Christian B. (Name geändert) traute seinen Augen kaum, als er einen Brief mit einer Zahlungsaufforderung über 395 Euro erhielt. Sein "Vergehen": Er war auf eine Tankstelle in Wien-Leopoldstadt gefahren, hatte festgestellt, dass diese geschlossen war, gewendet und sie nach nur 17 Sekunden wieder verlassen.
Kurz darauf tankte er bei einer anderen Tankstelle. Doch Wochen später kam die Rechnung. Er solle 395 Euro zahlen, oder es gäbe eine Besitzstörungsklage.
Nach einem Telefonat mit der Kanzlei, die das Schreiben verschickt hatte, wurde ihm eine Reduktion auf 300 Euro angeboten. Doch Christian wandte sich an die Arbeiterkammer (AK), die ihn beriet. In der AK Konsumentenberatung riet man ihm, die Frist verstreichen lassen. Das tat er – und musste schließlich nichts zahlen.
Fälle wie dieser sind in der AK Konsumentenberatung bekannt. Dort häufen sich Beschwerden von Autofahrern, die nach dem Befahren oder Wenden auf Parkplätzen mit Besitzstörungsklagen und hohen Zahlungsforderungen konfrontiert werden.
AK-Expertin Kirstin Grüblinger erklärt das Vorgehen: "Oft werden auf schlecht erkennbaren Privatgrundstücken Kameras aufgestellt. Jede Einfahrt, jeder Wendemanöver wird als Besitzstörung gewertet und mit einer Abmahnung belegt." Die AK rät Betroffenen, keinesfalls einfach zu zahlen, sondern sich rasch an eine Verbraucherorganisation zu wenden.
Hoffnung gibt ein Urteil des Vereins für Konsumenteninformation (VKI). Der VKI hatte eine Verbandsklage gegen ein Unternehmen eingereicht, das aggressive und irreführende Abmahnungen verschickte. In einem Vergleich verpflichteten sich das Unternehmen und sein Geschäftsführer, diese Praxis einzustellen.
Auch die Bundesarbeitskammer konnte in vergleichbaren Klagen Erfolge erzielen. Doch die Erfahrung zeigt: Nach jedem Urteil finden die Betreiber neue Wege, um ihr lukratives Geschäftsmodell fortzuführen.
AK-Expertin Grüblinger fordert nun klare gesetzliche Regeln: "Der Besitzschutz ist wichtig, aber wenn Besitzstörungsklagen zum Geschäftsmodell werden, muss der Gesetzgeber einschreiten. Wir brauchen daher eine gesetzliche Maßnahme, die Besitzstörungsklagen bei gewerbsmäßiger Abzocke untersagt."