Österreich

100 Zeugen! Rekord im Schutzgeld-Mafia-Prozess

Polizisten mit MPs im Saal, Kronzeugen in Schutzwesten, bis zu 100 Zeugen geladen. Der Mafia-Prozess in Wien ist spektakulär.

Heute Redaktion
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Seit Oktober steht in Wien eine mutmaßliche Mafia-Bande um Boss Edo D. (38) vor Gericht, die von Gastronomen 500.000 Euro erpresst haben soll. Dem Chef der Zuwanderer-Gang aus Serbien, Bosnien und Russland werden von der Staatsanwaltschaft auch Drogendeals angelastet.

Der Prozess ist seit dem ersten Verhandlungstag schaurig: Hochsicherheit! Die sieben Angeklagten – fast alle Kampfsportler – werden von einem Dutzend bewaffneten Justizbeamten vorgeführt. Zusätzlich sorgen Wega-Cops mit Maschinenpistolen für Respekt im Gerichtssaal. Auf zwei Belastungszeugen wurde angeblich Kopfgeld ausgesetzt, wenn sie jemand "ausschaltet". Trotzdem folgten beide ihrer Ladung – allerdings in kugelsicheren Westen.

Boss beleidigt: 5.000 Euro Strafe

Einzigartig auch: Im Marathon-Verfahren hat Richter Michael Tolstiuk bereits 70 Zeugen einvernommen. Bis zum Finale am 20. April können es 100 werden – und es wird wohl nicht leicht für den Senat, ein tragfähiges Urteil zu finden.

Denn kaum schienen die wichtigsten Anklagepunkte (kriminelle Vereinigung, schwere Erpressung) durch Zeugen belegt, wurden sie durch andere wieder erschüttert. Beispiel: Ex-Fußballprofi Alen O. (32) wollte als Wirt seine Zukunft absichern. In der Ottakringer Straße – dem Revier der Gang, die sich "Struja" (Strom) nannte – eröffnete er das "Cafe City".

Als das Lokal bommte, so Alen O. vor Gericht, bekam er Besuch von Edo D. (Anwalt Herbert Eichenseder) und seiner Bande. Wenn er künftig Schlägereien und zerstörtes Mobilar wolle, müsse er "Struja"-Personal anstellen – und die Leute auch entlohnen, wenn sie nicht zum Dienst erscheinen. Der eingeschüchterte Wirt zahlte, bis er nicht mehr konnte – und sein Cafe zum Spottpreis verkaufen musste. Zuletzt wünschte er die Gang "ins Grab". Resultat: Boss Edo verlangte eine Geldbuße für die Beleidigung – 5.000 Euro.

Die wollten jeden erpressen

Nach Läuterung in U-Haft wurde sogar ein Ex-Mitglied der Gang zum Kronzeugen der Anklage. Zum Prozess kam der Serbe (38) in einer extradicken schusssichern Jacke, packte dann aber mutig gegen seine früheren Kumpel aus. Kernsätze: "Die wollten jeden auf der Ottakringer Straße erpressen". Und: "Als ein Lokalbesitzer nicht zahlen wollte, wurde ihm mit Vergewaltigung seiner Verlobten gedroht".

Im Gegenzug gab es aber auch auf der Verteidigerbank – stark besetzt mit klingenden Namen – mehrmals Grund zum Händereiben. Denn einige Belastungszeugen fielen zum Entsetzen von Staatsanwalt Filip Trebuch um. Die größte Schlappe: Ein Cousin (45) von Edo D. hatte ursprünglich zu Protokoll gegeben, dass er für den "Struja"-Chef 54 Kilo Marihuana in Wien verkaufen sollte. Und als er zögerte, hätten zwei Schläger der Gang überzeugend argumentiert. Im Prozess widerrief er beide Aussagen: "Ich habe bei der Polizei Blablabla geredet und kann mich nur entschuldigen."

Spannung vor dem Urteil

Wirklich wahr? Zumindest in Randbereichen scheint die Anklage zu bröseln. Indiz: Edo-Freundin Maja S. (29), die als Bardame die Umsätze von Lokalen ausspioniert haben soll, kam während des Verfahrens aus der U-Haft frei (Anwalt Philipp Wolm). Und auch einer der beschuldigten Schläger (Anwalt Christian Werner) sitzt nicht mehr in einer Zelle.

Entsprechend groß die Spannung vor dem Urteil am 20. April. Frühere Opfer der Gang erwarten allerdings – so oder so – keine besseren Zeiten. Mit unkenntlich gemachten Gesichtern meinten sie in der ORF-Sendung "Thema": "Auch wenn Wölfe eingesperrt werden – die nächsten kommen sicher."

(hölli)

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