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"Sadomaso brauche ich nicht, werde verbal gepeitscht!"

Heute Redaktion
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Wenn Oma wilden Fetischsex hat, schickt Austro-Autor Franzobel lieber seinen Kommissar Groschen an die Front. Gut so, er selbst praktiziert derweil Blümchensex, werkt am Weltseller, exzerpiert die Wiener Seele - und plaudert mit Heute über seinen neuen Krimi, Groschens Grab.

Wenn Oma wilden Fetischsex hat, schickt Austro-Autor lieber seinen Kommissar Groschen an die Front. Gut so, er selbst praktiziert derweil Blümchensex, werkt am Weltseller, exzerpiert die Wiener Seele – und plaudert mit "Heute" über seinen neuen Krimi, "Groschens Grab".
 

"Heute": Die Literaturwelt nennt Sie Sprachwilderer, Splatterpoet, Stammtischphilosoph. Was davon erfasst Sie am ehesten – oder sind Sie einfach unfassbar?

Franzobel: "Ja, unfassbar ist gar nicht schlecht. Ich mache immer die Dinge, die Spaß machen, und von denen ich mir noch nicht sicher bin, dass ich sie kann. Vor 20 Jahren habe ich mit einem experimentellen Text den Bachmann-Preis gewonnen. Aber die Vorstellung, diese Art von Literatur mein ganzes Leben zu machen, war mir zu langweilig. Danach haben sich Theaterstücke ergeben, ich habe die Prosa intensiviert, dann kam das erste Kind und ich habe es genossen, ohne Erwartungsdruck vom Feuilleton zu schreiben. Bevor ich etwas Neues anpacke, muss ich immer das Gefühl haben, dass ich jetzt den Weltseller mache. Ist zwar noch nie geglückt, aber ich brauche das Gefühl."

 

"Heute": Dieser Wunsch ist Ihre Motivation?

 Franzobel: "Naja, ich komme vom Land, meine Eltern sind Arbeiter. Da hat’s schon geheißen: Auf dich haben sie gewartet! Ich hatte also schon immer das Gefühl, es den anderen zeigen zu müssen."

 

"Heute": Warum kam 2014 der erste Krimi?

Franzobel: "Bekannte und Nachbarn haben mir oft gesagt, dass ich so grauslich schreibe. Ohne Genierer und sexuell ausschweifend. Ob es denn nicht ein bisschen disziplinierter ginge. Und der Krimi ist eine gute Selbstdisziplinierung."

 

"Heute": Ein bisschen grausig ist der Groschen aber schon. Die Erörterung der Sexualpraktiken zwischen Greisen…

Franzobel: "Ja, aber es hält sich in Grenzen. Es gibt schon ein paar Zitate, aber meiner Schwiegermutter und ihren Freundinnen ist’s nicht zu heftig."

 

"Heute": Groschen beschreibt das Werk der Porno-Oma als "Fifty Shades of Grey" auf Wienerisch. Haben Sie Derartiges auch geplant?

Franzobel: "Das wäre schon ein sehr interessantes Projekt. Aber das funktioniert nur, wenn man diese Fantasien selbst hat. Und dafür bin ich viel zu normal, viel zu sehr Durchschnitt."

 

"Heute": Als lieber Blümchensex als Sadomaso?

Franzobel: "Absolut. Das ist mir völlig fremd. Es fasziniert mich, dass Menschen es toll finden, Ganzkörperlatexanzug zu tragen. Selbst könnte ich mich nie in einen Abschwaschhandschuh verwandeln."

"Heute": Also auch keine Peitsche im Schlafzimmer?

Franzobel: "Nein, ich werde verbal genug gepeitscht."

 

"Heute": Groschen hat ein gutes Näschen für Mörder, kann sich aber selbst nicht riechen. Er mag keine Kleingeister, stößt sich aber auch an der medialen Zurschaustellung bärtiger Zwitterwesen. Macht ihn diese Ambivalenz so sympathisch?

Franzobel: "Groschen spricht unverblümt gegen politische Korrektness, und das macht ihn menschlich, ohne dass er zu sehr in eine Richtung abdriftet. Er hat schon viele Züge von mir. Er trinkt gerne Bier, ist korpulent und mag Bratenfetten."

 

"Heute": Für das Lustspielhaus knöpften Sie sich heuer "Hamlet" vor. Ist die Proletarisierung von Figuren der Weltliteratur ein Garant für Lachtränen?

Franzobel: "Es ist so einfach lustiger. Nestroy hat nichts anderes gemacht. Große Stoffe auf nachvollziehbare soziologische Schichten herunterbrechen.

 

"Heute": Die 120.000 Euro Kunstförderung für das Haus 2014 sorgte vor Kurzem für einen politischen und medialen Aufschrei. Ist das zu viel?

Franzobel: "Finde ich gar nicht. 14.000 Menschen werden hier mit ihrer Identität konfrontiert und verbringen einen vergnüglichen Abend. Da ist das gut investiert. Um dieselbe Summe könnte man nur 50 Meter Autobahn bauen oder einen halben Parkplatz errichten."

 

"Heute": Das österreichische Gießkannen-Prinzip macht also immer Sinn?

Franzobel: "Nein, wenn’s um Musical geht, nicht. Hier findet keine künstlerische Leistung statt. Da wird nur das redupliziert, was in Amerika vorgegeben wurde. Ich kann damit wenig anfangen. Wenn bis zum Lippenstift der Backgroundsängerin in der dritten Reihe alles vorgegeben ist und es nur darum geht, alles genau so zu machen, wie am Broadway. Es ist sehr fragwürdig, dass so etwas mit öffentlichen Geldern derart gefördert wird."

 

"Heute": Sie haben sich 2010 sehr für das Bleiberecht von Arigona Zogaj eingesetzt. Wie beurteilen Sie den aktuellen Umgang mit Flüchtlingen?

Franzobel: "Es ist erschreckend, dass ein Land wie Österreich mit so einer geringen Anzahl von Flüchtlingen nicht fertig wird. Wenn jede Gemeinde nur sechs von ihnen aufnehmen und integrieren würde, hätten wir das Problem nicht. Aber es wird halt immer Angst geschürt, das Gefühl vermittelt, es kommen Tausende potenzielle Verbrecher zu uns. Das lässt mich für die Zukunft schwarzsehen. Weil weniger werden es ja nicht."

 

"Heute":  Vor ein paar Wochen verglichen Sie auf Facebook H.C. Strache mit Joseph Goebbels. Eine spontane Eingebung?

Franzobel: "Ich bin zufällig auf Straches Biografie gestoßen und dachte, das kann man posten. Ich wusste schon, dass er bei Wehrsporteinrichtungen war. Aber dass er aus einer Zelle von Neonazis kommt und alle Kader durchlaufen hat, war mir nicht bekannt. Dann habe ich das Foto von Goebbels mit der gleichen Körperhaltung gefunden. Wenn ich mir vorstelle, so jemand wird Wiener Bürgermeister, hätte ich kein gutes Gefühl."