Politik

Abrechnung mit Kanzler im ORF: "Das wird ihn begleiten"

Das Skandal-Video von Bundeskanzler Karl Nehammer schlägt weiter Wellen. Und es werde dem Kanzler lange nachhängen, sagt nun eine Polit-Expertin.

Rene Findenig
Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle und die Direktorin der Diakonie, Maria Katharina Moser, in der ORF-"ZIB2".
Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle und die Direktorin der Diakonie, Maria Katharina Moser, in der ORF-"ZIB2".

Ein laut ÖVP Salzburg von einem Gast gefilmte Kanzler-Rede vor Partei-Funktionären in Hallein wird zur Polit-Katastrophe für Karl Nehammer (ÖVP). Der Kanzler stieß mit seinen Worten zahlreiche Personengruppen vor den Kopf, von Arbeitslosen und dem AMS über Familien und alleinerziehende Mütter bis hin zu armutsgefährdeten Bürgern und Gewerkschaften. In dem über sechs Minuten langen Clip, den der filmende Gast angeblich aus lauter Begeisterung über die Kanzler-Worte breit an Familie und Freunde verschickte, empfahl Nehammer etwa Eltern mit wenig Geld, ihren Kindern Hamburger und Pommes von McDonald's zu kaufen. "Wenn i z'wenig Göd hab', geh i mehr arbeiten", so Nehammer zudem über teuerungsgeplagte Bürger.

"Wir haben 300.000 und irgendwas Arbeitslose (...) Wir haben nicht nur Unwillige, sondern auch viele, die werden im Leben nie arbeiten, weil da haben die Unternehmer keine Freude damit!", bekamen auch Arbeitslose die Wut des Kanzlers zu spüren. Im Netz sorgten die Worte für einen Sturm der Entrüstung, und auch die politischen Reaktionen fielen heftig aus. "In diesem Video sehen wir aber einen Bundeskanzler, der die Leute für etwas verachtet, das nur er ganz direkt und persönlich zu verantworten hat", so SPÖ-Chef Andreas Babler. "Was diese Frauen nicht verdienen, ist Hohn und Spott von Politikern, die selbst nie in dieser Position waren", so Grünen-Ministerin Alma Zadic zu den Kanzler-Worten über alleinerziehende Mütter.

"Das Video wird ihn sicher begleiten"

Nehammer selbst reagierte erst Stunden später auf die entsetzten Wortmeldungen und ließ eine Distanzierung aus. "Ich stehe dazu, dass sich Leistung lohnen muss und ich stehe auch dazu, dass Eltern eine Fürsorgepflicht für ihre Kinder haben. Ich bleibe dabei, dass Selbstbestimmung und Eigenverantwortung wichtig sind", so der Kanzler. Er habe "einige Themen angesprochen, die ich für wichtig halte", so Nehammer, und er lasse sich "Österreich nicht schlechtreden". Mit Kritik sparten am Donnerstagabend in der besten Sendezeit aber dann zwei Expertinnen nicht. Im ORF-"ZIB2" traten bei Moderatorin Margit Laufer die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle und die Direktorin der Diakonie, Maria Katharina Moser auf.

Das Video entspräche laut Stainer-Hämmerle nicht "seinem Anspruch, alle Menschen in Österreich vertreten zu wollen" und auch "die Polarisierung nicht weiter anzuschüren". Das Gesagte und die massive Kritik daran bedeute aber auch nicht automatisch, dass es Nehammer unbedingt als Wahlkämpfer schaden müsse, so die Expertin, denn es gehe der ÖVP nicht darum, eine breite Wähler-Schicht anzusprechen, sondern "eine Gruppe zu mobilisieren". Wenn er diese 30 Prozent mobilisieren könne, wäre Platz 1 bei der Wahl drinnen, so Stainer-Hämmerle. "Er hat jetzt eigentlich umgeschaltet als Wahlkämpfer", so die Expertin, und er greife Gruppen in der Bevölkerung an, "teils sehr negativ" und mit Täter-Opfer-Umkehr.

Vor allem Reaktion der FPÖ werde noch spannend

Gleichzeitig werfe Nehammer anderen vor, das Land schlechtreden zu wollen, so die Expertin. Es sei nun natürlich  berechtigt, den Kanzler zu kritisieren, "dieses Video wird Karl Nehammer sicher begleiten", so Stainer-Hämmerle. Und es sei ein gefundenes Fressen für die anderen Parteien. Interessant sei, wie die FPÖ reagiere, denn der Wähleraustausch zwischen ÖVP und FPÖ sei brisant. Die FPÖ versuche nicht mehr, zwischen links und rechts zu kampagnisieren, sondern nach oben und untern, deswegen werde das Video der FPÖ in die Hände spielen. Unter ÖVP-Wählern könnte es den Rückhalt für den Kanzler aber sogar stärken, weil man sich den Kanzler nicht abschießen lassen wolle. 

Diakonie-Direktorin Moser "tut das im Herzen weh", was Nehammer gesagt hatte. In der Diakonie unterstütze man Menschen in sozialen Krisen und Frauen als Alleinerzieherinnen ohne jegliche personelle und finanzielle Unterstützung würden sich die letzten Reste zusammensparen und alles Menschenmögliche für ihre Kinder tun – und sich nur wünschen, dass Politiker auch nur einen Tag in ihrer Haut stecken würden. Die dramatische Situation liege laut Moser daran, dass es zu wenig Plätze für Kinderbetreuung gebe, "die Frauen haben keine Chance", besonders am Land sei es schwer, eine geeignete Kinderbetreuung zu bekommen, um mehr arbeiten zu können.

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    Bundeskanzler Karl Nehammer und die ÖVP haben am Dienstag ihre Herbstkampagne der Öffentlichkeit präsentiert. 
    Bundeskanzler Karl Nehammer und die ÖVP haben am Dienstag ihre Herbstkampagne der Öffentlichkeit präsentiert.
    Helmut Graf

    Die Bundesregierung habe das alles selbst erkannt, deswegen würden nun MIlliarden in die Hand genommen – aber Moser könne nicht verstehen, warum man den Frauen etwas anlaste, für das sie nichts könnten. Dass man in Österreich keine Armut sehe, diese Aussage bewertete Moser als extrem zynisch. Natürlich sehe man Armut nicht in der Gesellschaft, weil man sich als Armutsbetroffener verstecke, so Moser. Dennoch müsse man hinsehen statt hinschlagen, jedes Kind in Armutsgefährdung sei "eines zu viel". Statt Menschen mit Armutserfahrungen zu beschämen, müsse die Politik handeln und ihnen helfen. So aber sei es eine "Selbstaufgabe der politischen Gestaltung", so Mosers Abrechnung.

    Burger King macht sich über Kanzler-Worte lustig

    Randnotiz an einem anderen Schauplatz: Über den Burger-Sager von Nehammer macht sich mittlerweile auch McDonald's-Konkurrent Burger King lustig. "Hey Karl, du warst wohl schon lange nicht mehr bei Burger King… was N’ hammer Preis! Jetzt den 1+1 Coupon in der App holen", so der Fast-Food-Gigant auf Facebook. Darunter prangt folgendes Bild: