Österreich

Top-Verdiener aus NÖ: "Ich habe 700.000 € Schulden"

Der Niederösterreicher Michael S. (55) steht vor den Trümmern seiner Existenz. Er ist hoch verschuldet und hat den Kontakt zu seinen Kindern verloren.

Christine Ziechert
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Ex-Croupier Michael S. (55) mit Anwältin Julia Andras von LGP Rechtsanwälte
Ex-Croupier Michael S. (55) mit Anwältin Julia Andras von LGP Rechtsanwälte
Sabine Hertel

"Ich steh' vor den Trümmern meines Lebens", erklärt Michael S. ganz offen im Gespräch mit "Heute". Der 55-jährige Ex-Croupier war 20 Jahre lang in der Glücksspiel-Branche tätig – zuerst bei den Casinos Austria, später bei freien Anbietern. Laut eigener Aussage verspielte er insgesamt eine halbe Million Euro. Heute ist der Niederösterreicher hoch verschuldet, geschieden und hat keinen Kontakt zu seinen erwachsenen Kindern. 

"1989 habe ich bei den Casinos Austria als Croupier angefangen. Damals hat auch meine Spielsucht bei anderen Glücksspiel-Anbietern begonnen. Bei den Casinos Austria wäre mir das nie passiert, da hast du sofort eine Sperre oder andere Konsequenzen", erinnert sich Michael S. "Einmal habe ich in einer Nacht eine Million Schilling verloren. Ich habe immer sehr gut verdient, aber irgendwann geht es sich nicht mehr aus. Ich habe noch immer rund 700.000 Euro Schulden", erzählt der 55-Jährige. Auch beim Online-Glücksspielanbieter "Mr. Green" verspielte Michael S. 69.000 Euro. Wie "Heute" berichtete, ist er nicht der Einzige.

"Ich bin übelst betrogen worden, das war der Grund für meinen Ausstieg. Irgendwann machst du einfach einen Strich" – ehemaliger Spielsüchtiger Michael S.

2012 verabschiedete sich der Niederösterreicher komplett aus der Branche: "Ich bin übelst betrogen worden, das war der Grund für meinen Ausstieg. Irgendwann machst du einfach einen Strich", meint Michael S. Ein Bekannter gab ihm schließlich den Tipp, dass Verluste bei Online-Glücksspielanbietern (einzige Ausnahme: "win2day.at" sowie Sportwetten, Anm.) eingeklagt werden können. 

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    Instagram, privat

    Michael S. wandte sich daraufhin an Julia Andras von LGP Rechtsanwälte: "Es gibt in Österreich ein Glücksspiel-Gesetz, das heißt Anbieter benötigen eine österreichische Glücksspiel-Konzession. Diese haben in Österreich derzeit nur die Casinos Austria, die das Portal 'win2day.at' betreiben. Andere Anbieter wie 'Mr. Green' haben nur Lizenzen anderer Länder, aber keine österreichische Konzession. Somit ist jeder Vertrag, der mit einem konzessionslosen Anbieter abgeschlossen wurde, so zu behandeln, als wäre er nie abgeschlossen worden, er ist nichtig. Es gibt dazu zig Entscheidungen vom Obersten Gerichtshof. Spielverluste können daher mit einer Verjährungsfrist von 30 Jahren zurückgeklagt werden", erklärt Andras.

    Klage gegen "Mr. Green" war erfolgreich

    2018 reichte Michael S. mit Hilfe der Wiener Kanzlei Klage gegen "Mr. Green" ein – mit Erfolg. "Wir konnten 55.000 Euro durch Überweisungen vom Konto nachweisen und daher einklagen. Die restlichen 14.000 Euro werden wir aber sicher auch noch bekommen", meint Andras. Das Problem: Die meisten Anbieter zeigen sich bei der Exekution kooperativ, "Mr. Green" laut Andras jedoch nicht: "Hier werden Urteile ignoriert, die eingeklagte Summe einfach nicht bezahlt – das grenzt an Rechtsmissbrauch. Über einen Zahlungsdienstleister konnten wir einen Teil der abgebuchten Summe sicherstellen. Sobald 'Mr. Green' davon Wind bekommen hat, wurde der Vertrag mit dem Zahlungsdienstleister sofort gekündigt." 

    Damit Michael S. doch noch zu seinem Geld kommt, musste Andras zu anderen Mitteln greifen: "Online-Casinoanbieter haben ihren Sitz oft in Gibraltar oder – wie im Fall von 'Mr. Green' – in Malta. Wir haben daher einen Antrag auf europäische Kontenpfändung in Malta gestellt. Die maltesischen Behörden haben sich bereits bei uns gemeldet", meint die Juristin. Die Kanzlei arbeitet zudem mit Business Intelligence Unternehmen zusammen: "Diese versuchen, Vermögenswerte auszuforschen und Geldflüsse nachzuverfolgen. Oft stellt sich ja die Frage: Wo kann man auf Vermögen zugreifen?", berichtet Andras. 

    "Ich habe wirklich lange überlegt, ob ich klagen soll. Der Hauptgrund war dann nicht das Geld, sondern, dass man gegen diese Anbieter vorgeht. Das Glücksspiel gehört geregelt." - Michael S.

    Neben dem juristischen spielt auch der finanzielle Aspekt eine Rolle. Denn viele Spielsüchtige können sich keinen Anwalt oder gar einen Prozess am Landesgericht für Zivilrechtssachen leisten: "Wir haben daher eine Spielerschutz-Initiative laufen. Gemeinsam mit Unternehmen unterstützen wir Klienten, diese tragen somit kein Risiko. So können wir jedem zu seinem Recht verhelfen, der einen Verlust erlitten hat. Wird der Prozess gewonnen, erhalten die Prozesskosten-Finanzierer dann 30 bis 35 Prozent der Klagssumme."

    Auch für Michael S. war die Prozess-Finanzierung eine "Riesenhilfe", wie er meint: "Mir wäre es sonst nicht möglich gewesen, mein Recht einzufordern." Gleichzeitig stellt der 55-Jährige aber klar: "Ich habe wirklich lange überlegt, ob ich klagen soll. Der Hauptgrund war dann nicht das Geld, sondern, dass man gegen diese Anbieter vorgeht. Das Glücksspiel gehört geregelt."

    "Da kommt eine Klagswelle auf die Anbieter von Online-Glücksspiel zu" - Rechtsanwältin Julia Andras

    Derzeit betreuen LGP Rechtsanwälte rund 30 laufende Verfahren, Tendenz steigend: "Die Anbieter spielen mit der Sucht ihrer Kunden, es ist ein niederträchtiges Business. Während der Pandemie gab es einen 65-prozentigen Anstieg beim Online-Glücksspiel. Da kommt eine Klagswelle auf die Anbieter zu", prognostiziert Andras. 

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