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"Wie lange hält OÖ das durch, Herr Landesrat"?

Heute Redaktion
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Markus Achleitner (ÖVP) ist Wirtschafts- und Sportlandesrat.
Markus Achleitner (ÖVP) ist Wirtschafts- und Sportlandesrat.
Bild: Land OÖ

Die Corona-Krise ist neben der menschlichen Tragödie auch eine extreme Herausforderung für die Wirtschaft. Wir haben den zuständigen Landesrat Markus Achleitner (ÖVP) gefragt: Wie lange hält OÖ das aus?

"Heute": Wie lange hält die Wirtschaft in Österreich und insbesondere in Oberösterreich das alles noch durch?



Markus Achleitner:
Alle Maßnahmen haben einen ganz konkreten Grund, das müssen wir uns immer vor Augen halten: Wir wollen, dass jede und jeder Erkrankte eine bestmögliche medizinische Versorgung bekommt, denn die Gesundheit der Bevölkerung steht an oberster Stelle. Ohne die nun gesetzten Maßnahmen wäre das in absehbarer Zeit nicht mehr möglich, die Nachrichten aus Italien und Spanien haben uns das dramatisch vor Augen geführt. Die von der Bundesregierung angeordneten Maßnahmen schränken uns alle extrem ein und haben natürlich massive Auswirkungen auf die Wirtschaft. Hier müssen wir den Unternehmen und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern rasch und unbürokratisch helfen, denn es geht hier buchstäblich um deren Existenz. Daher hat die Bundesregierung bereits ein 38-Milliarden-Euro-Paket vorgelegt und auch das Land OÖ schnürt dazu gerade ein ergänzendes Oberösterreich-Hilfspaket.

"Heute": Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hat am Donnerstag gesagt, bis Mitte April müsse man „die Kurve gekratzt haben", sprich: ab dann sollten die Maßnahmen gelockert werden. Killt Corona die Wirtschaft, wenn es länger dauert?

Achleitner: Die gesundheitlich erforderlichen Maßnahmen würden umsonst gewesen sein, wenn sie zu früh gelockert werden. Das muss uns bewusst sein. Parallel dazu ist es aber erforderlich, den Wirtschaftskreislauf - wenn auch eingeschränkt - aufrechtzuerhalten. Unter Einhaltung der Hygienevorschriften arbeiten ja derzeit mehr als die Hälfte der oö. MitarbeiterInnen in der Industrie, im Gewerbe, im öffentlichen Verkehr, Teilen des Handels und im Gesundheitswesen und denen möchte ich ein herzliches Danke sagen. Am Montag gingen beispielsweise auch viele Baustellen wieder in Betriebe, natürlich mit den entsprechenden Vorgaben zum Schutz der Gesundheit der Beschäftigten.

"Heute": Ich gehe davon aus, dass sie in den vergangenen Tagen durchaus in Kontakt mit Unternehmensführungen in Oberösterreich waren. Was haben die ihnen gesagt? Hat man Angst gespürt? Und wovor?

Achleitner: Ich führe derzeit mit vielen Vertretern der Wirtschaft intensive Gespräche. Alle – ob Ein-Personen-Unternehmen, Mittelständler oder Leitbetrieb – trifft die aktuelle Situation bis ins Mark, vor allem auch die Ungewissheit, wie lange die aktuelle Situation noch dauern wird. Als Wirtschaftsbundesland Nr. 1 der Republik ist Oberösterreich naturgemäß besonders stark betroffen, der hohe Exportanteil macht es noch einmal schwieriger. Es geht hier um Existenzen und Arbeitsplätze, deshalb ist es erstens wichtig, die vielen Unterstützungsmaßnahmen so rasch wie möglich in Wirkung bei den Unternehmen zu bringen. Zweitens bin ich froh, dass so vielen Unternehmen bewusst ist, dass es auch wichtig ist, sich schon jetzt für die Zeit nach der Krise aufzustellen und daher ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken anstatt sie zu kündigen. Denn so haben die Betriebe dann ihre bewährte Belegschaft zur Verfügung, wenn es darum geht, wieder durchzustarten.

"Heute": Was müssen Unternehmen jetzt tun, um durch die Corona-Krise zu kommen?

Achleitner: Die Bundesregierung hat ein umfassendes Unterstützungspaket geschnürt. Es gibt Soforthilfen für besonders betroffene Unternehmen, die seit vergangener Woche beantragt werden können. Es gibt Haftungen und Überbrückungsfinanzierungen, damit Betriebe weiter zahlungsfähig bleiben. Und es gibt das Corona-Kurzarbeitsmodell, das für Arbeitgeber und Arbeitnehmer höchst attraktiv ist, um Kündigungen zu vermeiden. Es liegt aber auch an den Konsumenten, gerade jetzt beispielsweise ihrem Bäcker oder Fleischer die Treue zu halten und regionale Lieferservices zu nutzen.

"Heute": Was kommt danach? Zukunftsforscher Matthias Horx behauptet, nach Corona wird es nie mehr so sein wie vor Corona? Was wird sich bei den Unternehmen in Oberösterreich verändern (müssen), damit sie zukunftssicher aufgestellt sind?

Achleitner: Ich bin auch davon überzeugt, dass diese Krise vieles verändern wird. Vieles, was bisher als nicht möglich gegolten hat, wird jetzt plötzlich umgesetzt, denken wir nur daran, wie viele Menschen jetzt im Home-Office arbeiten. Angesichts geschlossener Grenzen und Lieferausfälle werden auch die globalisierten Logistikketten massiv hinterfragt. Hier wird es ein konkretes Umdenken geben, die Wertschöpfungsketten werden wieder stärker regionalisiert werden, Unternehmen werden wieder größere Lager für erforderliche Ressourcen anlegen und auch Produktionen wieder zurück nach Europa zu verlagern. Das ist dann durchaus eine Chance, gerade auch für den Standort Oberösterreich. Manche Stimmen sprechen bereits von einer möglichen Re-Industrialisierung Europas, das wäre natürlich eine sehr positive Konsequenz aus der jetzigen Krise.

"Heute": Krisen führen immer zu einem Umdenken. Was können oö. Unternehmen aus der Krise lernen?

Achleitner: Wie gesagt, jedes Unternehmen wird seine Abhängigkeiten hinterfragen. Und Flexibilität wird immer wichtiger, so ist in der jetzigen Krise etwa der regionale Onlinehandel und -lieferservice eine Geschäftsmöglichkeit, die jetzt hilft und sicher auch enormes Zukunftspotential hat. Auch die Frage, wo die Arbeit geleistet wird - Stichwort Home-Office und Videokonferenzen - wird gerade neu definiert, das gilt auch für den Standort Oberösterreich insgesamt, wir sehen jetzt beispielsweise, wie wichtig es war, dass wir den Breitbandausbau so massiv vorangetrieben haben. Hier werden überall Prozesse in Gang kommen, die auch nach der Krise nicht mehr umkehrbar sind.

"Heute": Und was können wir aus der Krise lernen? Z.B., dass systemrelevante Berufe (wie Pfleger, Krankenschwestern, Supermarkt-Angestellte) besser bezahlt gehören?

Achleitner: Ich denke, uns alle wird in dieser Phase gerade sehr bewusst, wer welche Leistungen erbringt, wer unsere Gesellschaft trägt. Dem wird sicher nach der Krise auch Rechnung getragen werden müssen. Wir werden vor allem strategisch neu zu definieren haben, welche Produktionen beispielsweise im medizinischen Bereich wir am Wirtschaftsstandort OÖ haben sollten, um unabhängiger zu werden. Vieles wird neu bewertet werden, nicht nur von der Politik, sondern auch von jedem Einzelnen von uns. Fragen wie „Was sind mir Dinge wert?" und „Was brauche ich wirklich?" werden eine ganz neue Bedeutung bekommen.

"Heute": Sie sind ja nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für den (Breiten-)Sport in Oberösterreich zuständig. Wenn ich mir die Webcams der Skigebiete anschaue: Alles leer. Die Gebiete haben geschlossen. Werden wir in allen oö. Skigebieten im nächsten Winter noch Ski fahren können?

Achleitner: Ja, der Tourismus leidet gerade ganz besonders unter dieser Krise und ihren Auswirkungen. Die Hoffnung besteht aber, dass es nach der Krise sehr rasch wieder aufwärts geht. Die Menschen sehnen sich nach Ausflügen und Erlebnissen und da wird das oö. Naturerlebnis einen ganz besonderen Stellenwert haben. Und Oberösterreich wird hier mit seinen Urlaubs- und Freizeitangeboten entsprechend punkten können, zu allen Jahreszeiten - daher werden wir auch wieder Skifahren gehen.

"Heute": Wann werden wir wieder ein Fußballspiel sehen, wie wir es lieben? Mit einer vollen Tribüne?

Achleitner: Auch das allgemeine Sportgeschehen ist zu recht völlig heruntergefahren worden, ob Training oder Spiele. Das ist für uns alle hart, aber die Gesundheit geht nun einmal vor. Durch die EURO-Absage besteht auch ein längeres Zeitfenster für die Ligen - wir werden sehen, wann der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden kann und unter welchen Bedingungen.

"Heute": Wird man Fußballclubs, die in finanzieller Not sind, helfen? Und wie?

Achleitner: Der Sport leidet massiv unter den Corona-Auswirkungen, egal in welchem Bereich und ob im Breiten- oder Spitzensport. Daher habe ich mich von Beginn an beim Bund dafür eingesetzt, dass auch ein Hilfspaket für den Sport kommen muss. Es gibt dazu auch schon positive Signale. Dass auch Sportvereine das Corona-Kurzarbeitsmodell nutzen können ist auch auf Druck von OÖ möglich geworden und eine wichtige Hilfestellung. Und auch vom Land OÖ wird es, aufbauend auf den Hilfen des Bundes, entsprechende Unterstützungsmaßnahmen für die Vereine im Sport geben.

"Heute": Welche Veränderungen gibt es wegen Corona im Hause Achleitner. Wie hat sich der Tagesablauf geändert?

Achleitner: Natürlich gilt auch für uns, möglichst zuhause bleiben und persönliche Kontakte vermeiden. Für meine Kinder gibt es jetzt e-Learning, so wie für alle anderen auch - und es gibt wieder mehr gemeinsame Familienzeit, nachdem ich öfters als sonst abends zu Hause bin. Mein Alltag als Politiker ist einerseits Troubleshooter für den Wirtschaftsstandort zu sein - Stichwort Erarbeitung von Hilfspaketen auf Bundes- & Landesebene - und arbeitstechnisch von Video- und Telefonkonferenzen geprägt.

"Heute": Und zuletzt unsere Kampagnen-Frage: Packen wir das alles?

Achleitner: Ja, wir werden das packen – miteinander, durch den Zusammenhalt, der gerade Oberösterreich schon immer so erfolgreich gemacht hat und der jetzt erfreulicherweise ganz besonders spürbar ist. Und dafür sage ich allen Oberösterreicherinnen und Oberösterreichern ein herzliches DANKE!!