Politik

Achselzucker ersetzen Kanzler im Pressefoyer

Heute Redaktion
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Die Regierung macht sich an die Reform des Pressefoyers. Nicht mehr nur Kanzler und Vizekanzler werden sich nach dem Ministerrat allwöchentlich den Fragen der Medien stellen, sondern auch die für einzelne Themen zuständigen "Spiegelminister". Ob es dem "neuen Stil" der Regierung geschuldet ist, oder doch den schlechten öffentlichen Imagewerten, blieb unbeantwortet. Reibungslos funktioniert das Ganze jedenfalls noch nicht.

Die Regierung macht sich an die Reform des Pressefoyers. Nicht mehr nur werden sich nach dem Ministerrat allwöchentlich den Fragen der Medien stellen, sondern auch die für einzelne Themen zuständigen "Spiegelminister". Ob es dem "neuen Stil" der Regierung geschuldet ist, oder doch den schlechten öffentlichen Imagewerten, blieb unbeantwortet. Reibungslos funktioniert das Ganze jedenfalls noch nicht.

Seit Bruno Kreisky haben sich alle Kanzler allwöchentlich nach dem Ministerrat den Fragen der Medien gestellt. Werner Faymann bricht nun mit der Tradition und will öfters Schweigen. Künftig sollen "anlassbezogen" auch die Minister der Regierung vor die Presse treten. Konkret zu verkünden hatten und Wolfgang Brandstetter (ÖVP) bei der Premiere am Dienstag aber nichts.

Die wöchentliche Pressekonferenz des Regierungschefs ist ein über 40 Jahre altes Ritual: Seit Bruno Kreisky 1971 das "Pressefoyer" nach dem Ministerrat einführte, stellten sich alle Regierungschefs mehr oder weniger bereitwillig den Fragen der Medien, seit Schwarz-Blau ist auch der Vizekanzler dabei.

Stöger und Brandstetter eher "schmähstad"

Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger wollen die langjährige Tradition nun in dieser Form beenden: Künftig sollen die für einzelne Sachthemen zuständigen rot-schwarzen Minister-Duos auftreten und mitreden. Gesundheitsminister Stöger und Justizminister Brandstetter machten den Anfang, hatten aber noch nicht viel zu sagen. Konkrete Beschlüsse aus der Regierungssitzung gab es nämlich nicht zu verkünden.

Stattdessen berichtete Stöger noch einmal über die kürzlich vorgestellte Impfkampagne gegen Masern, über das Brustkrebsscreening oder das Jubiläum "40 Jahre Mutter-Kind-Pass". Beim Thema Prävention hakte dann auch Justizminister Brandstetter ein: Diese sei auch in seinem Bereich notwendig, um Jugendliche vor dem Abrutschen in die Kriminalität zu bewahren und die Task Force Jugendstrafvollzug sei "gut unterwegs".

Brandstetter: "Bin die falsche Adresse"

Begründet wurde die neue Inszenierung von Stöger dann damit, dass die Regierung ihren "neuen Stil" auch präsentieren wolle. Man habe vereinbart, dass jedes der gut ein Dutzend "Spiegelminister"-Duos zumindest einmal auftreten werde. In welcher Frequenz sei noch offen.

Auf die "Enttäuschung" der anwesenden Journalisten bereits eingestellt hatte sich Brandstetter, wie er meinte - zumal er in der Fragerunde gleich eingestehen musste, dass er etwa zu einer allfälligen Obmanndebatte in der ÖVP nicht Stellung nehmen könne: "Dazu kann ich als Justizminister überhaupt nichts sagen, da bin ich die falsche Adresse."

Wer vor die Presse tritt, wird kurzfristig entschieden

Ob kommende Woche wieder Kanzler und Vizekanzler vor die Medien treten, ist noch unklar. Im Kanzleramt hieß es dazu, dass die "Spiegelminister" das Pressefoyer bestreiten, werde wohl "eher die Ausnahme sein".

Im Büro Spindeleggers wurde die Neuerung ebenfalls mit dem "neuen Stil" der Regierung begründet. Ob die jeweiligen Fachminister oder Bundes- und Vizekanzler das Pressefoyer bestreiten, werde wöchentlich entsprechend der Tagesordnung des Ministerrats entschieden.

Seite 2: Die Geschichte des Pressefoyers - von Kreisky bis Faymann!

Bruno Kreisky präsentierte sich - ganz Sonnenkönig - umringt von Journalisten. Als erster Bundeskanzler erkannte er die Chance der Medieninszenierung und empfing ab 1971 die Medien im Ecksalon des Kanzleramts. Höfliche Fragen ließ er sich gefallen, vorlaute Medienleute wurden abgekanzelt. Legendär sein Sager im Frühjahr 1981: "Lernen Sie ein bisschen Geschichte, dann werden Sie sehen, Herr Reporter, wie das in Österreich sich damals im Parlament entwickelt hat."

Fred Sinowatz schätzte die Nähe der Medien weniger - er ging auf Distanz und legte sein Foyer am Tisch im kleinen Ministerratssaal als formelle Pressekonferenz an.

Franz Vranitzky setzte ab 1986 wieder auf das Kreisky'sche "Stehfoyer" - auch wenn ihm die Nähe der Medienvertreter und vor allem ihre Fragen mitunter hörbar auf die Nerven gingen. Als er 1995 einen mit Fragen zum Sparpaket nervenden ORF-Journalisten unwirsch in die Schranken wies ("Ich akzeptiere Ihre Frage nicht"), berichteten Medien, es sei für ORF-Journalisten an sich üblich, derartige Fragen vorher mit dem Kanzler-Sprecher abzuklären.

Auch Vranitzkys Nachfolger Viktor Klima setzte Anfangs auf das "Stehfoyer", bereitete dem Kreisky'schen Ritual - beraten von seinen berüchtigten "Spin-Doktoren" - aber 1998 ein Ende. Gefragt war ab nun die vermeintlich perfekte Fernseh-Inszenierung: Klima verlegte seinen Auftritt in den Kongresssaal des Kanzleramts und baute sich fortan hinter einem Stehpult auf - eine rote Kordel sorgte für Distanz zu Journalisten und Kameras. Eine Wahlniederlage später war Viktor Klima Geschichte - das Stehpult überlebte.

Im Februar 2000 brachte die schwarz-blaue Koalition ein Novum: Kanzler und Vizekanzler traten erstmals gemeinsam auf - zuvor hatten sich die Koalitionspartner mit eigenen Pressekonferenzen vor oder nach dem Kanzler bescheiden müssen. ÖVP und FPÖ wollten mit dem "Doppelfoyer" sowohl den "Schulterschluss" gegen die EU-Sanktionen als auch die neue Harmonie nach dem großkoalitionären Gezänk demonstrieren.

Unterbrochen wurden die gemeinsamen Pressekonferenzen nur, als der FP-intern unter Druck geratene Vizekanzler Herbert Haupt seine Auftritte im September 2003 ins Vizekanzleramt verlegte. Schüssel selbst reagierte auf ungenehme Fragen zwar mitunter recht barsch, stellte sich dem wöchentlichen Ritual aber trotzdem unverdrossen und gemäß seinem Motto: "Egal, was sie mich fragen, ich sage das, was ich mir vorgenommen habe zu sagen."

Auch nach der Neuauflage der Großen Koalition 2007 wurde das gemeinsame Pressefoyer beibehalten - zwischenzeitlicher Liebesentzug inklusive: Kanzler Alfred Gusenbauer und sein Vize Wilhelm Molterer traten anfangs gemeinsam vor die Medien, nach einem Konflikt um die Steuerreform bestand der SP-intern unter Druck geratene Gusenbauer auf getrennten Auftritten. Im März 2008 rauften sich SPÖ und ÖVP dann zwar wieder zusammen. Die beim "Neustart" vereinbarte neue Ministerrats-Inszenierung (gemeinsame Auftritte schon vor der Regierungssitzungen) war aber nur von kurzer Dauer, denn keine vier Monate später beendete Molterers "es reicht!" die Koalition.

Die Regierung Faymann kehrte dann wieder zum gemeinsamen Auftritt zurück: Zuerst - mit Vizekanzler Josef Pröll - sitzend an einem Tisch, dann - mit Michael Spindelegger - wieder an Stehpulten. Nun könnte der selbsterklärte "neue Stil" der Regierung der allwöchentlichen Pressekonferenz der Regierungsspitze überhaupt ein schleichendes Ende bereiten.