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"Tod dem Diktator"-Blätter in Istanbul verteilt

Aus einem Hotelzimmer in Istanbul flogen Flugblätter gegen den Präsidenten der Türkei. Die türkische Polizei ermittelt.

Heute Redaktion
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Am Gezi-Park in Istanbul wurden am Freitagmorgen Flugblätter verteilt, die zum Kampf gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und die von ihm geschaffene "totalitäre Diktatur" aufriefen.

Unter die Leute gebracht wurden die Flyer nicht etwa von Menschen, sondern mittels einer technischen Installation. Am offenen Fenster eines Hotelzimmers am Gezi-Park war ein Drucker so angebracht, dass die Blätter ins Freie fielen, sobald sie gedruckt worden waren.

Nach einer Weile wurde die Aktion gestoppt: Zu sehen ist auf einem Video aus dem Innern des Hotelzimmers, wie zwei Personen – vermutlich Angestellte des Hotels – hereinkommen und den Drucker ausschalten.

Schweizer steckt hinter der Aktion

Hinter der Aktion steht das Zentrum für politische Schönheit (ZPS) in Berlin, das der in Deutschland lebende Schweizer Philosoph und Aktionskünstler Philipp Ruch (36) gegründet hat. Verfasst worden sei der Text des Fluglatts, der zu Erdogans Sturz aufruft, von Türken in Deutschland, teilt das ZPS mit.

Es handle sich um einen "Akt des Widerstands" im Rahmen des Wettbewerbs "Scholl 2017", teilte das Zentrum mit. Für den Wettbewerb, benannt nach den Geschwistern Scholl, die Flugblätter gegen Hitler verteilt hatten und daraufhin enthauptet worden waren, sucht das ZPS Menschen, die bereit sind, "in eine Diktatur ihrer Wahl einzureisen und Flugblätter gegen das Regime zu verbreiten".

Aktivist hatte Türkei laut ZPS bereits verlassen

In Istanbul war offenbar ein 26-jähriger Deutscher vor Ort, um den Drucker zu installieren. Er wird nun von der Polizei gesucht. In türkischen Medien wurde der Name des Mannes genannt und sein Personalausweis gezeigt.

Gegenüber dem Portal Netzpolitik.org sagte ein ZPS-Sprecher, es habe sich um die gefährlichste Aktion der Künstlervereinigung gehandelt. Als Vorsichtsmaßnahme habe man deshalb den Drucker erst aktiviert, als die Person, die ihn installiert habe, wieder außer Landes gewesen sei.

Vor Erdogan hatte Ruch Köppel im Visier

Auch in der Schweiz hat Performancekünstler Ruch schon provokative Aktionen durchgeführt: Im September 2015 rief er dazu auf, den SVP-Nationalrat und "Weltwoche"-Verleger Roger Köppel zu töten. Im März 2016 doppelte Ruch nach und führte im Zürcher Neumarkt-Theater ein Stück auf, bei dem es darum ging, Köppel "mit einem Fluch zu belegen". (red)