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Albaner wollen Handke Nobelpreis wegnehmen

Heute Redaktion
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Milosevic-Sympathisant Peter Handke erhält den Literaturnobelpreis. Auf Social Media herrscht Empörung, eine Petition fordert die Aberkennung des Preises.

Peter Handke (67), österreichischer Schriftsteller, wurde in Stockholm der Literaturnobelpreis verliehen. Er wurde von der Schwedischen Akademie für sein "einflussreiches Werk" ausgezeichnet. Handke wurde 1966 mit einer Schmährede gegen den bekannten Literaturzirkel Gruppe 47, der unter anderem auch Günter Grass angehörte, bekannt. Auch später polarisierte er mit seinen Werken.

Handke provozierte aber nicht nur literarisch. Während und auch nach dem Balkan-Konflikt sympathisierte Handke offen mit dem jugoslawischen Machthaber Slobodan Milosevic und verurteilte die Nato für ihre Luftschläge auf Gebiete des serbischen Regimes. Beim Tod Milosevic im Jahr 2006 hielt er für diesen gar eine Grabrede.

Petition zur Aberkennung des Preises

Dass Handke nun den Literaturnobelpreis erhalten hat, führte zu heftiger Kritik der albanischen und bosnischen Gemeinschaft auf Social Media. Der Ministerpräsident Albaniens, Edi Rama, schrieb auf Twitter: "Ich hätte nie gedacht, dass ich wegen einem Nobelpreis das Gefühl haben werde, kotzen zu müssen."

Zudem wurde eine Online-Petition lanciert, die verlangt, dass Handke der Preis wieder aberkannt wird. Der Initiant begründet dies folgendermaßen: "Peter Handke ist ein Verteidiger des Schlächters vom Balkan, Slobodan Milosevic. Eine Person, die ein solches Monster verteidigt, verdient nicht die geringste literarische Beachtung und schon gar keinen Nobelpreis."

In den ersten 21 Stunden haben bereits mehr als 14.000 Personen unterschrieben. Und in der Kommentarspalte äußern sich Teilnehmer, dass die Schwedische Akademie sich schämen müsste und dies der Reputation des Nobelpreises insgesamt schaden werde.

Stimmen aus der Schweiz

Shefqet Cakolli vom Albanischen Kulturverein Dardania ist ein klarer Befürworter der Petition. "Wir finden die Entscheidung des Nobelpreiskomitees ganz schlimm." Der Preis habe für die albanische Gemeinschaft nun keine Bedeutung mehr, wenn er Handke nicht aberkannt würde. "Es kann ja sein, dass er gute Geschichten schreibt, aber seine Haltung geht einfach nicht."

Dass der Hass zwischen Albanern und Bosniern auf der einen und Serben auf der anderen Seite aufgrund der Verleihung wieder aufflammen könnte, glaubt Cakolli nicht: "Es ist das Nobelpreis-Komitee, das uns mit der Verleihung beleidigt hat, nicht die Serben. Der Konflikt mit ihnen ist schon lange her. Wir sind nur auf das Komitee wütend."

"Es scheint alles vergessen zu sein"

Und Asan Jashari, Vertreter der albanischen Kommunität in der Gemeinde Ostermundigen, fragt: "Wie kann das sein? Es ist noch nicht einmal zwanzig Jahre her, als Handke Milosevic unterstützte." Und trotzdem sei Handke nun mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden. "Es ist, als ob die Welt nach so kurzer Zeit alles vergessen hätte." Darüber sei er sehr enttäuscht.

Dass die Verleihung Einfluss auf das heutige Verhältnis zwischen den Kulturen nehmen werde, glaubt er allerdings nicht: "Diese Sache ist nur eine kleine Sache im Vergleich zu den Dingen, die zwischen Albanern und Serben noch ans Licht gebracht werden müssen." Von der Petition verspricht er sich nicht allzu viel: "Ich bin Pessimist, ich erwarte davon keine Veränderungen. Dazu ist die Welt zu seltsam."

"Handke verdient den Preis"

Bei der serbischen Community sei die Verleihung bislang kein so großes Thema, sagt Dragan Gavric, Mitglied der Gemeinschaft der Serben. "Das wird vor allem in den europäischen Medien und in Social Media in Serbien thematisiert. Bei uns hier in der Schweiz aber nicht so." Er verstehe nicht, was die Initianten für ein Problem mit Handke hätten: "Handke ist Österreicher und nicht Serbe. Das ist politische Hetze."

Zwar habe Gavric kein Buch von Handke gelesen, ihn aber zweimal im Fernsehen gesehen. Denn als Handke in den 1990er-Jahren im ehemaligen Jugoslawien unterwegs gewesen sei, habe dieser dort mit den normalen Menschen gesprochen, ihnen finanziell geholfen. "Deshalb kennen ihn viele Serben. Er wird als Publizist und Humanist geschätzt. Er hat den Preis verdient. Die Politik hat damit nichts zu tun."