Politik

"Paranoider" Strasser hatte Angst vor Abhörung

Heute Redaktion
Teilen

Vier ehemalige Assistentin von Ernst Strasser bestätigten am Dienstag im Prozess, ihr Chef habe schon im Herbst 2010 den Verdacht geäußert haben, von einem Geheimdienst abgehört zu werden. Diese Aussagen decken sich mit Strassers Angaben über seine Einschätzung der beiden Undercover-Journalisten.

Mit der Einvernahme von Peter Gridling, seit März 2008 Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), und mehrerer ehemaliger Assistentinnen von Ernst Strasser ist am Dienstag der Prozess gegen den ehemaligen Innenminister und ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament fortgesetzt worden.

Gridling gab im Zeugenstand an, er habe erst nach Auffliegen der Korruptions-Affäre um Strasser von der Vermutung des ehemaligen Innenministers erfahren, ihm, Strasser, sei ein Geheimdienst auf den Fersen. Strasser habe ihn im April 2011 "um Rat gebeten, weil er die Einladung eines russischen Geschäftspartners zu einem Konzert hatte", sagte der BVT-Chef. Der Ex-Minister habe diesen Umstand mit einem Geheimdienst in Verbindung gebracht.

Auf die Frage von Richter Georg Olschak, ob auch von einem "westlichen Geheimdienst" die Rede gewesen sei, erklärte Gridling, er habe Strasser auf die vermeintliche Londoner Lobbying-Agentur Bergman & Lynch angesprochen, hinter der sich die beiden britischen Aufdeckungs-Journalisten getarnt hatten, denen Strasser auf den Leim gegangen war. Strasser habe die Frage verneint, ob Bergman & Lynch mit einem Geheimdienst zu tun haben könnten.

Angst gehabt "von denen ausgelacht" zu werden

Strasser behauptet bekanntlich, das Spiel der Journalisten von Anfang an durchschaut und sich nur zum Schein auf die Gespräche mit den falschen Lobbyisten eingelassen zu haben, weil er den Verdacht hatte, im Visier eines Geheimdiensts zu stehen. Er habe die Agenten bzw. deren Auftraggeber aufdecken wollen. Zum BVT sei er deshalb nicht gegangen, weil man dem Verfassungsschutz einerseits "pfannenfertige Unterlagen" liefern müsse und er andererseits befürchtet hätte, mit seinen noch vagen Hinweisen "von denen ausgelacht" zu werden, wie der Angeklagte in der Vorwoche festgestellt hatte.

Zuvor hatte eine Ex-Assistentin Strassers erzählt, sie sei bei Anrufen bei Bergman & Lynch stets auf einem Anrufbeantworter gelandet: "Drei Sekunden später hat man einen Rückruf erhalten. Das war teilweise sehr auffällig." Sie habe das auch mit Kolleginnen besprochen. Im Herbst 2010 habe Strasser erstmals erwähnt, dass er seiner Vermutung nach von einem Geheimdienst überwacht werde. Strassers Verhalten sei "fast schon paranoid" gewesen: Er habe ihr etwa einmal "im Vorbeigehen" einen Zettel hingelegt, auf den er gekritzelt hatte, "dass wir abgehört werden".

"Er hat gesagt, wir sollen uns nicht fürchten"

Eine weitere frühere Mitarbeiterin des Angeklagten fand den Web-Auftritt der vermeintlichen Londoner Lobbying-Agentur seltsam: "Die Homepage war etwas merkwürdig. Komisch. Weil keine Fotos da waren, keine Namen von Ansprechpartnern. Es waren keine Informationen da." Im weiteren Verlauf habe auch ihr der Chef den Geheimdienst-Verdacht nahe gebracht und vermutet, sein Büro werde abgehört: "Er hat gesagt, dass wir uns nicht fürchten sollen und den Betrieb ganz normal aufrechterhalten sollen."

Dass Bergman & Lynch eine Scheinfirma war, habe sie erst mitbekommen, als die "Sunday Times" die Tarnung auffliegen ließ und Strasser erklärte "Jetzt wissen wir, wer dahinter steckt". Vor seinem Rücktritt habe Strasser alle seine Assistentinnen angerufen "und mitgeteilt, dass er dem Herrn Pröll den Rücktritt anbieten muss. Da war ich fertig mit der Welt", gestand die Zeugin. Sie habe befürchtet, damit ebenfalls ihren Job zu verlieren.

Gratis-Handy wurde fast zum Verhängnis

Einer anderen vormaligen Mitarbeiterin dürfte Strasser verdanken, dass ihm später keine unangenehmen Fragen zu einem Gratis-Handy gestellt wurden, das ihm Motorola angeboten hatte. Sie hatte Strasser in einem Mail im Jänner 2010 darauf aufmerksam gemacht, dass er das Mobiltelefon "nicht annehmen dürfe", zitierte Oberstaatsanwältin Alexandra Maruna aus dem Mail-Verkehr zwischen der jungen Frau und Strasser. "Warum nicht?", schrieb Strasser laut Maruna zurück. "Ist nicht erlaubt laut Geschäftsordnung", entgegnete ihm die Assistentin.

Der Prozess wird am kommenden Donnerstag mit weiteren Zeugenbefragungen fortgesetzt. Geladen ist unter anderem der nunmehrige ÖVP-EU-Delegationsleiter Othmar Karas.