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2 Jahre Haft für Pussy Riot & Proteste in Wien

Heute Redaktion
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Bild: Sergei Karpukhin / Reuters

Drei Mitglieder der kremlkritischen Punkband Pussy Riot müssen nach ihrem Protest gegen Kremlchef Wladimir Putin in einer Kirche für je zwei Jahre in Haft. Richterin Marina Syrowa begründete das Strafmaß am Freitag mit Rowdytum aus religiösem Hass. Die Untersuchungshaft von knapp sechs Monaten werde angerechnet.

Die Staatsanwaltschaft hatte für die Künstlerinnen Nadeschda Tolokonnikowa (22), Maria Aljochina (24) und Jekaterina Samuzewitsch (30) je drei Jahre Gefängnis beantragt, die Verteidigung Freispruch. Die Anwälte von Pussy Riot wollen das Urteil anfechten.

Richterin Syrowa warf den verurteilten jungen Frauen während der mehr als zweieinhalbstündigen Urteilsverkündung vor, mit ihrem Protest in der Erlöserkathedrale in Moskau am 21. Februar die Gefühle der Gläubigen auf das Gröbste verletzt zu haben. Die Künstlerinnen hatten dort ein Punkgebet gegen Putin und den russisch-orthodoxen Patriarchen Kirill aufgeführt. Die Richterin monierte, dass die drei Musikerinnen während des Prozesses "keine Reue gezeigt" hätten.

Proteste vor dem Gericht

Vor dem Gericht protestierten Anhänger der Künstlerinnen, die von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International als politische Gefangene anerkannt werden. Es gab Dutzende Festnahmen, auch Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow und Oppositionsführer Sergej Udalzow wurden abgeführt. Zuhörer im Saal riefen nach Bekanntgabe des Strafmaßes "Schande!" Auch in Wien sollte am Freitagnachmittag eine Protestkundgebung gegen das Urteil stattfinden.

Weltweit gab es Kritik an dem Schuldspruch. Der Menschenrechtsbeauftragte der russischen Regierung, Wladimir Lukin, nannte das Urteil ungerecht. Die US-Botschaft in Moskau kritisierte, dass das Urteil in keinem Verhältnis zu den Taten der Angeklagten stehe. Außenamts-Staatssekretär Wolfgang Waldner (V) sprach ebenfalls von einer "völlig unverhältnismäßigen Strafe". "Eine friedliche Kunstaktion kann nicht als Verbrechen gelten, das zu einer langanhaltenden Inhaftierung führt", unterstrich der frühere langjährige Kulturmanager. Das Urteil sei ein Verstoß gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Proteste in Wien

Kaum eine halbe Minute konnten die Pussy-Riot-Sympathisanten ihre Transparente hochhalten und ihre Parolen skandieren, dann wurden sie vom Personal des Stephansdom vor die Tür begleitet. Die Aktion hat sich am Freitagnachmittag am Rande der Demonstration in der Wiener Innenstadt gegen den Schuldspruch für die drei Mitglieder der russischen Punkband abgespielt. Die Künstlerinnen wurden verurteilt, weil sie in einer Kirche gegen Präsident Wladimir Putin protestiert hatten.

Etwa 150 Demonstranten laut Polizeischätzung fanden sich vor dem Wiener Burgtheater ein, um ihre Solidarität mit Pussy Riot zu bekunden, die wegen "Rowdytums" zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt wurden. Die großteils mit rosa Strumpfhosen maskierten Aktivisten zogen mit ihrem improvisierten Theaterstück "Unzensiert TV" vom Burgtheater über den Minoritenplatz und Graben zur Oper.

"Eigentlich als Spektakel geplant"

Die Aktivisten zeigten sich überrascht und erfreut über den großen Zuspruch: "Wir haben die Aktion eigentlich als Spektakel für die Passanten und Touristen geplant." Die Gruppe, die sich weigerte, als Organisatoren aufzutreten, wollte unerkannt bleiben: "Pussy Riot tritt auch vermummt auf, um als Kollektiv wahrgenommen zu werden."

Unter den Zusehern befand sich auch ein junger Russe, der sich gerade in Wien auf Exkursion befindet: "Ich finde es gut, dass ganz Europa an dieser Diskussion teilnimmt. Es ist rechtswidrig und gegen die Verfassung, dass Pussy Riot angeklagt wurde. Musik sollte Musik bleiben." Ein junger österreichischer Künstler und Demonstrant betonte: "Ich habe eigentlich schon damit gerechnet, dass viele kommen werden, weil die Thematik sehr breit diskutiert wird. Selbst wenn man nur die Klatschspalte liest, weiß man davon."

Lesen Sie weiter: Mit Mörderinnen in Baracken für bis zu 120 Gefangene Mit einem "Punkgebet" kurz vor der Präsidentenwahl in Russland protestierten sie im Februar in einer Kirche gegen den heutigen Staatschef Wladimir Putin - jetzt wurden die drei Musikerinnen der Band Pussy Riot im Alter zwischen 22 und 30 Jahren wegen "Rowdytums" zu jeweils zwei Jahren Lagerhaft verurteilt.

Und das bedeutet: Nadeschda Tolokonnikowa, Maria Alechina und Jekaterina Samuzewitsch werden sich bei einer Vollstreckung des Urteils mit Mörderinnen und Diebinnen in Baracken mit bis zu 120 Frauen wiederfinden.

Während es für verurteilte Männer in Russland eine ganze Reihe von Straflagern und Gefängnistypen gibt, sieht der russische Strafvollzug für Frauen nur eine Art von Straflager vor. Die Frauen-Lager bestehen aus Verwaltungsgebäuden, Schlafräumen für die Gefangenen und einem Arbeitsbereich. Die Komplexe sind mit Zäunen, Stacheldraht und Wachtürmen von der Außenwelt abgeriegelt. Wiederholungstäterinnen und erstmals Verurteilte werden in unterschiedlichen Lagern festgehalten.

Einmal pro Monat telefonieren

Die Lebensumstände der Frauen in den Lagern werden auf der Internetseite des russischen Strafvollzugs sowie von der Mitarbeiterin der Moskauer Nichtregierungsorganisation Gefängnis und Freiheit, Jelena Gordejewa, geschildert. Demnach sind die Verurteilten in grüne Uniformen gekleidet, auf denen ihr Name prangt. Persönliche Kleidung ist verboten. Ein Mal pro Monat dürfen die Frauen telefonieren, wobei das Gespräch auf maximal 15 Minuten begrenzt ist.

Im Gegensatz zu männlichen Gefangenen dürfen Frauen eine unbegrenzte Zahl an Paketen erhalten. Untergebracht sind die Frauen in den meisten Fällen in Baracken mit 100 bis 120 Gefangenen. Der Tag beginnt um 6.00 Uhr, anschließend müssen sich die Häftlinge draußen zum Durchzählen versammeln. Nur wenn die Temperaturen unter minus 30 Grad fallen, findet die Zählung drinnen statt.

Ganz wenige Besuche

In jedem Frauen-Lager gibt es drei Unterbringungsformen: normal, erleichtert und streng. Im normalen Strafvollzug dürfen die Frauen pro Jahr sechs kurze Besuche (bis zu vier Stunden) erhalten sowie vier lange Besuche (bis zu drei Tage). Für die langen Besuche steht den Gefangenen und ihren Besuchern wie Ehemann oder Eltern ein separater Raum zur Verfügung. Besuche von Nicht-Familienmitgliedern müssen von der Gefängnisverwaltung genehmigt werden. Tolokonnikowa und Alechina haben kleine Kinder, von denen sie seit Monaten wegen der Untersuchungshaft getrennt sind.

Weniger als die Hälfte der Frauen geht im Lager einer Arbeit nach. Wer arbeitet, kann zwischen 25 und 50 Euro im Monat verdienen. Die Arbeit besteht in der Regel darin, Uniformen für die Gefängnisverwaltung, die Armee oder das Innenministerium zu nähen. Für die Frauen, deren Verhalten gut bewertet wird, gilt der sogenannte erleichterte Strafvollzug. So können die Gefangenen ohne Einschränkungen Produkte im Lager kaufen und bekommen zwei zusätzliche lange Besuche gewährt.

Frauen werden isoliert

Die strenge Unterbringungsform wird drei Monate lang für die Frauen verhängt, die gegen Regeln verstoßen haben. Dazu zählt etwa der Konsum von Alkohol und Drogen, Ungehorsam oder Beleidigung von Gefängnisbeamten. Die Frauen werden dann isoliert, dürfen nur einmal pro Tag für eineinhalb Stunden nach draußen und keine Telefonate führen oder Besuche empfangen.

In Russland sitzen derzeit rund 59.000 Frauen ein. Frauen aus Moskau werden nicht zwangsläufig in Lagern nahe der Hauptstadt inhaftiert, sondern können sich Hunderte Kilometer entfernt wiederfinden.

Lesen Sie weiter: So lief der Prozess ab Die Musikerinnen der russischen Punk-Band Pussy Riot müssen für zwei Jahre ins Gefängnis. Ein Gericht in Moskau verurteilte die drei Frauen am Freitag wegen Rowdytums motiviert durch religiösen Hass.

Die Bandmitglieder hatten im Februar in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale mit einem sogenannten Punk-Gebet gegen den damaligen Regierungschef und jetzigen Präsidenten Wladimir Putin protestiert. Ein Moskauer Gericht hat die wegen religiös motovierten Rowdytums angeklagten Musikerinnen der Punk-Band Pussy Riot schuldig gesprochen. Ein Gnadengesuch haben die Angeklagten abgelehnt, auch ein Exil schließen sie aus. Der russische Oppositionsführer Sergej Udalzow wurde festgenommen.

Die Untersuchungshaft von knapp sechs Monaten werde angerechnet, sagte die Richterin Marina Syrowa. Die Staatsanwaltschaft hatte für jede der drei jungen Frauen drei Jahre Haft wegen Rowdytums aus religiösem Hass gefordert. Die Anwälte von Pussy Riot hatten schon vor der Urteilsverkündung angekündigt, das Urteil in der nächsten Instanz anfechten zu wollen. Einem Gnadengesuch an Putin erteilten die Künstlerinnen schon im Vorfeld eine klare Absage.

Die Staatsanwaltschaft hat drei Jahre Haft beantragt. Die drei Frauen hätten "keine Reue gezeigt", die "öffentliche Ordnung verletzt" und die "Gefühle der Gläubigen beleidigt", sagte Richterin Marina Syrowa bei der Urteilsverkündung. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Die Anwälte von Pussy Riot wollen das Urteil in der nächsten Instanz anfechten. Vor dem Gericht protestierten Anhänger gegen den Schuldspruch.

Gnadengesuch abgelehnt

Unmittelbar vor dem haben die Angeklagten einem Gnadengesuch an den russischen Präsidenten Wladimir Putin eine klare Absage erteilt. "Machen Sie Witze? Natürlich nicht. Eher sollte er uns und Sie um Gnade bitten", schrieb die Aktivistin Nadeschda Tolokonnikowa (22) der regierungskritischen Zeitung Nowaja Gaseta (Online). Sie glaube nicht an ein unabhängiges Urteil. "Das ist eine Illusion", hieß es. Eine Flucht ins Exil lehnen die Musikerinnen ab.

Mehrere hundert Anhänger der Feministinnen wollten vor dem Gericht in Moskau ihre Unterstützung zeigen. Verteidiger Mark Fejgin rief dazu auf, bei der Solidaritätsaktion auf Masken, Fahnen und Transparente zu verzichten. Sonst drohe eine Festnahme wegen Teilnahme an einer illegalen Kundgebung, sagte Fejgin der Zeitung Nowyje Iswestija (Freitag). Die Moskauer Polizei sperrte das Gerichtsgebäude nahe dem Moskwa-Fluss ab.

Oppositionsführer festgenommen

Polizisten nahmen vor dem Moskauer Chamowniki-Gericht den Oppositionsführer Sergej Udalzow fest. Das berichtete die Nachrichtenagentur Interfax kurz vor der Urteilsverkündung am Freitag. Udalzow überschritt demnach eine Absperrung der Polizei vor dem Eingang des Gerichtsgebäudes und wurde nach kurzer Verhandlung mit den Beamten abgeführt.

Weltweite Aktionen

Weltweit waren Solidaritätsaktionen geplant. In Moskau und Bulgarien stülpten Anhänger der jungen Frauen Denkmälern bunte Sturmhauben über, das Markenzeichen von Pussy Riot. In Moskau wurde ein Aktivist festgenommen, ihm drohen bis zu 15 Tage Arrest. In der ukrainischen Hauptstadt Kiew fällte eine Aktivistin der feministischen Gruppe Femen ein . Ultranationalisten und strenggläubige orthodoxe Christen wollten hingegen für eine Verurteilung demonstrieren.