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"Wir lassen uns nicht von einem Christen retten"

Selbst in der größten Not bei den verheerenden Monsunfluten kann religiöse Intoleranz in Südindien nicht überbrückt werden.

Heute Redaktion
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Selbst in den verheerenden Monsunfluten treten in Südindien religiöse Spannungen zutage. Das mussten einige der fast 3.000 Fischer erfahren, die mit ihren Booten in die teils zehn Meter unter Wasser stehenden Kleinstädte und Dörfer fuhren, um Menschen in Not zu retten.

Einige seien voller Erleichterung empfangen worden – andere aber wurden schnöde abgewiesen. "Ich erreichte ein Haus in Kollam, wo eine 17-köpfige Familie von den Fluten eingeschlossen war", erzählt Marion George (47) dem Fernsehsender CNN. Als er den Leuten seine Hilfe angeboten habe, sei er gefragt worden, ob sein Boot nicht ein "christliches Boot" sei. Ja, habe er bestätigt, er sei Christ. "Da wandte sich die Leute ab und weigerten sich, sich von mir helfen zu lassen."

"Ich dachte, in dieser Situation würde sich das ändern"

Als er einige Stunden später zurückkehrte, stand der Familie, die der obersten hinduistischen Kaste der Brahamen angehörte, das Wasser buchstäblich bis zum Hals. "Sie riefen um Hilfe. Als ich anlegte, sagten sie mir, dass sie nur einsteigen würden, wenn ich keinen von ihnen berühren würde", so Fischer George. Die Hindus würden diese ablehnende Haltung gegenüber der christlichen Minderheit oft an den Tag legen, "aber ich dachte, in dieser Situation würde sich das ändern."

Auch andere Fischer berichten CNN, dass sie während ihren Rettungsaktionen von Flutopfern beleidigt oder sogar bedroht worden seien. Die Monsunfluten haben in Südindien schon über 400 Todesopfer gefordert – doch offensichtlich vermag auch die Not die Menschen nicht zu einen.

Zunehmende religiöse Intoleranz

Allgemein beklagen Menschenrechtsorganisationen und Vertreter christlicher und muslimischer Gruppen in Indien eine zunehmend religiöse Intoleranz.

Unter Ministerpräsident Narendra Modi und seiner rechtskonservativen Indischen Volkspartei habe sich der Einfluss nationalistischer Hindus verstärkt. Kritiker Modis befürchten, dass die indische Verfassung ihren säkularen und demokratischen Charakter verlieren könnte.

Eine Million Menschen in Notunterkünften

Mittlerweile sind wegen der schweren Überschwemmungen in Südindien über eine Million Menschen in Notunterkünften untergebracht worden. Inzwischen geht das Wasser zurück, doch noch immer sind viele Häuser und Straßen überschwemmt.

In Chengannur, einer der am stärksten betroffenen Städte, stand das Wasser am Dienstag noch 60 Zentimeter hoch. Viele Straßen waren unpassierbar, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Es regnete weiterhin, allerdings weniger stark als zuvor.

Die Behörden sorgen sich unterdessen, dass sich durch verschmutztes Trinkwasser Krankheiten ausbreiten könnten. Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden sollten in die Dörfer geschickt werden, um die Situation zu überwachen.

Sieben Millionen Kinder betroffen

Die Organisation Save the Children warnte vor den verheerenden Folgen der Flutkatastrophe für Kinder. "Viele der Kinder dürften unter Angstgefühlen leiden und wissen nicht, was aus ihrem Haus, ihren Habseligkeiten oder ihren Nachbarn geworden ist", sagte Ray Kancharla, der für Save the Children in Chengannur im Einsatz ist.

Sieben Millionen der insgesamt 23 Millionen Betroffenen seien Kinder, erklärte die Organisation unter Berufung auf Zahlen der Behörden von Kerala. (gux/sda)