Österreich

"Zwangsheirat gibt es –mitten in Wien"

Die ÖVP Wien stellte ein Acht-Punkte-Programm gegen Radikalisierung an Schulen vor. NMS-Direktor Christian Klar berichtete aus seinem Alltag.

Heute Redaktion
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ÖVP-Stadtrat Markus Wölbitsch, ÖVP-Bildungssprecherin Sabine Schwarz und NMS-Direktor Christian Klar
ÖVP-Stadtrat Markus Wölbitsch, ÖVP-Bildungssprecherin Sabine Schwarz und NMS-Direktor Christian Klar
Bild: Helmut Graf

"Wir haben zum zweiten Mal, seit ich Direktor bin, den Verdacht auf eine Zwangsheirat an unserer Schule", berichtet Schuldirektor Christian Klar, der an einer NMS in Floridsdorf arbeitet. Und: "Das gibt es – mitten in Wien." Bei einer 14-jährigen tschetschenischen Schülerin überlege man gerade, "wie wir helfen können". Und: Vor zwei Jahren sei ein 14-jähriges syrisches Mädchen von einem Urlaub "nicht mehr zurückgekommen. Sie hat dann Hochzeitsfotos an ihre Deutschlehrerin geschickt, wir haben nie wieder etwas von ihr gehört." Die ÖVP Wien lud Klar zu einer Pressekonferenz, bei der die Stadt-Türkisen ein Acht-Punkte-Programm "gegen Radikalisierung und Islamisierung in der Schule" vorstellten.

NMS-Direktor Klar: "Jede Ethnie kämpft gegen die andere Ethnie"

Dem Buch von Lehrerin Susanne Wiesinger, das den Anstoß für die jetzige Schul-Debatte gab, "kann ich vollinhaltlich zustimmen – so ist es, so passiert es", sagt Klar. Nur: "Den Islam als einzige Ursache zu sehen, ist zu einfach." Es gehe um "Auslegungen und um ethnische Konflikte." Und: "Jede Ethnie kämpft gegen die andere Ethnie", so Klar. Klar schildert weitere Beispiele aus seinem Schulalltag.

Bei einem Fußballspiel habe der Direktor versucht, einen serbischen Spieler - der nicht auftauchte - zu erreichen. Vergeblich, denn: "Es gab keinen zweiten serbischen Spieler, die anderen hatten seine Nummer nicht."

"Es ist wichtig, Rassismus von Neonazis zu verhindern – aber auch anderer Rassismus ist nicht erlaubt", hält Klar fest. Und: "Gegen jede Art von Rassismus aufzutreten, ist die Aufgabe von Lehrern und Direktoren." Eine weitere Anekdote: Bei einem Projekt über Europa waren an der NMS auch österreichische Fahnen aufgehängt. "Diese wurden von migrantischen Kindern heruntergerissen oder mit Hakenkreuzen bemalt. Das geht einfach nicht in der Heimat, in der man lebt."

"Vertreten unserer Grundwerte führt zu Problemen"

Ein weiterer Vorfall: Ein offen lesbisches Mädchen sei "von einem türkischen Buben gemobbt worden. Er hat gesagt: 'In anderen Ländern wirst du dafür umgebracht.'" Der Direktor reagierte: "Ich habe dem Buben gesagt, dass das bei uns nicht geht, dann musst in ein anderes Land ziehen." Daraufhin habe Klar Probleme mit den Jugendzentren bekommen. "Das Vertreten unserer Grundwerte führt zu Problemen."

Und: Das Verweigern des Handschlags gebe es auch vice versa, so manche Mutter schüttelte Klar nicht die Hand: "Ich bekam eine Entschuldigung, aber keinen Handschlag."

Mädchen ohne Kopftuch werden gemobbt

In Klars NMS haben rund 80 bis 90 Prozent der Schüler Migrationshintergrund, ein Drittel bis die Hälfte sind muslimisch. Erschreckend ist auch das: "Es ist so: Mädchen mit Kopftuch sind für muslimische Burschen tabu, wenn ein Mädchen kein Kopftuch trägt, kann sie gemobbt werden." Für ihn als Direktor ist fix: "Ich trage die Konflikte konsequent aus."

Klar sei er im Grätzel schon "als Rassist" beschimpft worden. "Ich habe gesagt, dass ich nicht ,Tschetschenen nicht mag' – sondern kein Leiberl mit Maschinenpistole", so Klar. Und: "Wenn ein Bursch mit Tarn-Kleidung in die Schule kommt, muss er sich umziehen gehen." Einfach, weil das in der NMS nicht erwünscht ist.

Große Hoffnungen setzt Klar in den Runden Tisch des Stadtschulrats. "Wichtig ist, dass Haltung ausgestrahlt wird", wünscht sich Klar. Und: "Wir brauchen Unterstützungspersonal – wie Sozialarbeiter. Ich hätte am liebsten jeden Tag einen Sozialarbeiter da."

Die ÖVP stellte im Anschluss ihr Acht-Punkte-Programm vor. Die "rot-grüne Realitätsverweigerung hat wie schon so oft zugeschlagen", konstatiert ÖVP-Stadtrat Markus Wölbitsch. ÖVP-Bildungssprecherin Sabine Schwarz kündigte an, dass sie das Acht-Punkte-Programm im nächsten Gemeinderat als Antrag einbringen wird.

Acht-Punkte-Programm

Die Forderungen: Mehr Unterstützungspersonal, eine Rechtsschulung für Mädchen und Buben – getrennt voneinander, ein Mindestniveau von C1 bei den Deutschkenntnissen der Lehrkräfte. Außerdem müsse man "die Eltern ins Boot holen", so Schwarz. "Es muss verpflichtende Eltern-Gespräche in den Schulen geben – und Sanktionen bei Verstößen – bis hin zum "Einfrieren der Familienbeihilfe". Außerdem fordert die ÖVP "Elternbildung" und ein "Bekenntnis zur Werte-Ordnung. Die Eltern müssen bei der Schul-Einschreibung ein Bekenntnis zur Verfassung und zu unseren Grundwerten ablegen", fordert Schwarz. Für den Islam-Unterricht fordert die ÖVP zusätzliches Kontroll-Personal. Und: "Junge Mädchen dürfen oft nicht am Schwimmunterricht teilnehmen. Wir erwarten, dass das als Teil des Unterrichts betrachtet wird", so Schwarz. Soll heißen: Nimmt ein Mädchen nicht teil und holt das Schwimmen auch nicht nach – "gibt es eine negative Beurteilung im Turnen", so Schwarz.

Für 70 zusätzliche Sozialarbeiter seien "und 3 Millionen Euro" nötig, rechnet die ÖVP vor. Dass laut Stadt 300 Stellen in den Schulen von der türkis-blauen Bundesregierung gekürzt wurden, sieht die ÖVP anders. Das sei ein "befristetes Budget" gewesen, "das ist klare Landessache", so Schwarz.

Neos: "Bildung abseits ideologischer Grabenkämpfe"

Die Neos plädieren dafür, "Bildung endlich abseits ideologischer Grabenkämpfe zu diskutieren. "Dass die Wiener ÖVP jetzt die Schuld an der Bildungsmisere allein der Stadt Wien zuschreibt, ist typisch!", kritisiert der designierte Klubobmann von NEOS Wien, Christoph Wiederkehr. "Die ÖVP stellt den Bildungsminister und nimmt sehenden Auges Kürzungen in Kauf, die gerade Wien treffen! Das ist ein zynisches Spiel – während die rot-grüne Stadtregierung alles auf den Bund schiebt und die Hände in den Schoß legt, befeuert Schwarz-Blau mit ihren Kürzungen etwa im Integrationsbereich die Probleme und zeigt genüsslich mit dem Finger auf Wien", so Wiederkehr, der meint: "Das Thema ist viel zu wichtig für ideologische Grabenkämpfe."

SPÖ: "300 Unterstützungspersonen weniger"

Man werde sich "die heutigen Vorschläge der Wiener ÖVP zum Thema Integration an Wiener Schulen gerne anschauen: Einiges davon ist bereits im Laufen und in Umsetzung – auch im Rahmen des überparteilichen Runden Tisches zur Gewalt an Schulen", so SPÖ-Bildungssprecher Heinz Vettermann. Doch: "Insgesamt könnte aber gerade die Wiener ÖVP eine wichtige Aufgabe übernehmen – nämlich den eigenen Bildungsminister davon zu überzeugen, dass Wiener Schulen und auch Schulen in anderen Ballungsräumen mehr Mittel für Integrationsarbeit brauchen. Minister Faßmann hat erst letzte Woche in der Pressestunde davon gesprochen, dass es nach der Flüchtlingsbewegung 2015 nun 'keinen Bedarf' mehr für Integration an Schulen gibt", so Vettermann. Die SPÖ fordere schon lang die Rücknahme der Streichung des "Integrationstopfs".

"Wir waren im Juni damit konfrontiert, dass entgegen anders lautender Beteuerung seitens des Ministeriums alle SprachlehrerInnen, Integrationspersonal und interkulturelle Teams aus diesem Topf ersatzlos gestrichen wurden. Insgesamt haben wir dank ÖVP-FPÖ-Bundesregierung nun 300 Unterstützungspersonen weniger in den Wiener Schulen für unsere Wiener Kinder zur Verfügung!", so Vettermann.