musste ein elfjähriges Mädchen alleine im Eingangsbereich des Donauspitals warten, während ihr Bruder (8) behandelt wurde. Die Securitys verboten der Mutter ihre Tochter mitzunehmen: "Nur eine Begleitperson".
Stundenlang musste ein elfjähriges Mädchen alleine im Eingangsbereich des Donauspitals warten, während ihr Bruder (8) behandelt wurde. Die Securitys verboten der Mutter ihre Tochter mitzunehmen: "Nur eine Begleitperson".
Bild: heute.at

Stundenlang musste eine 11-Jährige im SMZ Ost alleine ausharren, warten, während ihre Mutter mit dem Bruder (8) in der Ambulanz war. Mama Sabine ist fassungslos.

"Es ist unmenschlich und eigentlich kaum zu glauben", beginnt Sabine F. (34, Name und der ihrer Kinder von der Redaktion geändert, Anm.) ihre Schilderungen gegenüber "Heute". Am Nachmittag des 4. April verletzte sich ihr Sohn Fabian (8) beim Herumspringen zuhause. "Mein Sohn hat die Matratze als Trampolin benutzt. Dabei hat er mit dem Fuß unabsichtlich gegen ein Kasterl geschlagen", erzählt Sabine. Als der Fuß beginnt anzuschwellen und blau zu werden, wählt die Mama die Unfallambulanz im Wiener Donauspital - SMZ Ost an."

"Da hat mich ein sehr netter Herr an einen Arzt weiter verbunden. Nachdem ich kurz geschildert habe, was passiert ist, meinte der Arzt, ich könne selbstverständlich mit meinem Sohn vorbeikommen. Es sei momentan sehr ruhig und es würde daher auch nicht lange dauern. Dann bedankte er sich noch bei mir, dass ich vorher nachgefragt habe und nicht einfach gekommen bin", so Sabine.

Weil die Zeit drängte, warf die Wienerin ihren Kindern - dem 8-jährigen Sohn und der 11-jährigen Tochter Anna, die beide schon im "Couch-Outfit" waren, Jacken über und machte sich auf den Weg ins Donauspital. "Selbstverständlich hatten meine beiden Kinder und ich die Schutzmasken auf", ergänzt Sabine.

Minderjährige als "Begleitperson" - Security verbannt Elfjährige in Eingangsbereich

Im Spital angekommen mussten die drei Wiener zuerst - wie alle anderen Besucher auch - zum Fiebermessen, alle hatten normale Temperatur. "Dann meinte ein Security, dass nur eine Person mit zur Anmeldung direkt beim Eingang darf. Ich dachte mir, okay und was mache ich mit meiner Tochter? Bei der Schleuse zur Anmeldung stand sie noch neben mir. Ein Arzt untersuchte Fabians Fuß und meinte, wir müssten auf die Kinderambulanz gehen", erinnert sich die Mama.

Für Tochter Anna begann damit wohl eine der schwierigsten Situationen ihres noch jungen Lebens. "Ich dürfte meine Tochter nicht mitnehmen, weil immer nur eine Begleitperson erlaubt ist. Ich habe den Security noch gefragt, ob das sein Ernst ist und dass eine Minderjährige ja keine Begleitperson ist", so Sabine.

Die zynische Antwort: Sie hätten ihre Tochter ja zuhause lassen können, aber wo sie schon mal da ist, kann sie ja im Eingangsbereich warten. Also ebendort wo neben ihr auch andere Menschen warten - jeder ein möglicher Corona-Infizierter. "Ich habe mir gedacht, nein. Meine Tochter ist elf Jahre alt, es ist Abend und nur ich als Mama entscheide, ob das Kinde alleine Zuhause bleiben kann", betont die Wienerin im Gespräch mit "Heute".

Da sich Sabine und der Vater ihrer Kinder das Sorgerecht teilen, war der Papa auch nicht Zuhause. "Außerdem war er bei den Großeltern und die Kinder dürfen ja nicht dorthin", so Sabine.

Doch bei der Security prallte jedes Argument ab, wie die Zweifach-Mama erzählt. "Ich habe ihr dann mein Handy in die Hand gedrückt, habe ihr gesagt, dass sie sich nicht anquatschen lassen darf und keine Angst haben muss. Sie muss jetzt genau da sitzen bleiben, ich habe ihr noch versprochen, dass ich mich beeilen werde".

Verängstigstes Mädchen auch noch verhöhnt?

Mit Nasen-Mund-Schutzmaske, Mamas Handy und dicker Winterjacke setzte sich Anna dann auf eine Bank in den Eingangsbereich. "Sie hat kaum Luft bekommen, wegen der Maske ist ihr Gesicht schon ganz rot angelaufen", erzählt Sabine. Die Zornesröte stieg auch der Mama nur kurze Zeit später auf, als sie mithörte, wie sich ein Security-Mitarbeiter über Anna's Kleidung lustig machte. "Er hat gesagt, 'sehr unvorteilhaft, das sie eine kurze Hose an hat'. Das war der Moment, wo ich ihn am liebsten ... ich sage das jetzt lieber nicht".

Mit Sohn Fabian eilte Sabine in die Kinderambulanz, bat dort um rasche Behandlung, weil die minderjährige Tochter alleine unten bleiben musste. "Ein sehr freundliche Ärztin hat uns dann nach einigen Minuten dran genommen. Sie hat noch gefragt, ob das stimmt, dass meine Tochter alleine beim Eingang sitzt. Nachdem ich das bejahte, hat sie sich sogar die Mühe gemacht und hat in der Radiologie angerufen und Fabian angekündigt".

Auf dem Weg zur Radiologie, bat Sabine ihren Sohn kurz zu warten - und hastete die Stufen hinunter, um nach ihrer Tochter zu sehen. Das fanden die Securitys laut der Wienerin sehr erheiternd: "Die waren nur am Lachen", ist Sabine noch immer fassungslos.

Trotzdem bemühte sich die Wienerin nochmal um Verständnis: "Ich habe ihm gesagt, dass bei meinem Sohn ein Knochenbruch vermutet wird und bat ihn darum, meine Tochter zu holen, damit sie nicht wirklich stundenlang da sitzen muss. Seine Antwort: 'Sollte ihr Sohn wirklich einen gebrochenen Fuß haben, dann kann ja die Schwester mit ihm ins Gipszimmer gehen und ich soll unten warten. Denn es darf nur eine Begleitperson hinein".

Kinder müssen alleine warten - offenbar kein Einzelfall

"Ich dachte wirklich, ich bin im falschen Film", ärgert sich Sabine. Wenigstens beim Röntgen gab es dann eine positive Nachricht. Ein Mittelfußknochen ist zwar angeknackst, aber es ist kein voller Knochenbruch. "Die Ärztin hat sehr menschlich gehandelt und hat selbst das unmenschliche Verhalten beim Eingangsbereich nicht nachzuvollziehen können. Sie hat auch noch von anderen Fällen gehört und dass sich schon mehr Eltern deswegen beschwert hätten", so Sabine.

Als die Wienerin ihre Tochter schließlich beim Eingang abholte, musste diese schon dringend aufs WC. Doch weil sie dazu ins Krankenhaus reingehen hätte müssen - wieder nur mit einer Begleitperson, also entweder Mama Sabine oder mit ihrem verletzten Bruder - ging das nicht. "Ich bin wirklich sehr sehr stolz auf meine Tochter. Sie hat die Situation trotz ihrer Angst, ihrer vollen Blase und wenig Luft unter der Maske super gemeistert", so Sabine.

Dass in Zeiten der Corona-Krise Vorsicht geboten sei, dafür zeigt die Wienerin Verständnis. "Ich verstehe, dass in Zeiten von Corona strenge Maßnahmen ergriffen werden müssen. Was ich nicht verstehe ist, dass ein minderjähriges Kind gezwungen wird, allein mit 1.000 anderen Kranken im Eingangsbereich zu warten, anstatt mit dem gesunden Bruder und der Mama den 'Gefahrenbereich' verlassen zu dürfen", unterstreicht Sabine.

Zudem das Erlebte von Sabine und ihren Kindern kein Einzelfall sein dürfte. "Ich habe dann noch gefragt, wie das gemacht wird, wenn zum Beispiel fünfjährige Zwillinge, wovon eines krank ist, kommen. Und wo die Mama niemanden hat, der das andere Kind abholen kann. Die Antwort war die gleiche: Nur eine Begleitperson. Entweder das Kind wartet im Eingangsbereich oder man verlässt das Krankenhaus samt dem kranken Kind wieder".

KAV erklärt Vorgangsweise und bittet um Verständnis

Auf "Heute"-Anfrage erklärt der KAV zu den Vorwürfen folgendes: "In allen KAV-Einrichtungen gilt ein Covid-bedingtes generelles Besuchsverbot. Eine Ausnahme bilden minderjährige und betreuungsbedürftige Patientinnen und Patienten. Sie können von maximal einer Person begleitet werden. In besonderen Situationen wird jeder Einzelfall bewertet und im Konsens mit den Beteiligten entschieden".

Im geschilderten Fall hätten die Kollegen vor Ort den Eindruck, dass Mutter und Tochter mit dem Vorschlag einverstanden waren. Um die Wartezeit für die Tochter möglichst kurz zu halten, sei der Junge vorgezogen und rasch behandelt worden. Bei der Verabschiedung habe sich die Mutter bei dem Team recht herzlich bedankt. "Es tut uns leid, wenn die Situation von unserer Seite falsch eingeschätzt wurde", so der KAV.

Generell bietet der KAV aber um Verständnis: "Die drastischen Einschränkungen in unseren Spitälern sind leider notwendig - zum Schutz der Patienten und der Mitarbeitern. Uns ist bewusst, dass diese Maßnahmen für alle sehr belastend sind".

Verständnis für die Sicherheitsmaßnahmen kann Sabine F. aufbringen, dass sie sich aber dafür bedankt habe, dass sie ihre Tochter alleine lassen musste nicht. "Ich weiß nicht von welcher Mutter da in der Stellungnahme gesprochen wird, aber da sprechen sie garantiert nicht von mir. Ich bin wirklich sprachlos. ich würde nie freiwillig mein 11-jähriges Kind vorm Eingang sitzen lassen"

;