Österreich

"Wir wurden für Versuche missbraucht"

Heute Redaktion
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Ein Skandal spielte sich in den 1960er Jahren in der "Klinik Hoff" ab. 772 Menschen wurden absichtlich mit dem Malaria-Erreger infiziert. Die "Liste Pilz" fordert ihre Entschädigung.

Unvorstellbar ist das Leid, das Wilhelm Jäger (70) widerfahren ist. "Ich habe oft Schule geschwänzt", erzählt er. Als er im Lehrlingsheim "Im Werd" (Leopoldstadt) untergebracht war, "bin ich oft zu den Eltern heimgefahren. Beamte haben mich abgeholt." Irgendwann zitierte ein Psychiater den damals 16-Jährigen herbei. "Er hat gefragt, warum ich weglaufe." Am nächsten Tag wurde Jäger in die "Klinik Hoff" (am heutigen AKH-Gelände).

"Ich wusste nicht, wo ich bin"

Seine – zweifelhafte – Diagnose: "Psychopathie". "Ich wusste nicht, wo ich bin", so Jäger zu "Heute".Traumatisierende Wochen begannen, der damals 16-Jährige wurde 1964 einer "Malaria-Therapie" unterzogen. Der Ablauf der Fieberkur: Den (insgesamt 772) Betroffenen wurde der Malaria-Erreger gespritzt – auf den 24 Stunden hohes Fieber über 41 Grad folgte, am nächsten Tag wurde dann Chinin gegen das Fieber gespritzt. Und das je sieben Mal, also 14 Tage lang. "Eine Ärztin dort sagte mir, dass Versuche gemacht werden. Wir wurden missbraucht", so Jäger.

Wilhelm Jäger: "Das vergesse ich nie"

Das ganze Leben hat Jäger mit dem Erlebnis gekämpft. "Das vergesse ich nie". Und: "Bis ich 60 Jahre alt war, hatte ich bis zu sechs Fieberausbrüche pro Jahr." Was Jäger sich jetzt wünscht? "Dass ich irgendwann damit abschließen kann."

"Liste Pilz" fordert Schadenersatz und Entschuldigung

772 Opfer, die vorsätzlich mit Malaria infiziert wurden (einige davon Heimkinder) gibt es. Erst 2012 wurde – durch Wilhelm Jäger – bekannt, was sich vom Ende der 1950er Jahre bis Ende der 1960er Jahre für ein Skandal abgespielt hat. "Ich fordere eine Entschuldigung und eine Entschädigung", so Rechtsanwalt Johannes Öhlböck. "Heimkinder wurden als menschliche Wirte für Parasiten verwendet. Viele Heimkinder waren betroffen, weil sie am ehesten für diese Art von Medizin verfügbar waren", so Peter Kolba von der "Liste Pilz". Hier seien Heimkinder als "menschliche Reagenzgläser" verwendet worden. Die "Liste Pilz" fordert eine Novelle des Heimopferrenten-Gesetzes, "damit diese Opfer auch Schadenersatz bekommen".

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