Sohn Milivoje G. (46) kann die Vorgehensweise der Immobilien-Investmentfirma immer noch nicht fassen: "Meine Eltern kamen 1974 nach Österreich, leben in den zwei Wohnungen seit 1983 und am 21. Oktober 2022 kam die Räumungsklage mit Frist 4. November. Das kann doch nicht sein."
Miodrag G. (72) und Mila G. (65) kamen vor knapp 50 Jahren nach Österreich, er arbeitete als Vorarbeiter bei einer Reinigungsfirma. Im Jahr 1983 bezog das damals noch junge Paar mit Sohn die zwei Wohnungen in der Springergasse in Wien-Leopoldstadt. Es handelt sich dabei um Top 14 und Top 15, zwei Mini-Apartments mit 32 und 28 Quadratmeter - in Summe 60 Quadratmeter.
Im Jänner 2022 kaufte eine erst im Vorjahr gegründete Immobilien-Investmentfirma beide Wohnungen, brachte im Mai 2022 den Kündigungsantrag ein. "Wegen angeblicher Vernachlässigung und Beschwerden im Haus, was nach 40 Jahren natürlich ein Unsinn ist", erklärt der Sohn, der in Österreich geboren ist und hier zur Schule gegangen war.
Während die pensionierten Eltern in ihrer Heimat Serbien waren, passte Sohn Milivoje auf die Wohnungen in Wien auf und achtete auch stets auf die Post. "Eben damit mir und in der Folge meinen Eltern keine Frist entgeht", so der Wiener. Am 21. Oktober fand er im Briefkasten seiner Eltern die Räumungsklage. Frist: 4. November 2022.
Der 46-Jährige wandte sich am 1. November an den Wiener Rechtsanwalt Florian Höllwarth. "Drei Tage vor Ende der Frist, es brannte der Hut", so der Advokat. Der renommierte Anwalt stellte einen Antrag auf Wiedereinsetzung und einen Antrag auf Aufschub. Und einen Tag vor Fristende, am 3. November wurde den Anträgen stattgegeben. "Das heißt jetzt zurück an den Start, zeitlich zurück zum Mai 2022", erläutert Florian Höllwarth.
Familie G. zahlte zuletzt in Summe 310 Euro Miete für beide Wohnungen, Kategorie D (Anm.: eine Duschbox wurde nachträglich installiert vom Ehepaar) sowie jeweils 30 Euro für den eingebauten Lift, also in Summe 370 Euro im Monat Kaltmiete.
"Dass der neue Eigentümer die Wohnungen herrichten und teurer vermieten will, ist klar und auch legitim. Nur: Da redet man vorher mit den Mietern, zudem wenn die Mieter seit vier Jahrzehnten drinnen wohnen", so Höllwarth, der nun auf einen neuen Verhandlungstermin für seine Mandanten wartet.