Star-Experte! Als Spieler gewann Didi Hamann die Champions League,wurde Vizeweltmeister. Für "Sky" analysiert er Europas Top-Ligen. Für "Heute" nimmt der Deutsche Österreichs EM-Team unter die Lupe.
"Heute": Herr Hamann, welche Rolle spielt Österreich bei der EM?
Didi Hamann: "2016 war man der Geheimtipp, enttäuschte dann schwer. Alaba war mal hier, mal da, mal dort. Aber ich bin bereit, Österreich eine neue Chance zu geben. Wobei Alaba die Hauptpersonalie bleibt."
Wo sollte er spielen?
"In der Innenverteidigung, sonst auf der "Sechs". Er muss defensive Verantwortung haben. Spielt er als "Achter" oder "Zehner", schmälert das Österreichs Chancen auf ein Weiterkommen in der Gruppe. Alaba hat die letzten zehn Jahre nicht offensiv gespielt, war die letzten 18 Monate als Innenverteidiger herrvorragend."
Und als linker Verteidiger?
"Da ist er verschenkt, kann wenig am Spiel teilnehmen."
Wie gut ist Österreich?
"Der Kader gefällt mir unheimlich, hat Qualität. Kalajdzic hat die deutsche Bundesliga zerschossen, kann ein Star der EM werden. Er erinnert mich an Englands Peter Crouch. Sabitzer war bei Leipzig herausragend. Er sollte aber nicht auf der Seite spielen, sondern zentral, im Maschinenraum, wo er Einfluss auf das Geschehen nehmen kann. Vielleicht mit Alaba und Baumgartlinger gemeinsam. Ich sehe Sabitzer wie Goretzka, der ist Deutschlands wichtigster Mann."
Und Marko Arnautovic?
"Wo spielt der aktuell? China ist sicher keine Top-Liga. Wenn er bei der EM körperlich nicht voll über 70, 80 Minuten gehen kann, macht es wenig Sinn. Man muss ihm sagen, wenn es nicht reicht. Die Mannschaft steht über allen. Ist er fit, könnte ich ihn mir auch gut hinter Kalajdzic vorstellen."
Wo ist die ÖFB-Schwachstelle?
"In der Offensive ist mit Ausnahme von Onisiwo wenig Tempo im Kader. Das Spiel lebt von der Physis. Umso mehr Zweikämpfe Österreichs Team führt, umso größer wird die Gewinnchance. Und wenn du keine schnellen Spieler hast, solltest du vorne pressen. Hinten können sie alle laufen."
Wer sind die EM-Topfavoriten?
"Die Franzosen haben den besten Kader, der Weg zum Titel führt über sie. Portugal gefällt mir sehr gut. Auch die Belgier, aber sie haben hinten ein Geschwindigkeitsproblem. Für England kommt das Turnier um ein, zwei Jahre zu früh. Deutschland ist trotz Hummels-Comeback hinten nur Durchschnitt, auch vorne nicht top. Entscheidend wird aber etwas ganz anderes sein."
Was denn?
"Die Spieler der großen Nationen hatten in den letzten 18 Monaten ein Mammutprogramm, gehen am Zahnfleisch. Das ist eine wunderbare Gelegenheit für die Kleineren. Am Ende zählt der Wille. Österreich hat einige Mentalitätsspieler. 2016 schaffte es so Wales bis in das Halbfinale."
(Klaus Pfeiffer)