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"Frauen verdienen Brustkrebs"

Heute Redaktion
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Nur Minuten bevor Alek Minassian in Toronto zehn Menschen tötete, forderte er zur "Incel Rebellion" auf. Eine Erklärung in sieben Punkten.

Ein unbändiger Hass auf Frauen: Das war offenbar das Motiv des mutmaßlichen Attentäters von Toronto, Alek Minassian. Ein Hinweis, wonach seine Tat frauenfeindlich motiviert war, zeigt sich in einem Facebook-Beitrag des 25-Jährigen. Darin ruft er zu einer "Incel-Rebellion" auf.

Punkt 1: Unfreiwillig enthaltsam

Incel steht für "involuntarily celibate", "unfreiwillige Enthaltsamkeit". Als Incel fühlen sich vor allem Männer. Sie hätten gerne Sex, kriegen diesen aber nicht und machen dafür Frauen verantwortlich.

Punkt 2: Die Ironie

Ironischerweise wurde der Begriff "Incel" in den 1990er-Jahren von einer Frau kreiert. Sie hatte bis Mitte zwanzig keinen Sex, was sie auf ihr molliges, gedrungenes Aussehen zurückführte. Der Begriff Incel erschien ihr neutral und treffend zugleich, sie wollte damit Frauen und Männer ansprechen. Das ging nach hinten los. Immer mehr Männer besuchten ihre Seite "Alana's Involuntary Celibacy Project" und ließen sich über Frauen aus. "Ich aber wollte eine Bewegung ins Leben rufen, die für alle und jeden offen ist", sagt Alana (43). Mit Bedauern sagt die kanadische Managerin heute: "Ich kann die Schaffung des Begriffes Incel nicht rückgängig machen."

Punkt 3: "Femoids", "Chads" und "Stacies"

Weil Incel davon ausgehen, dass sie nie mit einer Frau schlafen können, betrachten sie Frauen als Feinde. Frauen bezeichnen sie als "Femoids", als menschliche Roboter, die auch als solche behandelt werden sollten. Sie teilen die Welt in "Stacies" und "Chads" auf, attraktive Frauen und Männer, die keine Probleme haben, Sexualpartner zu finden. "Die Incel-Rebellion hat bereits begonnen. Wir werden alle Chads und Stacies stürzen", schrieb Alek Minassian, der mit einem Lieferwagen in Toronto zehn Menschen, überwiegend Frauen, tötete, auf Facebook.

Punkt 4: Gefährliches Gedankengut

Man könnte die Incel als sexuell frustrierte, einsame Männer mit zu vielen Komplexen abtun, als eine Gegenbewegung zum Feminismus oder zur #MeToo-Debatte. Doch die Überzeugungen und Ansichten der Incel sind gefährlich. Das macht nicht nur das Attentat von Toronto deutlich. Incel gehen davon aus, dass sie ein Recht auf sexuelle Erfahrungen haben und Frauen ihnen dieses Recht gewähren müssen. Gleichzeitig sind alle sexuell aktiven Frauen in den Augen der Incel Huren. Incel sprechen sich für Gewalt an Frauen aus und rechtfertigen Vergewaltigung.

Punkt 5: Braincels und Inceltears

Incel-Gruppierungen zelebrieren ihren Hass auf das weibliche Geschlecht vornehmlich auf Reddit-Unterforen. Reddit hatte 2017 einen Kanal mit über 40.000 Mitgliedern geschlossen. Auf dem Unterforum /r/Braincels/ mit rund 17.000 Followern stößt man auf Aussagen wie "Frauen verdienen Brustkrebs", "Chads und Stacies tragen nichts zur Zivilisation bei, sie sind Tiere" oder "Frauen sollen uns in Ruhe lassen und sich ihre Löcher stopfen lassen, denn das ist die Aufrechnung davon, was sie als Menschen sind". Es gibt auf Reddit auch die Gruppierung /r/Inceltears. Ihre Mitglieder machen sich über die Incel lustig.

Punkt 6: Amokläufer als Vorbild

Der Held der Incel-Bewegung ist Elliot Rodger. Er tötete 2014 sechs Menschen bei einem Amoklauf in Santa Barbara, Kalifornien. "Eines Tages werden die Incel ihre wahre Stärke und Anzahl begreifen und das bedrückende, feministische System stürzen. Stell dir eine Welt vor, in der FRAUEN DICH FÜRCHTEN", schrieb der 22-Jährige in einem 137 Seiten langen Manifest, das er "Meine verdrehte Welt" nannte. "Es ist nicht fair", schreibt er darin, "für euch Mädchen war ich nie attraktiv, und ich weiß nicht warum, aber ich werde euch alle dafür bestrafen." Er könne "nicht jede einzelne Frau auf der Welt töten, aber ich werde eben die Mädchen angreifen, die alles vertreten, was ich am weiblichen Geschlecht hasse". Für die Incel, auch für den Attentäter von Toronto, war der 22-jährige Rodgers ein "supreme gentleman". Mit dem Amokfahrer von Toronto haben die Incel einen neuen Helden, den sie bereits feiern.

Punkt 7: Unter uns

Incel gibt es natürlich nicht nur in den USA oder in Kanada. "Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der eine Gruppe von Männern kooperiert und sich total vertraut. Jeder Mann bekommt eine Frau. Die Frauen werden gerecht verteilt. Es gibt Monogamie und Jungfrauenehe. Wenn ein Mann sexuelle Vielfalt will, geht er zu einer Prostituierten. Feministinnen würden in dieser Gesellschaft zu Prostituierten werden. Wenn ein Mann versucht, eine andere Frau zu verführen, wird er sofort getötet." Diese Sätze stammen von einem 26-jährigen kroatischen Studenten. Er hatte 2014 mit dem "Spiegel" gesprochen. (gux/20 Minuten)