"Tatort" – Donauinsel statt Ibiza

Der neue Wiener "Tatort" kratzt an der Wirklichkeit: Ein Nationalratsabgeordneter und eine reiche Geschäftsfrau aus dem Osten machen Bibi und Moritz das Leben schwer.
Der österreichische Innenminister weiß vom brutalen Gewaltverbrechen noch vor der Exekutive, schottet die zuständigen Ermittler mit allen Mitteln vom Fall ab und schickt eine gänzlich fehl am Platz zu sein scheinende Kollegin (Gerti Drassl) an die Front. Ach ja, und der zutiefst zuwidere Nationalratsabgeordnete Ladurner (Cornelius Obonya) und eine stinkreiche Geschäftsfrau aus dem Osten (Dorka Gryllus, Eisner nennt sie "ukrainische Kretzn") mischen auch mit.
Wäre der neue Wiener Tatort (2.6., 20.15 Uhr, ORF 2) vor zwei Wochen gelaufen, hätte man Uli Brée einen Hang zur Maßlosigkeit attestieren können – heute wissen wir: Nichts ist unmöglich, alles geht. Und so wird unter dem Motto "Glück allein" nicht nur wüst beschimpft, ausgebootet und um Kompetenzen gerangelt, sondern zum allerersten Mal auch die Seele des sonst so gefestigten Eisners (Harald Krassnitzer) ins Stolpern gebracht.
Gelingen tut's der Episodenhauptfigur Ladurner, Gatte der erstochenen Frau und ein ebenso anerkannter wie unberechenbarer Korruptionsjäger. Sein Tiroler Slang ist noch härter als der Grundton des Psychodramas, und trotzdem finden sich am Ende alle Figuren in einer extrem feinfühligen Familiengeschichte wieder. Ein (vermeintlicher) Showdown auf der Donauinsel und die aus jeder Pore Hilflosigkeit verströmende Drassl (als Julia Soraperra) sind in diesem tieftragischen Sittenbild nur ein paar Puzzleteile.
In Szene gesetzt wird das blutige Schauspiel von Michael-Haneke-Schülerin Catalina Molina (34) – für die in der Steiermark aufgewachsene und in der Branche längst angekommene Argentinierin der erste "Tatort". Ihr neuer Landkrimi, "Das dunkle Paradies", kommt am 5.7. ins Kino. (mado)
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