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"Youth" und "Dheepan" schwer beeindruckend

Heute Redaktion
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Das Festival Cannes läuft dem Finale entgegen - und bleibt seiner Linie treu, einige starke Filme für den Schluss aufzuheben. Das edle Alters-Epos "Youth" mit Michael Caine und Harvey Keitel sowie das Migrationsdrama "Dheepan" von Jacques Audiard hinterließen jetzt tiefen Eindruck.

Das Festival Cannes läuft dem Finale entgegen - und bleibt seiner Linie treu, einige starke Filme für den Schluss aufzuheben. Das edle Alters-Epos "Youth" mit Michael Caine und Harvey Keitel sowie das Migrationsdrama "Dheepan" von Jacques Audiard hinterließen jetzt tiefen Eindruck.

Regisseur Paolo Sorrentino holte 2013 mit seiner Rom-Elegie "La Grande Bellezza" das Triple: Oscar, Golden Globe und Europäischer Filmpreis. In seinem neuen Werk wendet er sich dem Alter zu - und nennt den Film "Youth", also Jugend.

Welch hohes Ansehen der Italiener mittlerweile genießt, merkt man an seinem Star-Ensemble. Michael Caine und Harvey Keitel beziehen als alte Freunde Fred und Mick Quartier in einem noblen Schweizer Berghotel, um über das Leben, dessen Sinn und natürlich das Altern zu parlieren. Jane Fonda und Rachel Weisz (als Vertreterin der jungen Generation, quasi) haben wichtige Nebenrollen.

"Youth" ist ein kurzweiliges Film-Essay geworden, das in Cannes von vielen Besuchern (zum Beispiel dem Autor) als pure Kino-Magie bejubelt wurde, während es andere auf die Palme trieb. Letzteres schließt natürlich nicht aus, dass Sorrentino am Sonntag eine (Goldene?) Palme gewinnt.

Der Film ist ein Gedanken- und Szenenpuzzle, das manchmal urkomisch und manchmal sehr nachdenklich über die Leinwand kommt. Pures Vergnügen bereitet zm Beispiel die Sequenz, in der Fred (Caine), ein berühmter Komponist und Dirigent, vom britischen Hofe unter allen Umständen zu einem Konzert für die Queen überredet werden soll. Was der halsstarrige Künstler - er hat sich nun mal zur Ruhe gesetzt - mit eiserner Konsequenz ablehnt.

Das Ensemble verwöhnt mit großer Schauspielkunst, die Bilder sind von feinster Qualität: "Youth" ist neben dem Liebesdrama "Carol" mit Cate Blanchett der mit Abstand schönste Film des Wettbewerbs.

Alles über "Dheepan" lesen Sie auf der nächsten Seite.

"Dheepan"

Doch natürlich kommt's im Kino nicht nur auf Schönheit an. Vom Luxus im Berghotel geht's im Wettbewerb weiter in die verslumten Vorstädte von Paris. Regisseur Jacques Audiard hat mit dem Flüchtlingsfilm "Dheepan" ein besonders hartes und eindringliches Drama geschaffen, in dem immer wieder alle Hoffnung zu verblühen scheint.

"Dheepan" beginnt in Sri Lanka. Ein Ex-Soldat aus dem Bürgerkrieg, der das Kämpfen nicht mehr erträgt, eine junge Frau und ein Waisenmädchen geben vor, eine Familie zu sein. Gemeinsam gelingt ihnen die Flucht nach Frankreich, wo sie in einer heruntergekommenen Trabantenstadt untergebracht werden, in der Drogendealer den Alltag regieren.

Die Ankömmlinge aus Asien wollen sich dem Druck der Straße entziehen. Titelheld Dheepan arbeitet als Hausmeister, die Frau als Haushälterin, und die "Tochter" lernt in der Schule rasch die neue Sprache. In der kleinen Wohngemeinschaft der Drei keimen Gefühle. Irgendwann fühlt es sich für sie so an, als wären sie wirklich eine Familie.

Doch Regisseur Jacques Audiard gönnt den Einwanderern - bravourös gespielt von Darstellern aus Asien - kein süßes Happy End. Der Ex-Soldat Dheepan wird von den Schatten seiner Militärvergangenheit eingeholt. Die Drogengangs draußen künden von den Schatten der Gegenwart. Irgendwann entlädt sich die Spannung in ungehemmter, blutiger Gewalt - bis Audiard seinem Film noch einmal eine neue Wendung gibt.

Die Reaktion in Cannes? Starker, langer Applaus. "Dheepan" ist einer jener Filme, die sich am Sonntag bei der Palmen-Gala Chancen auf eine Auszeichnung ausrechnen dürfen.

Gunther Baumann, Cannes

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