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"Was, wenn uns beim Sex die Ideen ausgehen?"

Ronja und ihr Freund genießen seit einem Jahr ausgiebig ihr Liebesleben. Doch schon ziehen am Horizont dunkle Wolken auf.

Heute Redaktion
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Bild: iStock

Frage von Ronja (29) an Doktor Sex: Mein Freund und ich sind seit einem Jahr zusammen. Unsere Beziehung ist sehr harmonisch. Wir nehmen Rücksicht aufeinander, gehen Kompromisse ein und lieben uns sehr. Es passt einfach alles perfekt. Genauso ist es auch in unserem Sexleben. Wir sind beide sehr experimentierfreudig, jedoch konnten wir das in unseren bisherigen Beziehungen nie ausleben. Aber nun toben wir uns so richtig aus.

Mittlerweile haben wir bereits sehr viel ausprobiert. An den meisten Experimenten hatten wir auch großen Spaß. Aber auch "normaler" Sex bereitet uns Freude. Da unsere Beziehung aber immer noch relativ jung ist, frage ich mich, ob es uns mit der Zeit sexuell langweilig werden könnte. Wir haben sehr häufig Sex und irgendwann werden wahrscheinlich sogar uns die Ideen ausgehen. Was dann?

Antwort von Doktor Sex

Liebe Ronja

Ja – mit Sicherheit werden auch euch bezüglich Sex irgendwann die Ideen ausgehen. Oder besser: Vielleicht nicht primär die Ideen, denn der Kopf kann sich immer etwas Neues und Anderes ausdenken. Was sich aber definitiv verändern wird, ist der Stellenwert, den der Sex in eurer Beziehung hat, da deren Qualität aufgrund der zunehmenden Vertrautheit zwischen euch, aber auch weil ihr reifer werdet, eine andere werden wird.

Euch Gedanken darüber zu machen, was diese Veränderungen für Auswirkungen haben könnten – nicht nur aber auch auf den Sex –, macht also durchaus Sinn. Zentral scheint mir dabei, dass ihr euch klar werdet, welche Bedeutung ihr dem Sex beimesst – also welche Funktion er für euch individuell, aber auch für eure Beziehung hat. So könnt ihr frühzeitig potentiell problematische Entwicklungstendenzen erkennen und bearbeiten.

Sex ist für Menschen aus unterschiedlichen Gründen sinnvoll. Man kann damit beispielsweise Lust abbauen, eine Beziehung festigen, seinen Selbstwert steigern, eine Sucht befriedigen, sich ablenken oder unterhalten, Frust kompensieren, Zuneigung ausdrücken, Nachwuchs zeugen, Langeweile überdecken, Verlustängste beruhigen oder versuchen, sich in eine Form des "Nicht-Seins" aufzulösen, also sich in andere, heilere Welten zu verabschieden.

Letzteres scheint für viele Menschen – wenn auch oft unbewusst – zentral zu sein. In der sexuellen Begegnung an sich, im Experimentieren und insbesondere im Orgasmus, also in der Verschmelzung mit dem Partner, entsteht für einen Augenblick eine völlige Abwesenheit des Ichs. Wer diese einmal erlebt hat, will mehr von diesem paradiesisch-glückseligen Zustand fernab vom stressigen Alltag und belastenden Zukunftsängsten.

Sex wird so zur Droge und zu einem Fluchthelfer. Solange man sich dessen nicht bewusst wird, ist man dem Mechanismus hilflos ausgeliefert und verhält sich wie eine süchtige Person: Taugt der Sex mit dem Partner oder der Partnerin – also die Droge – nicht mehr, um diesen Zustand zu erreichen, wird er oder sie ausgewechselt und alles beginnt wieder von vorne – bis sich auch die neue Beziehung totgelaufen hat.

Um aus dieser Endlosspirale auszubrechen, ist unbedingte Ehrlichkeit und Bewusstwerdung erforderlich. Es geht darum, zu erkennen, wo im eigenen Leben die Herausforderungen liegen, und statt sie zu verdrängen oder mit neurotischen Scheinlösungen zu kompensieren, diese an der Wurzel zu packen und wirklich zu bewältigen. Alles Gute!

Deine Frage an Doktor Sex: [email protected]

(wer)