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"Tante Anni" erstochen: "Wollte sie nur pieksen"

Heute Redaktion
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Jener 37-Jährige, der im vergangenen Dezember in Meidling seine Nachbarin erstochen hatte, weil sie ihm kein Geld borgen wollte, ist am Mittwoch wegen Raubmordes zu 18 Jahren Haft verurteilt worden. Die Anklage hatte eine lebenslange Haftstrafe gefordert. Der vierfach vorbestrafte Mann nahm die Strafe an, das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig.

Jener 37-Jährige, der im vergangenen Dezember in Meidling , weil sie ihm kein Geld borgen wollte, ist am Mittwoch wegen Raubmordes zu 18 Jahren Haft verurteilt worden. Die Anklage hatte eine lebenslange Haftstrafe gefordert. Der vierfach vorbestrafte Mann nahm die Strafe an, das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig.

Bei der Strafbemessung waren das Geständnis des Mannes zum Raub sowie eine von einer Gerichtspsychiaterin festgestellte erhebliche Persönlichkeitsstörung mildernd. Erschwerend berücksichtigte das Gericht das Zusammentreffen zweier Verbrechen sowie vier Vorstrafen.

Die verhängte Strafe erscheine bei Abwägung dieser Umstände "der Täterpersönlichkeit angemessen", sagte Gerichtspräsident Friedrich Forsthuber in der Urteilsbegründung. Der 37-Jährige nahm die Strafe sofort an, Staatsanwältin Valerie Walcher gab vorerst keine Erklärung ab. Das Urteil ist damit nicht rechtskräftig.

"Das, was ich getan habe, ist wirklich schrecklich. Ich denke jeden Tag und jede Nacht darüber nach. Es lässt mich nicht schlafen. Ich wünschte, es wäre nie passiert. Es tut mir schrecklich leid", sagte der Angeklagte in seinem Schlusswort. Staatsanwältin Valerie Walcher sprach von einer "ruchlosen Tat" und forderte die Höchststrafe. Die Verteidigung bezeichnete den Tod als "eine fahrlässige Folge des Stichs". Ihr Mandant habe keinen Tötungsvorsatz gehabt.

"Meistens hat sie mir Geld gegeben"

Wie auch andere Mieter des Hauses in der Theergasse nannte der Beschuldigte die beliebte Annemarie H. "Tante Anni". Der Angeklagte, der nie einen Beruf erlernt hat und eigenen Angaben zufolge seit seinem 13. Lebensjahr drogenabhängig ist, hatte sich von der Pensionistin immer wieder finanziell aushelfen lassen. "Meistens hat sie mir Geld gegeben", erzählte der 37-Jährige dem Schwurgericht.

Auch am Abend des 4. Dezember habe er bei ihr angeklopft: "Ich hatte Entzugserscheinungen. Sie machte die Tür auf und bat mich rein. Weil ich solche Schweißausbrüche hatte, hat sie mir ein Glas Wasser gegeben." Seine Bitte um 50 Euro habe sie allerdings abgeschlagen: "Ich hab gesagt 'Bitte, Tante Anni, nur zehn, 20 Euro'." Die Frau sei bei ihrem Nein geblieben: "Da hab' ich das Messer in der Küche gesehen. Ich weiß nicht, wie ich auf die Idee gekommen bin. Ich wollte sie ein bisschen verletzen und schauen, ob sie wirklich kein Geld hat."

Opfer sah ihn "schockiert" an

Der 37-Jährige stach der Frau das Messer mit einer weiten Ausholbewegung von oben in den Körper. Die Klinge eröffnete einen 15 Zentimeter langen Stichkanal und beschädigte Herz und Lunge. Er habe sie "ein bissl pieksen, nicht umbringen" wollen, insistierte der Angeklagte: "Ich wollte ihr ein bissl eine Fleischwunde machen, damit sie sich mit der Wunde beschäftigt und ich zu ihrer Handtasche gehen kann." Annemarie H. habe ihn nach dem Messerstich "schockiert" angeschaut: "Als ich gegangen bin, ist sie noch gestanden. Ich dachte, sie wird weiterleben."

Mit dem Messer, der Brieftasche und dem Handy der Sterbenden verließ der Mann die Wohnung. In der Börse hätten sich "nur ein paar Münzen" befunden, gab der Angeklagte zu Protokoll: "Es war zu wenig für Drogen." Mit dem Handy marschierte er zur als Drogen-Umschlagplatz bekannten U-Bahn-Station Gumpendorfer Straße, wo er es für elf Euro verkaufte, nachdem er dem Gerät die SIM-Karte entnommen und diese zerstört hatte. Davon habe er sich "einen Schuss gekauft", sagte der 37-Jährige.

Angeklagter: Am nächsten Tag bei "Tante Anni" geklopft

Am nächsten Tag habe er bei "Tante Anni" geklopft, "um mich zu entschuldigen". Sie habe nicht aufgemacht. Er habe "die Tat verdrängt. Ich wollte nicht wahrhaben, dass ich zu so etwas fähig bin." Am Abend des 5. Dezember entdeckte die 40-jährige Tochter die Leiche ihrer Mutter. Als sie die 59-Jährige zwei Tage hintereinander telefonisch nicht erreichen konnte, schrillten die Alarmglocken. Sie überredete ihren Lebensgefährten, mit ihr zur Wohnung der 59-Jährigen zu fahren.

Im Zeugenstand machte die Tochter einen gebrochenen Eindruck, was auch ihr Lebensgefährte bestätigt: "Sie ist zwei Mal die Woche in Behandlung. Verkraftet hat sie es bis heute nicht. Die Mutter war ihr ein und alles." Ihre Mutter habe eine Invaliditätspension von 460 Euro monatlich bezogen und teilweise Schmuck versetzt, "um über die Runden zu kommen". Sie könne sich aufgrund dessen nicht vorstellen, dass diese einem Nachbarn regelmäßig mit Geld aushalf. Sie habe auch nie davon erzählt.

Stichwunde erst von Notärztin bemerkt

Auch der Lebensgefährte der Tochter wurde als Zeuge befragt. Er berichtete, dass man nach Auffinden der Leiche zunächst von keinem Verbrechen ausgegangen war. Die Notärztin habe die Stichwunde zunächst nicht bemerkt. Erst die Obduktion brachte Klarheit. Weil der Nachbar in der Wohnung Fingerabdrücke und an dem Glas DNA-Spuren hinterlassen hatte, konnte er nach kurzer Zeit als Mordverdächtiger festgenommen werden.