Community

"Seit ihrem Tod lebe ich wie im Zölibat"

Fünf Jahre ist es her, seit Renés Freundin aus dem Leben geschieden ist. Aber noch immer schafft er es nicht, sich auf eine Beziehung einzulassen.

Heute Redaktion
Teilen
Picture
Bild: iStock

Frage von René an Doktor Sex: Ich (33) war mit 21 in eine Frau verliebt, die ich bis heute liebe, auch wenn sie vor fünf Jahren gestorben ist. Wir waren verlobt und sie wurde schwanger von mir. Ich war überglücklich, jedoch verlor sie das Kind und dann wurde ihre Stimmung immer düsterer. Plötzlich sagte sie Dinge wie "Du hast eine richtige Frau verdient". Ich kam einfach nicht mehr an sie heran. Sie trennte sich von mir, und kurze Zeit später nahm sie sich das Leben.

Seither denke ich immer an sie. Ihr Feuer brennt immer noch heiss in mir. Ich kann zwar von neuen Bekanntschaften schwärmen und mir Hoffnung machen, aber letztlich sehe ich nur, wie unvollkommen andere Frauen sind, verglichen mit meiner einzigen wahren Liebe. Ich lebe wie im Zölibat. Sexabenteuer reizen mich überhaupt nicht und sind ein Abturner. Ich kann einfach keine Frau mehr anbeten. Aber das brauche ich, damit Liebe wachsen kann. Was soll ich tun?

Antwort von Doktor Sex



Lieber René

Den Tod der Partnerin oder des Partners zu verarbeiten kann viel Zeit in Anspruch nehmen. Manchmal sind damit auch Herausforderungen verbunden, die einen an die eigenen Grenzen bringen – und nicht selten darüber hinausführen. Gleichzeitig ist mit dieser Aufgabe aber auch die Möglichkeit verbunden, zu wachsen. Manchen Menschen gelingt es auch, sich am Ende eines solchen Prozesses selbst neu zu verorten und das eigene Leben neu zu erfinden.

Damit Letzteres möglich werden kann, braucht es die Bereitschaft der betroffenen Person, sich dem Leben, das ja während der ganzen Trauer- und Verarbeitungsphase nicht stehen geblieben ist, wieder zu öffnen. Manche Menschen tun sich leicht damit. Anderen gelingt dies nur schwer und einige wenden sich ganz von der Welt ab und führen die Beziehung mit dem verstorbenen Partner im Geist weiter.

Begegnen sie dann zufällig jemandem, der oder die ein Interesse signalisiert, wird der potenzielle Partner beziehungsweise die potenzielle Partnerin natürlich sofort mit dem verstorbenen Menschen verglichen. Und weil niemand dem Vergleich mit einer oder einem ins unermessliche überhöhten Toten standhalten kann, zieht letztlich die fehlbare – weil im Leben stehende –Person immer den Kürzeren. Auch du scheinst diese Tendenz zu haben.

Ich denke, es ist nun an der Zeit, die Vergangenheit ruhen zu lassen und zu akzeptieren, dass deine Geliebte tot ist. Möglicherweise hilft es dir, wenn du dir vorstellst, wie du bewusst den Raum verlässt, in dem eure gemeinsame Geschichte stattgefunden hat – im Wissen darum, dass er weiter existiert und du, wenn dir danach ist, dorthin zurückkehren und dich eine Zeit lang darin aufhalten kannst.

Wichtig ist jedoch, dass du die Besuche dort bewusst gestaltest und dich danach auch immer wieder verabschiedest und wieder den Räumen zuwendest, in denen dein Leben im Hier und Jetzt stattfindet. Falls dir dieser Abschied schwerfällt, empfehle ich dir, dafür eine therapeutisch oder seelsorgerisch tätige Fachperson als Begleitung zu organisieren. Alles Gute!

Deine Frage an Doktor Sex: [email protected]

(wer)