Niederösterreich

70 Mal Stelle angeboten! Kein Kinderarzt in St. Pölten

Der Ärztemangel in St. Pölten und Bezirk ist ein großes Problem: Nur ein Lungenarzt behandelt 28.000 St. Pöltner, ein Kinderarzt wird verzagt gesucht.

Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig und Bürgermeister Matthias Stadler
Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig und Bürgermeister Matthias Stadler
SP NÖ

Wie dramatisch die Lage für rund 190.000 Niederösterreicher in St. Pölten und im Bezirk Sankt Pölten-Land bezüglich medizinischer Versorgung im niedergelassenen Bereich ist und noch wird, zeigten St. Pöltens Stadtchef Matthias Stadler (SP) und Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SP) am Dienstag schonungslos auf.

"60 % gehen bald in Pension"

„60 Prozent der Allgemeinmediziner gehen in den nächsten zehn Jahren in Pension. Eine Kinderarzt-Stelle etwa haben wir über 70 Mal ausgeschrieben - ohne eine einzige Bewerbung“, sagt der St. Pöltner Bürgermeister. Es gibt derzeit keinen Kinderarzt in St. Pölten und nur einen einzigen Kinderkassenarzt im ganzen Bezirk. Oder: Nur ein Lungenfacharzt würde 28.180 Menschen in Sankt Pölten versorgen.

"Zwar konnte mit einer als Beispiel dienenden Lösung in Verbindung mit dem PVZ St. Pölten-Harland die Lage jüngst etwas entspannt werden, dennoch muss das Angebot grundsätzlich ausgebaut und langfristig sichergestellt werden. Gleiches gilt zum Beispiel auch für die Augenheilkunde. Wartezeiten von bis zu vier Monaten für einen Augenarzt-Termin sind einfach inakzeptabel“, betont Stadler.

Lückenhafter Wochenenddienst

Die weitere Zuspitzung der Versorgungsituation sei im Anrollen, meinte der SPÖ-Politiker: „Vor allem die fehlenden Nachbesetzungen der Kassenstellen in den Umlandgemeinden der Landeshauptstadt üben verstärkten Druck auf die Ordinationen im Stadtgebiet, aber auch auf die Nachbargemeinden aus. Dies gipfelt aktuell im zunehmenden Aufnahmestopp neuer Patienten bei den Kassenärzten in der Stadt", so Stadler. Zudem häuften sich die Beschwerden der Menschen aus der Region über den lückenhaften kassenärztlichen Wochenend- und Feiertagsdienst am Tag, vor allem an Sonn- und Feiertagen.

Die Stadt habe zuletzt deshalb auch eine Resolution an den Bund gerichtet, in der die verstärkte Ausbildung von MedizinerInnen und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen gefordert worden seien. Als Antwort aus dem Gesundheitsministerium sei lediglich zurückgekommen, dass „von einem Ärztemangel oder von Versorgungsengpässen in Österreich keine Rede sein“ könne, zeigte sich Stadler über diese Aussagen verwundert.

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    Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig und Bürgermeister Matthias Stadler
    Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig und Bürgermeister Matthias Stadler
    SP NÖ

    In dieselbe Kerbe schlägt Gesundheitslandesrätin Königsberger-Ludwig: „Der niedergelassene Gesundheitsbereich wird grundsätzlich zwischen Sozialversicherung und Ärztekammer geregelt. In quartalsweisen Stellenplangesprächen zwischen diesen beiden Institutionen wird die Besetzung der Kassenstellen festgelegt. Da es bei diesem Prozess nach dem Gesetz keine zugedachte Rolle für andere Systempartner gibt, liegt es primär an den Krankenversicherungsträgern, attraktive Angebote zu schaffen und gemeinsam mit der Ärztekammer möglichst viele ÄrztInnen in das kassenärztliche System zu bringen“, stellt Königsberger-Ludwig unmissverständlich klar.

    Versorgung in Gefahr

    Falls die vorhandenen Mechanismen jedoch nicht mehr greifen würden, müssten regulierende Maßnahmen seitens der verantwortlichen Politik gesetzt werden. Es gäbe zwischenzeitlich genügend Vorschläge, wie man dem Kassenärztemangel entgegenwirken könnte, merkte Königsberger-Ludwig an. „Auch wissen wir mittlerweile, dass die Maßnahmen gegen den Kassenärztemangel, welche die Mehrheitspartei in diesem Land in der jüngeren Vergangenheit gesetzt hat, nicht reichen“, verdeutlicht Königsberger-Ludwig.

    Ulrike Königsberger-Ludwig sieht die Versorgung in einigen Gemeinden ernstlich in Gefahr: „Die Landarzt-Garantie von Landeschefin Mikl-Leitner greift nicht.“ Die SP-Frau plädiert für die Wiedereinführung des Gemeindesarztes, mehr PVZs und Gruppenpraxen.

    "Es ist 5 nach 12!"

    Denn so die beiden SP-Politiker unisono: „Bezüglich Kassenarztstellen ist es in Wahrheit bereits fünf nach zwölf.“

    Zur Verdeutlichung: 1 Allgemeinmediziner versorgt 2.168 Menschen in St. Pölten und 2.139 Menschen im Bezirk. Ein Lungenfacharzt versorgt 28.180 Menschen in St. Pölten, ein Frauenfacharzt versorgt 22.438 Menschen im Bezirk.

    Ärzte in Sankt Pölten:
    235 Ärzte
    Allgemeinmedizin: 26 mit Kassenvertrag, 24 ohne, 19 Vorsorgeärzte
    Kinder- und Jugendheilkunde: Null
    Lungenfacharzt: 2 mit Kassenvertrag, 1 ohne Kassenvertrag
    Urologie: 4
    Ärzte im Bezirk St. Pölten-Land:
    248 niedergelassene Ärzte
    Allgemeinmediziner: 62 mit Kassenvertrag, 45 ohne, 24 Vorsorgeärzte
    Radiologie: Null
    Kinderartz: 1 mit Kassenvertrag, 8 ohne Kassenvertrag, 1 Vorsorgearzt
    Urologie: Null
    Lungenfacharzt: Null mit Kassenvertrag, 3 ohne, 1 Vorsorgearzt