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500 Polizisten bei Prozess nach Neonazi-Morden

Heute Redaktion
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Bild: Matthias Schrader (AP)

Der Prozess um den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) hat am Montag begonnen. Vor dem Strafjustizzentrum in München herrschten scharfe Sicherheitsvorkehrungen und Riesen-Andrang. Zahlreiche Polizeibeamte waren rund um das Gebäude im Einsatz, selbst Fahrräder durften nicht direkt vor dem Gericht abgestellt werden. Doch nun wurde der Prozess bis zum 14. Mai wegen eines Befangenheitsantrages unterbrochen.

Der Prozess um den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) hat am Montag begonnen. Vor dem Strafjustizzentrum in München herrschten scharfe Sicherheitsvorkehrungen und Riesen-Andrang. Zahlreiche Polizeibeamte waren rund um das Gebäude im Einsatz, selbst Fahrräder durften nicht direkt vor dem Gericht abgestellt werden. Doch nun wurde der Prozess bis zum 14. Mai wegen eines Befangenheitsantrages unterbrochen.

Der NSU-Prozess ist wegen der nötigen Entscheidung über Befangenheitsanträge bis zum 14. Mai unterbrochen. Das sagte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl.

Vertreter türkischer Vereine demonstrierten Montagfrüh vor dem Gericht. "Chance für Gerechtigkeit" und "Wie konnten sie so viele töten" war auf Transparenten zu lesen.

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, äußerte in einem Zeitungsinterview die Erwartung eines strengen Urteils. "Wir hoffen, dass es zu Höchststrafen kommt. Und die Höchststrafe ist lebenslänglich", sagte Kolat der "Mitteldeutschen Zeitung". Das Verfahren solle auch die Verquickungen zwischen den Angeklagten und den Sicherheitsbehörden offenlegen.

"Historische Entscheidung"

Auch der Vorsitzende der Menschenrechtskommission im türkischen Parlament, Ayhan Sefer Üstün, drängte auf einen Schuldspruch. "Es ist nun an der Zeit zu zeigen, dass Taten von Extremisten wie dieser Neonazi-Gruppe nicht weiter straflos bleiben können", sagte er der türkischen Tageszeitung "Today`s Zaman". Das Gericht habe die Verantwortung, eine "historische Entscheidung" gegen Rassismus und Diskriminierung in der deutschen Gesellschaft zu treffen.

Medialer Auflauf

Das öffentliche Interesse an dem Prozess ist äußerst hoch. Zahlreiche Kamerateams mit Übertragungswagen berichteten bereits Montagvormittag live vom Gerichtsgebäude. Gegen 05.00 Uhr warteten schon einige Dutzend Menschen auf die Öffnung des Gebäudes, um einen Platz im Gerichtssaal zu bekommen.

Die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe muss sich vor dem Oberlandesgericht München im sogenannten NSU-Prozess als Mittäterin an allen Verbrechen der rechtsextremen Terrorzelle verantworten. Dazu gehören die Morde an neun türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern sowie einer deutschen Polizistin. Außerdem stehen vier mutmaßliche Helfer in München vor Gericht. Mit Aktendeckeln und Kapuzen schützten sich zwei von ihnen vor dem Blitzlichtgewitter der Fotografen.

Beate Zschäpe ohne Handschellen

Beate Zschäpe wurde ohne Handschellen in den Gerichtssaal geführt und unterhielt sich mit ihren Anwälten. Sie trug einen schwarzen Anzug und eine weiße Bluse. Mit verschränkten Armen betrat sie den Saal und machte einen gefassten Eindruck. Sie vermied jedoch den Blick in die Kameras. Die 38-Jährige war in einem schwarzen gepanzerten Wagen zum Gericht gefahren worden.

Monster-Verfahren

Rund 80 Angehörige und Opfer treten als Nebenkläger auf, sie werden von rund 60 Anwälten vertreten. Wie viele von ihnen zum Prozess kommen, war zunächst unbekannt. Das Verfahren gilt als eines der bedeutendsten in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Der Prozess vor dem Staatsschutzsenat dürfte deshalb zwei Jahre oder länger dauern.

Der Prozessbeginn hatte sich um knapp drei Wochen verzögert, nachdem das deutsche Bundesverfassungsgericht Korrekturen bei der Vergabe der Journalistenplätze verlangt hatte. Zunächst waren nämlich türkische Medien bei der Vergabe der Plätze nach dem Prinzip "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" leer ausgegangen.

Erstes Störfeuer der Verteidigung

Richter Manfred Götzl eröffnete den Prozess mit rund halbstündiger Verspätung. Diese Zeit gaben Götzl und seine sieben Richterkollegen den Pressefotografen und Kameraleuten, um Bilder von den Angeklagten zu machen. Zschäpe, mit schulterlangem, vollem dunklem Haar, machte zumeist ein ernstes Gesicht. Sie verfolgte die Verhandlung gestützt auf einen Ellbogen, ließ sich das Geschehen von ihren drei Anwälten erklären und blickte zeitweise zu den überlebenden Opfern und den Hinterbliebenen der Ermordeten.

Mit einem Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Götzl sorgten Zschäpes Verteidiger knapp eine halbe Stunde nach Verhandlungsbeginn für ein erstes Störfeuer. Als Begründung führten sie an, Götzl habe eine eingehende Durchsuchung der Verteidiger vor dem Betreten des Gebäudes angeordnet, den übrigen Prozessbeteiligten diese Prozedur aber erspart. Der Richter unterbrach daraufhin die Sitzung für Beratungen, ließ sie jedoch nach wenigen Minuten fortsetzen. Die Anklage wollte am Nachmittag zum Antrag Stellung nehmen.