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100.000 Syrer an einem Tag in Türkei geflohen

Heute Redaktion
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Bild: AP

Als Folge des Vormarsches der Terrormiliz IS im Norden Syriens sind nach UN-Angaben inzwischen fast 100.000 Menschen in die Türkei geflohen. Weitere Hunderttausende Flüchtlinge könnten folgen. IS-Kämpfer haben binnen vier Tagen 60 Dörfer erobert und rücken immer näher an die Stadt Ayn al-Arab heran, die lange als sicherer Zufluchtsort innerhalb Syriens gegolten hatte.

"Die Zahl liegt nahe an 100.000", sagte UNHCR-Sprecherin Selin Ünal in Ankara am Sonntag auf Anfrage. "Und weiterhin kommen Menschen." Das Land hatte am Freitag seine Grenze geöffnet und den meist kurdischen Flüchtlingen die Einreise erlaubt. Ünal sagte, die Grenze sei weiterhin geöffnet.

Hunderttausende weitere Menschen könnten in den kommenden Tagen vor den Gefechten zwischen IS-Kämpfern und kurdischen Einheiten rund um die Stadt Ayn al-Arab (Kurdisch: Kobane) fliehen. Die Kämpfer der Jihadistenorganisation "Islamischer Staat" (IS) sind laut Aktivisten bis auf ein Dutzend Kilometer auf Ayn al-Arab vorgerückt, sagte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman, am Sonntag.

IS hat seit Donnerstag 60 Dörfer erobert

Bei ihrer Offensive haben die IS-Kämpfer der Beobachtungsstelle zufolge seit Donnerstag mehr als 60 Dörfer erobert. Seit Dienstag seien 27 kurdische Kämpfer und 39 Jihadisten bei Gefechten getötet worden, teilte die Beobachtungsstelle mit. In die Türkei geflüchtete Kurden berichteten von Exekutionen in den von IS eroberten Gebieten.

Nach UNHCR-Angaben hatten sich während des Bürgerkrieges bereits rund 200.000 syrische Flüchtlinge aus anderen Teilen des Landes nach Ayn al-Arab geflüchtet, weil die Stadt als relativ sicher galt. In der Türkei halten sich nach Regierungsangaben bereits rund 1,5 Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien auf. Weitere 1,8 Millionen vor allem irakische Flüchtlinge suchen nach UNO-Angaben in der kurdischen Autonomieregion im Nordirak Zuflucht.

Ihren Angaben zufolge drangen in der Nacht auf Samstag mindestens 300 türkische Kurdenkämpfer über die Grenze nach Syrien vor, um den Kampf der syrischen Kurden gegen IS zu unterstützen. Salih Muslim Mohamed von der syrischen Kurdenbewegung Partei der Demokratischen Union (PYD) forderte Hilfe von den USA und Europa. Bei Ayn al-Arab drohten ethnische Säuberungen.

Obama: "Nicht allein der Kampf der USA"

Im Irak weiteten die USA ihre Luftangriffe gegen IS-Stellungen unterdessen aus. US-Präsident Barack Obama kündigte an, kommende Woche bei den Vereinten Nationen für die Bildung eines internationalen Bündnisses gegen IS zu werben. "Dies ist nicht allein der Kampf der USA", sagte Obama am Samstag.

Der US-Präsident wird kommende Woche zur Generaldebatte der UNO-Vollversammlung nach New York reisen und dort auch eine Sitzung des UNO-Sicherheitsrats zur Bedrohung durch Jihadisten leiten. Auch Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) will seinen Besuch bei der Vollversammlung u.a. dem Anti-IS-Kampf widmen. Das US-Außenminister hat eine Liste mit 50 Staaten veröffentlicht, die sich der internationalen Bekämpfung der IS den USA angeschlossen haben. Darauf ist auch Österreich zu finden.

Die US-Geheimdienste warnen unterdessen bereits vor dem Erstarken einer noch nahezu unbekannten Jihadistengruppe namens Khorasan. Die im Vorjahr in Syrien gegründete Miliz werde von Muhsin al-Fadhli (33), einem der engsten Vertrauten des getöteten Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden, angeführt, schrieb die "New York Times" am Sonntag unter Berufung auf Geheimdienste. Die Terrorgruppe könnte größte Absicht haben, Anschläge in den Vereinigten Staaten oder auf US-Einrichtungen im Ausland zu verüben, sagte der Direktor des Nationalen Geheimdienstes, James R. Clapper, dem Blatt.