Österreich

"Warum wären Sie der bessere Bürgermeister?"

Heute Redaktion
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Am 27. Jänner wählen 981 Delegierte der neuen Wiener SPÖ-Chef, der Michael Häupl – wahrscheinlich am 24. Mai – auch als Bürgermeister nachfolgen wird. „Heute" hat die beiden Kandidaten getrennt voneinander zu denselben Themen befragt.

Heute: Was macht Sie zum besseren Kandidaten für den SPÖ-Chef in Wien und auch für den Bürgermeister in Wien?

Michael Ludwig: In den letzten zehn Jahren hatte ich eine verantwortungsvolle Tätigkeit in der Stadtregierung inne und ich habe Ideen für die Zukunft der Stadt.

Andreas Schieder: Wenn ich so zurück schaue auf das letzte Jahrzehnt war ich Außenpolitiker, Beamtenstaatssekretär, Finanzstaatssekretär. Ich war in den letzten Jahren Klubobmann (im Nationalrat, Anm.), habe bei der Steuerreform bis hin zum Regierungsprogramm neu mitgewirkt und hatte mit den Landeshauptleuten und Landesfinanzreferenten, aber auch mit dem Weltwährungsfonds zu tun. Zudem habe ich Österreich beim Europäischen Rat in Brüssel vertreten. Ich kenne all diese Ebenen und habe daher einen Erfahrungshorizont, aus dem ich aus all diesen Bereichen etwas mitnehmen und in Wien einbringen kann. Und das ist mein Vorteil. Das macht einen Politiker aus, dass er in seiner politischen Karriere nicht nur eine Funktion inne hatte, sondern viele. Ich stehe für ein Konzept und nicht für personelle Versprechungen.

Heute: Was schätzen Sie an ihrem Gegenkandidaten?

Ludwig: Herr Schieder kann viel Erfahrung in außenpolitischen Angelegenheiten vorweisen.

Schieder: Michael Ludwig hat die Wohnbaupolitik des letzten Jahrzehnts in Wien geprägt. Unter ihm sind viele, sehr gute und wichtige Projekte gebaut worden. Ich schätze an ihm seine Belesenheit und sein starkes Engagement für die Volksbildung.

Heute: Was wäre Ihre erste Amtshandlung als Bürgermeister der Stadt Wien?

Ludwig: Zuerst geht es darum, Gespräche mit allen Mitarbeiterinnnen und Mitarbeitern zu führen und Teambuilding-Maßnahmen durchzuführen. Ich will Probleme ansprechen, die die Bevölkerung interessiert, vor allem die soziale Sicherheit in der Stadt.

Schieder: Ich möchte, dass es in den öffentlichen Verkehrsmitteln in Wien eine WLAN-Versorgung gibt, am besten lückenlos. Das soll möglichst rasch in U-Bahn-, Bim- und Bus-Stationen und auch in den U-Bahn-Zügen umgesetzt werden. Ich bin zwar kein technischer Experte, aber es gibt im Flugzeug WLAN, also warum sollte es das in den U-Bahnen nicht auch geben. Es wäre auf jeden Fall zeitgemäß, dass diese Kommunikationswege auch in den öffentlichen Verkehrsmitteln möglich sind.

Heute: Sollten Sie am 27. Jänner als Sieger hervorgehen, wie wird das Team umgebaut?

Ludwig: Wir werden hier Schritt für Schritt vorgehen. Zuerst ist der Parteivorsitz zu regeln, anschließend dann das Bürgermeisteramt und danach die Zusammensetzung des Stadtsenates und damit verbundener Positionen. Für mich ist hierbei eine sinnvolle Mischung von Erfahrung und neuer Ideen wichtig. In der Politik ist man nie in einer pragmatisierten Position.

Schieder: Es wird auf jeden Fall ein neues Team geben, auch um auf die Herausforderungen reagieren zu können. Wann das sein wird, diskutieren wir, wenn der Parteitag vorbei ist.

Heute: Wo werden Ihre Schwerpunkte als Stadtchef liegen?

Ludwig: Im wesentlichen in den Polen, die Modernität und Internationalität des Wirtschaftsstandortes Wien weiter auszubauen, gleichzeitig aber auch eine Schutzfunktion der hier lebenden Bevölkerung bewirken. Wie ich das mit dem "Wien-Bonus" in meinem Ressort umgesetzt habe – also die Bevorzugung von länger in der Stadt lebenden Menschen bei der Vergabe von geförderten Wohnungen.



Schieder: Wir wollen das Gute in der Stadt erhalten. Vor allem die gute Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen und deren Verteilung wird unser Schwerpunkt sein. Es gibt von Schwarz-Blau die Wünsche, einiges zu privatisieren. Das müssen wir verhindern und dieser Herausforderung werden wir uns stellen. Alle Wienerinnen und Wiener sollen sozial abgesichert sein. Außerdem möchte ich eine Initiative zum Schutz von traditionellen Kaffeehäusern und Beisln in der Stadt starten. Viele traditionelle Wirtshäuser und Kaffeehäuser kommen unter Druck, wenn sie neue Hauseigentümer bekommen. Wir dürfen nicht zusehen, dass durch Mietzinshaie und neuen Bestimmungen ein Kaffeehaussterben droht. Weil die machen die Gemütlichkeit in Wien aus.

Heute: Wie wollen Sie die Partei nach dem Wahlkampf einen?

Ludwig: Reden, reden, reden. Mein Motto im Ressort war bisher: Beim Reden kommen die Leut' zam.

Schieder: Ich spreche jetzt schon mit allen darüber, wie wir gemeinsam Wien verbessern können. Es gibt dazu von allen Gruppen gute Vorschläge und Ansätze. Der erste Schritt wird sein, daraus eine Strategie zu entwickeln. Ich hab im Wahlkampf auch mit Ernst Nevrivy (Bezirksvorsteher der Donaustadt, Anm.) und Georg Papai (Bezirksvorsteher von Floridsdorf, Anm.) lange Gespräche geführt. Ich weiß, dass die mich nicht wählen werden, aber trotzdem will ich verstehen, wo ihre Anliegen sind. Die haben genauso eine Berechtigung wie alle anderen Wiener Bezirke. Das ist für mich der erste Schritt zur Versöhnung. Nach der Wahl müssen wir zusammen arbeiten und deswegen habe ich jetzt schon versucht, bewusst auf alle zuzugehen. Mein Motto lautet: Allen zuhören.

Heute:Rot-Grün würde ja noch zwei Jahre weiter gehen, werden Sie die Koalition weiterführen?

Ludwig: Es gibt eine Koalitionsvereinbarung bis zur nächsten Gemeinderatswahl 2020 und ich bin als vertragstreuer Mensch bekannt. Daher ist das natürlich einzuhalten. In den letzten Monaten hat es so viele Wahlgänge gegeben, dass die Bevölkerung glaube ich froh ist, wenn es einmal länger keine Wahl gibt. Politikerinnen und Politiker haben primär die Aufgabe, für die Bevölkerung zu arbeiten und sich nicht ständig in Wahlauseinandersetzungen zu bewegen.

Schieder: Die Koalition gehört bis zum regulären Wahltag fortgesetzt und es gibt auch noch einige Punkte abzuarbeiten. Ich bin nicht für ein Auflösen der Zusammenarbeit. Es gibt einen Koalitionsvertrag und den werden wir erfüllen, auch wenn es bei den Grünen einen Personalwechsel geben sollte. Den Koalitionsvertrag haben wir mit der Grünen Partei geschlossen und nicht mit einzelnen Personen.

Heute: Wie viel Prozent der Zustimmung bei der Wahl wären für Sie ein Erfolg?

Ludwig: Die Mehrheit entscheidet. Und die Mehrheit beginnt bei 51 Prozent.

Schieder: Da es eine Stichwahl ist, wird die Entscheidung relativ knapp ausfallen. Ich bin mir aber absolut sicher, dass sich beide Seiten nach der Wahl mit vollem Elan in die gemeinsame Arbeit stürzen werden. Es gibt jetzt eine Entscheidung und dann muss Schluss sein mit den Streitereien. Viele Wienerinnen und Wiener sind schon 'anzipft'.

Heute: Was passiert, wenn Sie nicht als Sieger aus der Wahl hervorgehen sollten?

Ludwig: Davon gehe ich nicht aus. Ich habe daher auch keinen Plan B.

Schieder: Dann bleibe ich weiter, was ich jetzt bin. Das Entscheidende ist, dass der Sieger auf die anderen, die aber deswegen nicht die Verlierer sind, zugeht. Es soll klar sein, wer Parteichef ist. Die Wienerinnen und Wiener müssen sich nach der Wahl sicher sein können, eine gute Stadtregierung zu haben.

Heute: Wie wollen Sie als Bürgermeister die Angriffe der schwarz-blauen Regierung auf die Stadt abwehren?

Ludwig: Wenn man verantwortungsvoll an der Spitze unserer Stadt steht, hat man die Interessen der Wiener Bevölkerung gegenüber der Bundesregierung zu vertreten. Und das unabhängig von der parteipolitischen Zusammensetzung. Die ersten Vorschläge der derzeitigen Bundesregierung stehen in einigen Punkten diametral dem gegenüber, was wir uns für Wien vorstellen. Das gilt beispielsweise für den Arbeitsmarkt, aber auch für die Frage der Mietpreisentwicklung. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass die soziale Durchmischung in Wien erhalten bleibt und dass wir alle Maßnahmen setzen, dass es leistbare Mieten gibt. Meine Forderung an den Bundesgesetzgeber für ein neues transparentes Mietrecht auf Bundesebene zeigt, dass die Auswirkung dieser Entwicklungen in den Großstädten am stärksten spürbar ist. Wien ist in Österreich die einzige Millionenstadt, dadurch sehe ich die Entwicklung der Stadt auch immer im Verbund mit der gesamten Ost-Region. Hier gibt es starke Ambitionen, mit Niederösterreich und mit dem Burgenland gemeinsam an der Entwicklung der Ost-Region zu arbeiten. Da ist viel Positives passiert, aber es gibt durchaus noch Luft nach oben. Was die Entwicklung der Regionalpolitik bzw. der Siedlungspolitik betrifft. Darum bin ich vehementer Verfechter des Ausbaus der Verkehrsinfrastruktur, weil das natürlich Wien tangiert, aber auch die Bundesländer Niederösterreich und Burgenland. Die Chance, innerhalb der europäischen Union der dynamische Wirtschaftsraum zu werden, besteht. Es gibt durchaus gemeinsame Interessen der Bundesländer zum Beispiel bei der Frage, ob statt der Notstandshilfe Mindestsicherung bezogen werden soll. Das würde eine Verlagerung der Finanzierung vom Bund Richtung Bundesländer mit sich bringen und damit eine Belastung von Wien, weil es hier überproportional viele Bezieher von Mindestsicherung gibt. Auch weil viele Menschen aus den Bundesländern nach Wien kommen.

Schieder: Wien kann sich dann am besten verteidigen, wenn wir zeigen, dass Wien eine Stadt des Optimismus und des sozialen Zusammenhalts ist. Genau das möchte ich auch weiterführen. Ein Gegenmodell ist Wien dann, wenn die Entwicklungen positiv sind und es auch funktioniert. Sprich: Wenn Wien Zusammenhalt und Zukunftschancen bietet. Klar ist, dass wir uns nichts gefallen lassen werden. Die Wienerinnen und Wiener wünschen sich, dass Wien im Wesentlichen so bleibt und nicht schlechter wird. Wenn Schwarz-Blau im Bund versucht, die Lebensqualität in Wien zu verschlechtern, dann haben sie die Wienerinnen und Wiener zum Feind.

Heute: Mit einem Blick auf die Bundesländer könnte Wien unter Umständen bald eine der letzten roten Bastionen sein. Viel Druck für den neuen Bürgermeister…

Ludwig: Man muss sich bewusst sein, dass man damit eine große Verantwortung übernimmt. Ich habe in der Vergangenheit versucht zu zeigen, dass ich bereit bin, Verantwortung zu übernehmen.

Schieder: Es geht nicht darum, dass Wien eine rote Bastion ist. In Wien soll es für jeden eine Zukunftschance geben, unabhängig von der Größe der Brieftasche. Das ist sozialdemokratisches Engagement und dafür treten wir ein. Es geht hier nicht um die politische Farbe, sondern um die Menschen in dieser Stadt, die das Recht auf eine gute Zukunft zu haben. Es geht um viel, aber in Kärnten ist die Chance gut, den Landeshauptmannsessel zu behalten. In Niederösterreich wird es sich in den nächsten Wochen zeigen. Herr Schnabl (Franz Schnabl ist Spitzenkandidat der SPÖ Niederösterreich, Anm.) hat die Chance, die absolute Mehrheit von Schwarz zu brechen und dadurch eine stärkere Stimme zu bekommen. In Wien sind die Chancen überhaupt sehr gut, auch weil wir wieder massiv zulegen konnten.

(ck)

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