Vor der Gemeinderatssitzung in St. Pölten, in der sich die Mandatare mit den Malversationen in der Stadtkasse beschäftigen, fordert die Stadt-ÖVP politische und personelle Konsequenzen. Vorige Woche wurde bekannt, dass Anklage gegen einen ehemaligen Mitarbeiter der Finanzabteilung erhoben wurde. Ihm wird gewerbsmäßig schwerer Betrug angelastet, der Schaden beträgt mehr als 260.000 Euro.
Der Gemeinderat setzt sich am morgigen Montag mit dem ersten Teil der Sonderprüfung des Stadtrechnungshofs zur Stadtkasse auseinander. Die Prüfer hätten zwar keine weiteren Fehlbeträge in den vergangenen fünf Jahren gefunden, der Bericht lege aber "das Kontrollversagen im Rathaus schonungslos offen", stellte ÖVP-Kontrollsprecherin Susanne Binder-Novak am Sonntag in einer Aussendung fest.
Sie verwies darauf, dass die Barabhebungen "keineswegs üblich" waren. So habe es zwischen 1. Jänner 2018 und September 2021 keine Barbehebungen gegeben. Die erste sei im Oktober 2021 erfolgt und ab dann über eineinhalb Jahre 40 Mal. Daraus sei der Schaden von über 260.000 Euro entstanden. "Warum ist es niemanden eigenartig vorgekommen, dass nach Jahren, in denen keine einzige Abhebung erfolgte, plötzlich 40 Barabhebungen erforderlich sein sollen, obwohl in der Stadtkassa üblicherweise nur einbezahlt wird?", kritisierte die Gemeinderätin.
Laut Stadtrechnungshof erfolgten auch sämtliche Buchungen im Zusammenhang mit den Barbehebungen ohne entsprechende Belege. Die Belege mussten zur Erstellung des Berichts über das betroffene Kreditinstitut angefordert werden, wobei auch dort nur 38 von 40 vorlagen. "Die Anweisung zur Auszahlung wurde zwar immer von je zwei berechtigten Mitarbeitern unterzeichnet. Es gab jedoch keine Kontrolle der tatsächlichen Auszahlungsbeträge, der damit verbundenen Belege oder der damit verbundenen Buchhaltung", so Binder-Novak. Hätte es diese Kontrollen gegeben, wäre es wohl aufgefallen, meinte sie und kritisierte, dass die SPÖ-Stadtregierung die Fehlbeträge im Budget durch einen Nachtragskredit repariert worden seien.
Für das "Kontrollversagen" trage die SPÖ die Verantwortung. "Wir sind daher gespannt auf die Reaktion der SPÖ", drängt die ÖVP auf personelle und organisatorische Maßnahmen, um die Causa aufzuklären und Wiederholungen zu verhindern.
Die Stadt-SPÖ hatte zuletzt auf externe Rechtsvertreter verwiesen. Laut Expertise könne „die kriminelle Energie eines Einzelnen mit einem Kontrollsystem nicht gänzlich ausgeschlossen werden“.