Österreich

Tierheim versinkt im Teer, Stadt sieht untätig zu

Heute Redaktion
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Der Wiener Tierschutzverein versinkt im Teer. Für die Sanierung sieht der WTV die Stadt Wien zuständig, doch die winkt ab. Die ÖVP Wien übt Kritik.

Der Wiener Tierschutzverein (WTV) mit Sitz in Vösendorf wurde 1846 gegründet und ist somit Europas zweitälteste Tierschutzinstitution. Seit 1998 ist er in der Triester Straße 8 beheimatet. Pro Tag werden hier rund 1.000 Tiere versorgt: Von ausgesetzten oder heimatlos gewordenen Haustieren bis hin zu Wildtieren in Not ist alles dabei.

Doch auch wenn sich die Mitarbeiter und Tierärzte kompetent und liebevoll um ihre tierischen Schützlinge kümmern, eine andere drohende Gefahr können auch sie nicht abwenden.

Tierschutzhaus versinkt im Teer

Errichtet wurde der Tierschutzverein auf den Gründen der ehemaligen Raffinerie Vösendorf. Von 1920 bis 1960 waren auf dem rund 2,5 ha großen Standort Betriebsanlagen situiert, in der aus Rohöl Benzin, Petroleum, Gasöl und Bitumen erzeugt wurden. Die Folgen spürt der WTV bis heute: Inmitten des Tierschutzheims dringt ein See aus Teer aus dem Boden, alte Reifen, Gläser und andere Hinterlassenschaften der Raffiniere drückt es hier regelrecht aus der Erde.

Der Boden ist hier ständig in Bewegung, deutlich erkennbar an den aufgebrochenen Gehwegen und den zum Teil beträchtlichen Rissen in den Gebäuden. "Die Altlast gilt rechtlich als gesichert. Das ist seitens der Behörde ein reiner Hohn", ärgert sich WTV-Präsidentin Madeleine Petrovic im Gespräch mit "Heute".

2008 brach plötzlich der Parkplatz ein, ein Mitarbeiter wäre fast gestorben. "Grund sind die ehemaligen Säureteiche, die für die Reinigung der Kessel verwendet wurden. Diese Hohlräume können jederzeit einbrechen", so Petrovic. Ein ganzer Trakt, der eigentlich für die Unterbringung und Betreuung von Hunden vorgesehen ist, musste wegen akuter Einsturzgefahr gesperrt werden. Schlimme Zustände finden sich auch im "Katzenhaus", hier bröckelt ständig der Putz von der Wand, gerade Flächen sucht man hier vergeblich. Durch die Risse in den Gebäuden steigt Wasser hoch, die Folge ist weitläufiger Schimmel.

Stadt Wien als Eigentümerin "säumig"

Zuständig für die Sanierung der Altlasten wäre die Stadt Wien, in deren Eigentum das Grundstück steht. Doch die hat offenbar herzlich wenig Interesse daran. Seit Jahren laufen daher Klagen, mit denen der WTV versucht, die Kosten für die Sanierungen von der Stadt zurückzubekommen. "Für die Sanierung des Parkplatz-Loches mussten wir 30.000 Euro investieren, dafür aufkommen müsste aber die Stadt Wien. Im November 2013 brachten wir daher Klage ein, nun wurde uns in erster Instanz Recht gegeben", so Petrovic.

Dennoch folgte, was Petrovic als "typisch" bezeichnet: die Stadt legte Berufung ein. Die Folge sind andauernde juristische Verfahren und keine Entscheidung für den WTV. "Das ist auch deswegen schlimm, weil wir uns rein über Spenden finanzieren. Im Jahr geben wir rund 300.000 Euro aus, um die wichtigsten Reparaturen durchführen zu können. Dieses Geld fehlt dann für die Betreuung der Tiere. Die Stadt gefährdet mit ihrer Untätigkeit und dem Nichtwahrnehmen ihrer Verantwortung wissentlich die Tiere und unsere Mitarbeiter", ist Petrovic empört.

ÖVP über Situation "schockiert" an und fordert rasches Handeln

Die lauernde Gefahr ruft nun auch die ÖVP Wien auf den Plan: "Die Situation vor Ort ist schockierend. Stadträtin Sima hat eine Verpflichtung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den dort untergebrachten Tieren des Wiener Tierschutzhauses. Im Baurechtsvertrag ist schließlich festgelegt, dass die Stadt Wien verpflichtet ist, Maßnahmen zur Erhaltung des Betriebes zu übernehmen. Es besteht daher dringender Handlungsbedarf seitens der Stadträtin", ärgert sich Klubchefin Elisabeth Olischar.

Doch auch aktuell gebe es keine Kommunikation mit der Stadt Wien. "Jeder Versuch eines Gesprächs wird von der SPÖ-Umweltstadträtin abgeblockt. Wir fordern eine Wiederaufnahme der Gespräche und Verhandlungen zwischen Stadträtin Sima und dem WTV bezüglich einer neuen Liegenschaft", betont Olischar.

Zudem fordert die ÖVP von Sima, Gutachten einzuholen, die aufzeigen, wie es um die Gefährdung von Mensch und Tier im Wiener Tierschutzverein tatsächlich steht. "Sowohl ein Human-, als auch ein Ökotoxikologe haben 2014 dringend weitere Gutachten empfohlen – bis dato ist nichts passiert", kritisiert Olischar.

"Chance, ein professionelles Tierschutzwesen in Wien zu gründen"

Der Wiener Tierschutzverein und das TierQuartier Wien hätten das Potential sich optimal zu ergänzen und Synergien zu bilden. Durch die geographische Lage, mit dem WTV im Süden und dem TierQuartier im Norden Wiens, die beiden Tierschutzeinrichtungen geradezu perfekt, um gemeinsam ein professionelles Tierschutzwesen zu schaffen. Doch die Realität sei eine andere: "Sima hält an ihrem Prestige-Projekt fest und verweigert jegliche Zusammenarbeit mit dem WTV. Das ist nicht im Sinne eines professionellen Tierschutz-Wesens", so Olischar.

Kritik übt Olischar auch an der aktuellen Situation der Tierschutz-Helpline: "Leider herrscht hier Chaos und Verwirrung. Uns erreichen immer wieder Beschwerden, dass in der Nacht entweder niemand erreichbar ist oder hilfesuchende Menschen abgewiesen werden. Im Gegensatz dazu betreibt der WTV auf eigene Kosten einen eigenen telefonischen Notdienst in der Nacht", betont die Politikerin.

Mit einem Antrag im Rahmen des Rechnungsabschlusses im Wiener Gemeinderat, fordert die ÖVP Wien daher, das Tierrettungswesen, insbesondere die Tierschutz-Helpline, zu vereinheitlichen und die Gebiete durch eine Koordinationsstelle professionell aufzuteilen.

Stadt kontert: "Waren immer fairer Partner"

Mit klaren Worten reagiert das Büro der zuständigen Stadträtin Sima auf die Anklage des WTV. "Die Stadt hat dem WTV einst das Grundstück mit der klaren Info überlassen, dass es sich dort um eine Altlast handelt. Dazu kamen massive Baufehler seitens des WTV, die auch das Kontrollamt 2011 kritisiert hat". Was das aktuelle Grundstück betreffe, sei man nicht zuständig.

Die Stadt sei stets ein gesprächsbereiter und fairer Partner des WTV gewesen und unterstütze den Verein. So habe es etwa 2010 eine einmalige Hilfe von 300.000 Euro gegeben, um eine drohende Sperre von Betriebsteilen abzuwenden.

"Tierschutzverein aus eigener Schuld desolat"

"Der WTV ist aus eigener Schuld desolat. Dennoch hat die Stadt dem WTV ein anderes, attraktives Ersatzgrundstück kostenlos für einen Neubauangeboten". Dieses rund 30.000 Quadratmeter große Areal sei ebenfalls in Vösendorf, habe eine öffentliche Anbindung und keine Altlast. WTV-Präsident Petrovic bestätigt gegenüber "Heute" das Angebot. Weil es aber mit "Knebelverträgen" und exakten Vorgaben verbunden gewesen sei, wie der WTV zu führen sei, habe man das abgelehnt.

Die Stadt sieht daher wiederum den WTV als "unzuverlässig" an: "Der WTV hat den Leistungsvertrag mit der Stadt über die Betreuung von Haustieren 2013 völlig überraschend gekündigt, dasselbe sei 2017 mit dem Leistungsvertrag für die Betreuung verletzter Wildtiere geschehen. Dennoch stehe das Angebot der Stadt über das neue Grundstück, "es liegt einzig und allein am WTV zu entscheiden, ob er dort neu baut oder nicht". (lok)