Welt

Eine Minute Schlaf kostet zu Mittag bis zu 1 Dollar

Heute Redaktion
Teilen

Um den stressigen Alltag durchzustehen, besuchen New Yorker über Mittag zunehmend Schlafläden. Dort kostet das Nickerchen bis zu einem Dollar pro Minute.

New York ist die Stadt, die niemals schläft: Höllischer Verkehr schon am frühen Morgen, Partys bis spät in die Nacht und dazwischen harte Arbeit. Um diesen Alltag durchzustehen, gönnen sich immer mehr New Yorker ein Mittagsschläfchen.

Statt sich mit noch mehr Kaffee wach zu halten, schließen sie für 20 Minuten die Augen. Nicht im Büro, sondern in Schlafläden, wo sie fürs Nickerchen bezahlen.

"Nap York" eröffnete vor drei Monaten in der Nähe des Bahnhofs Penn Station. Für zwölf Dollar pro halbe Stunde können Kunden dort rund um die Uhr eine der hölzernen Schlafkabinen mieten. "Wir wollten all den erschöpften New Yorkern einen Ort bieten", sagt Marketingchefin Stacy Fahrradric. "Es ist wirklich schwierig, in New York Ruhe zu finden."

Angefangen hat "Nap York" mit sieben Kabinen. Doch die Nachfrage war so groß, dass inzwischen 22 weitere hinzugekommen sind. Bald soll es auf dem Dach auch noch Hängematten zum Dösen geben.

Geweckt mit simuliertem Sonnenaufgang

Menschen in New York fühlen sich nicht nur müde, die meisten bekommen tatsächlich zu wenig Schlaf. Laut einer Umfrage im Auftrag der privaten Hochschule Siena College schläft fast die Hälfte nur sechs Stunden oder noch weniger. Schlafmangel macht launisch und unproduktiv und schadet damit auch der Wirtschaft.

Laura Li tut etwas dagegen. Die 28-Jährige Redakteurin ist Stammkundin im "Yelo", einem luxuriösen Spa an der Fifth Avenue. Li macht es sich auf einer Entspannungsliege in einer abgedunkelten futuristischen Kabine bequem. 35 Minuten später weckt sie ein simulierter Sonnenaufgang. Der Preis? Ein Dollar pro Minute.

Freunde wundern sich

"Ich komme vor allem an Tagen hierher, an denen ich viel Arbeit habe - um mehr Energie zu bekommen für den Rest des Nachmittags", sagt Li. Ihren Kollegen erzählt sie nichts von den Nickerchen in der Mittagspause, Freunden schon. Die finden es seltsam, dass sie für Schlaf bezahlt.

Maya Daskalova, die Managerin des "Yelo", freut sich über wachsende Kundschaft. Zu ihr kommen nicht nur gestresste Angestellte, sondern auch Leute, die vor dem Ausgehen Energie tanken wollen oder Eltern, denen ihr Baby nachts den Schlaf raubt.

Veränderte Einstellung

Christopher Lindholst versucht mit seiner Firma MetroNaps schon seit 2004 den Mittagsschlaf gesellschaftsfähig zu machen. Das Unternehmen vertreibt Schlafsessel, deren kugelförmiges Kopfteil die Ruhesuchenden von der Außenwelt abschirmt. Bei Google und der US-Raumfahrtbehörde NASA stehen sie schon.

"Die Einstellung der Leute hat sich in den vergangenen 15 Jahren dramatisch geändert", sagt Lindholst. Den Menschen sei bewusster, wie wichtig Schlaf ist. Doch bis das Nickerchen nicht mehr mit Faulheit assoziiert werde, dauere es wohl noch eine Generation, glaubt er.

Deutsche wollen nicht in Kapseln dösen

Auch in Deutschland versuchen einige wenige Unternehmer, Müden Schlaf zu verkaufen - mit mäßigem Erfolg. Ende 2014 eröffnete Irina Ivachkovets in Berlin Mitte ihren Ruheraum "Nickerchen", in dem sie zehn Schlafkabinen vermietete. Das Medienecho war riesig, der wirtschaftliche Erfolg eher gering. Derzeit ist der Raum ganz geschlossen, im Sommer unternimmt Ivachkovets einen neuen Anlauf - mit nur noch drei Schlafnischen.

In Stuttgart konnten sich Erholungssuchende in den kostenlosen Schlafkabinen eines Bettenhauses aufs Ohr legen - bis die Firma pleite ging. Und auch die Idee des Frankfurter Kinos Metropolis, Kinosessel über Mittags für ein Schläfchen feilzubieten, floppte.

(isa)