Österreich

Abbiegeassistenten: Kritik an "überhasteter Aktion"

Ab 1. Jänner 2021 dürfen LKW über 7,5 Tonnen nur noch mit Abbiegeassistenten in Wien unterwegs sein. Die Wirtschaftskammer reagiert verärgert.

Heute Redaktion
Teilen
Spätestens bis Ende des Jahres müssen LKW über 7,5 Tonnen Gesamtgewicht, die in Wien unterwegs sind, mit elektronischen Abbiegehelfern ausgerüstet sein.
Spätestens bis Ende des Jahres müssen LKW über 7,5 Tonnen Gesamtgewicht, die in Wien unterwegs sind, mit elektronischen Abbiegehelfern ausgerüstet sein.
Bild: Helmut Graf

Ende April tritt in Wien eine neue Verordnung in Kraft, nach der Lastwagen mit einem Gesamtgewicht über 7,5 Tonnen nur noch mit Abbiegehelfern unterwegs sein dürfen. Die Übergangsfrist läuft bis 31. Dezember 2020.

Auslöser war der tragische Unfall vor einem Jahr, bei dem ein neunjähriger Bub am Scooter auf dem Weg in die Schule bei der Petrusgasse (Landstraße) von einem LKW überrollt worden war und verstarb. Um solche Unfälle künftig zu vermeiden, bastelte die Stadt an einer Verordnung zu elektronischen Abbiegeassistenten für die Brummis. Wie Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Birgit Hebein (Grüne) nun bekannt gab, ist diese nun fertig.

Ab Ende 2020 Fahrverbot für Brummis ohne Abbiegehelfer

"Der Verordnungsentwurf liegt jetzt vor, ist bei der EU-Kommission zur Notifizierung und Ende April, wenn alles klappt, verordnet", so Hebein. Bis Ende des Jahres gilt eine Übergangsfrist für die Nachrüstung, ab 1. Jänner wird von der Polizei kontrolliert. Gelten wird die Verordnung im gesamten Stadtgebiet mit Ausnahme der Autobahnen. Ausgenommen sind auch Busse, da diese durch die größeren Fenster und durchsichtigen Türen weniger Risiko darstellen würden.

In der Verordnung wird auch vorgeschrieben, wie das System des Abbiegeassistenten gestaltet sein muss. Ein System mit Kamera und Monitor alleine reicht nicht aus, es müssen zwingend auch optische (Warnlicht) oder akustische Signale (Piepston) inkludiert sein. Vorgaben, ob das System auf Ultraschall oder der Berechnung von Lichtlaufzeiten beruht, gibt es nicht. Auf Rückfrage verweist das Büro Hebein auf die Förderkriterien des Verkehrsministeriums für Abbiegeassistenten.

"Umrüstung in so kurzer Zeit gar nicht möglich"

Heftige Kritik an der Verordnung übt der Obmann der Fachgruppe Transporteure in der Wiener Wirtschaftskammer, Wolfgang Böhm. "Es geht nicht darum, dass wir die Maßnahme verweigert. Wir sind sehr für Sicherheit. Allerdings finden wir diese Verordnung überhastet. Eine Umrüstung aller LKW ist in dieser kurzen Zeit einfach nicht möglich", so Böhm zu "Heute".

Übereilt sei die Maßnahme auch, weil noch gar nicht feststünde, welche Abbiegeassistenten als EU-konform eingestuft würden. "Die EU hat den Beschluss gefasst, bis 2022 Geräte zur Typisierung freizugeben. Gesetzlich vorgeschrieben werden diese dann ab 2024", so Böhm.

Für die Wiener Frächter könnte daraus das Problem entstehen, dass sie nun bis Ende des Jahres Abbiegeassistenten einbauen – pro Gerät liegen die Preise zwischen 2.500 und 4.500 Euro – und dann in Gefahr laufen, dass diese als nicht EU-konform wieder ausgetauscht werden müssten. "Noch einmal: Wir verwehren uns nicht gegen diese Geräte, aber wir brauchen vernünftige Lösungen", so Böhm.

"Niemand fährt mit dem LKW zu seiner Oma"

Nicht nachvollziehen kann Böhm auch, warum die Verordnung in ganz Wien gelten müsse. Über 60 Prozent aller LKW-Fahrten erfolgten im Nahverkehr, jene die von weiter her kommen, würden die Industriezentren am Stadtrand anfahren. "Wir liefern Waren des täglichen Lebens. Niemand fährt mit dem LKW zum Besuch bei seiner Oma", so Böhm.

Um ihre Argumente vorzubringen, habe man sich um einen Termin bei Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bemüht. Daraus wurde nichts, stattdessen flatterte dem Fachverband später ein Schreiben ins Haus, worin Ludwig die Verordnung für die Abbiegeassistenten mit Oktober ankündigt. Nun wurde der Stadtchef wohl von seiner eigenen Vizebürgermeisterin überholt.