Wien

Ärztin: "Ich behandelte Patienten im Müllsack"

Als die Corona-Pandemie ausbrach, stand Hausärztin Naghme Kamaleyan-Schmied ohne Schutzausrüstung da. Um sich und Patienten vor dem Virus zu schützen, blieben ihr nur Müllsäcke.

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    Wiener Ärztin musste Patienten im Müllsack behandeln
    Wiener Ärztin musste Patienten im Müllsack behandeln
    Helmut Graf

    Freitag, 13. März. Pausenlos klingelt das Telefon in der Praxis von Dr. Naghme Kamaleyan-Schmied (42). Menschen strömen panisch in die Ordination in Wien-Floridsdorf. "Ich hatte am ersten Tag der Pandemie drei Mal so viele Patienten in der Ordi wie sonst." Einige haben Fieber, andere husten. Fast alle wollen sich auf Corona testen lassen.

    Desinfektionsmittel aus Brauerei

    Zu diesem Zeitpunkt steht die Allgemeinmedizinerin ohne ausreichend Schutzausrüstung im Behandlungszimmer. "Hausärzte haben beim Ausbruch der Pandemie null Schutzausrüstung bekommen." Kamaleyan-Schmied muss alles selbst organisieren. "Desinfektionsmittel holte ich aus einer Brauerei, für Handschuhe fuhr ich durch ganz Wien, um Restbestände zu kaufen." Eine Kollegin organisierte über einen Patienten Malerbekleidung aus einem geschlossenen Baumarkt, verteilte diese.

    "Meine Gesundheit ist ihnen nicht einmal einen Müllsack wert."

    Als gar keine Schutzausrüstung mehr verfügbar war – bastelte sich die Medizinerin welche. Aus Müllsäcken schnitt sich die Wienerin Kittel und OP-Hauben zurecht. "Drei Wochen lang habe ich Patienten in schwarzen Müllsäcken behandeln müssen." Die Ärztekammer und die Stadt Wien seien bemüht gewesen, hätten Mediziner wegen der Lieferengpässe aber erst viel später mit Schutzmasken ausgestattet. "Den Einkauf und die Verteilung hätte man auf Bundesebene regeln müssen."

    Von der Gesundheitskasse (ÖGK) und der Regierung ist Kamaleyan-Schmied enttäuscht. "Meine Gesundheit ist ihnen nicht einmal einen Müllsack wert. Sie haben uns Hausärzte ungeschützt an vorderste Front gestellt." Derzeit können sich Ärzte einmal pro Woche Schutzausrüstung abholen. "Einmal sind es Handschuhe, dann ein paar Masken. Wir sind dankbar für alles, was wir bekommen."

    In Hinblick auf eine zweite Welle wünscht sich Kamaleyan-Schmied, "dass es endlich genug Schutzbekleidung zum Arbeiten gibt" sowie einen Pandemiezuschlag für Ärzte, die gegen Covid-19 kämpfen. "Wir müssen uns vorbereiten, damit wir nicht ein zweites Mal in Müllsäcken dastehen."