Österreich

"Ich durfte niemandem die Tür aufmachen"

Heute Redaktion
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"Ich durfte nicht allein aus der Wohnung", gab die Frau bei der Polizei zu Protokoll.
"Ich durfte nicht allein aus der Wohnung", gab die Frau bei der Polizei zu Protokoll.
Bild: Unsplash

Gewalt an Frauen: Ein aktuelles Polizei-Protokoll zeigt, welches Martyrium Opfer durchleben. Eine Frau schildert, was ihr vom Mann angetan wurde, ein Polizist nimmt ihre Aussage auf, verfügt eine Wegweisung. Die Ohnmacht bleibt.

Diese Woche nahm eine Neo-Österreicherin (geb. Türkin) all ihren Mut zusammen und flüchtete mit ihren beiden Kinder (beide unter 10 Jahre) in ein Frauenhaus. Hier das erschütternde Protokoll: "Es war eine arrangierte Hochzeit. Damit ich nach Österreich reisen konnte, mussten viele Behördenwege erledigt werden. Wir mussten eine Nacht in einem Hotel in der Türkei übernachten. Dort beschwerte ich er sich, dass ich eine zu hohe Stimme hätte und schlug mir mit der Faust in das Gesicht. Ich musste dann am nächsten Tag mit einem blauen Auge mein Visum beantragen. Das war das erste Mal, dass er mich geschlagen hatte.

Durfte nicht raus



Als ich in Österreich in seiner Wohnung ankam stellte er folgende Regeln auf: Ich durfte niemanden aufmachen, ich durfte alleine nicht aus der Wohnung gehen – auch wenn etwas Dringendes war, alles entscheidet er. Ich durfte nicht arbeiten gehen – auch durfte ich keinen Deutschkurs machen.

Nach ein paar Tagen ging er in die Arbeit und ich wollte mir bei der Trafik vom Automaten Zigaretten kaufen. Irgendwer muss mich gesehen haben und hat das meinem Mann erzählt. Ich stritt das ab und erfand eine Ausrede. Doch mein Mann wurde aggressiv und schlug mich mit einem Nudelholz (ca. 1 Meter lang aus massiven Holz). Er verwendet immer irgendwelche Gegenstände um mich zu schlagen, wie Aschenbecher, Besenstange usw., denn wenn er mit seiner Hand schlagen würde, könnte er sich verletzen.

Schläge in der Schwangerschaft

Ich hatte nach dem Vorfall überall blaue Flecken. Ich ging aber nicht zum Arzt. Ab diesem Zeitpunkt schlug mich mein Mann jede Woche mindestens einmal – vor allem am Wochenende. Er verwendete immer einen Gegenstand mit dem er mich schlug. Auch in den Schwangerschaften. (…)

Als Auslöser reichte oft schon, dass ich lachte. Er sagte dann, lache nicht und schlug mich. Auch passte es ihm nicht, wenn ich neben ihm putzte. Es störte ihn eigentlich dauernd etwas an mir. Er fand immer einen Grund, um mich schlagen zu können. Er machte danach immer einen sehr zufriedenen Eindruck. Mein Mann war aber zum Zeitpunkt der Gewalt nie alkoholisiert.

2018 fand ich einen Weg den körperlichen Angriffen etwas zu entgehen, indem ich mich versteckte oder in ein Zimmer einsperrte. So beruhigte er sich etwas und schlug mich nicht mehr so oft. Aber er machte mich mit seinen Worten fertig. Er beschimpfte mich und drohte mir immer, dass er alle mit mir machen könne.

Er drohte mit Abschiebung

Er nahm Anfang Oktober mir mein Visum weg und verhinderte, dass ich ein neues beantragen kann. Er drohte mir, dass er mir die Kinder wegnehmen wird oder er wird die Kinder umbringen, damit ich diese Schmerzen ein Leben lang nicht vergessen werde.

Er drohte mir immer, dass ich in die Türkei abgeschoben werde und dass die Kinder dann bei ihm bleiben würden. Dazu möchte ich sagen, dass mein Mann und meine Kinder voriges Jahr die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen haben.

Für mich ist es schwer zu verstehen, dass ich auch Rechte habe. Mein Mann hat mir immer eingeredet, dass ich nichts bestimmen dürfe und dass er allein die Macht hat, über mich und die Kinder zu bestimmen. Erst am Sonntag wollte er mir weismachen, dass er den Kindern die österreichische Staatsbürgerschaft wieder wegnehmen könnte.

Mein Mann redete mir ein, dass ich nichts wert sei. Er sagte, dass ich ohne ihn kein Visum gekommen würde und auch die Kinder nicht behalten dürfte.

Ich litt sehr unter diesen ständigen Beschimpfungen und Erniedrigungen. Ich wollte so nicht mehr weiterleben.

Eine Freundin erzählte mir schon vor Wochen vom Frauenhaus. Sie sagte mir auch, dass ich dort mit meinen Kindern hinkommen dürfte. Ich wusste, dass mein Mann am (…) 2019 nicht zu Hause sein würde. Also plante ich meine Flucht. Am Sonntag, (…) 2019, ging ich mit meinen Kindern ins Frauenhaus (…). Dort war aber leider kein Platz. Man sagte mir, dass ich in (…) unterkommen könnte. Also fuhr ich mit meinem Auto mit den Kindern nach (…). Seitdem lebe ich hier im Frauenhaus (…).

Am Abend des (…) rief mich dann meine (hier wird eine Verwandte erwähnt) an und sagte mir, dass mein Mann Folgendes zu ihr gesagt hätte: „Warum hast du ihr geholfen? Richte ihr aus, ich werde die (…) Kinder umbringen, damit sie ihr Leben lang Schmerzen hat und nie wieder vergisst, dass das ein großer Fehler war."

"Im Stolz gekränkt"

Nach diesem Gespräch schickte mir mein Mann dann (…): „Pass auf! Wenn ich dich sehe, werde ich dich umbringen!" Dieses (…) habe ich gespeichert (…). Ich habe wirklich sehr große Angst vor meinem Mann. Ich traue mich nicht, aus dem Frauenhaus hinaus zu gehen, weil ich denke, dass mein Mann mir auflauern könnte und mir etwas antun wird. Auch fürchte ich um meine Kinder. Meine Tochter (…) dürfte eigentlich schon in (…) zur Schule gehen, doch ich habe sie bis heute noch nicht geschickt, weil ich so Angst um sie habe.

Ich traue meinem Mann auf jeden Fall zu, dass er mir - aber auch den Kindern – etwas antun wird. Er ist in seinem Stolz gekränkt und das wird er nicht verkraften. Meine (…) weiß, dass ich in (…) bin, also glaube ich, dass auch mein Mann bald erfahren wird, wo ich mit den Kindern hingegangen bin."

Anmerkung: Alle Angaben, die auf das Opfer zurückführen, wurden unkenntlich gemacht. Diese Passagen sind kursiv

gesetzt oder so (…) markiert.

Wie berichtet hatte es heuer bereits fünf Frauenmorde gegeben - am 8. Jänner tötete ein Islam-Fanatiker (37) seine Frau mit 38 Stichen in Amstetten, am 9. Jänner tötete ein österreichischer Mann (42) seine Ex (50) in Krumbach, am 13. Jänner soll Yazan A. die 16-jährige Manuela in Wr. Neustadt erdrosselt haben, am 15. Jänner tötete ein gebürtiger Äthiopier mit spanischem Pass seine Schwester in Wien, am 21. Jänner erdolchte ein Mazedonier (36) seine Frau (32) in Tulln. Was der Großteil der Opfer gemeinsam hatte: Sie waren der Gewalt ihrer Partner hilflos ausgeliefert.

Joachim Lielacher (Lie)