Niederösterreich

Alle Stadträte von ÖVP – wieder legt sich Gericht quer

In Groß Gerungs (Bezirk Zwettl) wurden alle fünf Posten von der ÖVP besetzt. Zum zweiten Mal entschied nun der Verfassungsgerichtshof: Ungültig! 

Erich Wessely
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Hauptplatz in Groß Gerungs
Hauptplatz in Groß Gerungs
Jakob Winter / picturedesk.com

Die Stadträte-Aufteilung in der Waldviertler Gemeinde Groß Gerungs wurde erneut vom Verfassungsgerichtshof für ungültig erklärt - es muss eine Neuwahl der Stadträte und des Vizebürgermeisters erfolgen.

Rückblick: Die nach der Gemeinderatswahl vom Jänner 2020 in Groß Gerungs (Bezirk Zwettl) vorgenommene Aufteilung der Stadträte war überraschend vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) für ungültig erklärt worden und sorgte für einen Paukenschlag in der Politlandschaft. Alle fünf Posten waren in der Kommune bisher von der ÖVP besetzt, die beim Urnengang mit 68,11 Prozent die Absolute verteidigt hatte. Die Bürgerliste Germs sowie die FPÖ klagten und bekamen Recht.

SP und FP wollen Stadtratsposten

Bei der Kür von Stadträten und geschäftsführenden Gemeinderäten wird üblicherweise das sogenannte d'Hondtsche Verfahren angewendet. In Niederösterreichs Gemeindeordnung war dieses Wahlverfahren für die Gemeindevorstände allerdings nicht explizit angeführt. Von einer Zuteilung nach den von den jeweiligen Parteien erreichten Prozentwerten ausgegangen, würde sowohl der SPÖ als auch der FPÖ ein Stadtratsposten zustehen.

Der NÖ Landtag hatte daraufhin in seiner Sitzung am 19. November 2020 mit der erforderlichen Verfassungsmehrheit eine Gesetzesänderung beschlossen, die die Anwendung des d'Hondtschen Systems präzisieren soll.

"Unmissverständlich präzisiert"

„Aufgrund der juristischen Unklarheiten, die vergangenes Jahr nach der Wahl der Vorstandsmitglieder in Groß Gerungs zu einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs geführt haben, hat der NÖ Landesgesetzgeber im November 2020 sowohl die NÖ Gemeindeordnung als auch das NÖ Stadtrechtsorganisationsgesetz u.a. die diesbezüglichen Bestimmungen über die Mandatsaufteilung im Gemeindevorstand unter Berücksichtigung der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers angepasst", heißt es seitens des NÖ Gemeindebundes auf "Heute"-Anfrage.

Und weiter: "Demnach ist für die Aufteilung der Anzahl der geschäftsführenden Gemeinde- und Stadträte auf die im Gemeinderat vertretenden Wahlparteien in Niederösterreich jedenfalls das d'Hondtsche Verfahren heranzuziehen. Damit wurde die Mandatsaufteilung für den Gemeindevorstand bzw. den Stadtrat unmissverständlich präzisiert.“

Ausschnitt aus der Kundmachung der Gemeinde
Ausschnitt aus der Kundmachung der Gemeinde
Screenshot

Den Beschluss im Landtag vom Herbst vergangenen Jahres dürfte die Gemeindeführung in Groß Gerungs so ausgelegt haben, dass sie den Verfassungsgerichtshof-Entscheid beiseite schieben könne - erneut wurden fünf VP-Mandatare zu Stadträten gewählt. Doch weit gefehlt: Nach einem Einspruch entschied der Verfassungsgerichtshof jetzt im Oktober wieder: Die Wahl von fünf ÖVP-Stadträten ist ungültig. 

Wörtlich heißt es in einer Kundmachung seitens der Gemeinde nun: "Gemäß § 111 Abs. 4 NÖ Gemeindeordnung 1973 muss der Amtsverlust von Mitgliedern des Stadtrates durch Anschlag an der Amtstafel kundgemacht werden. Auf Grund der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Oktober 2021 (...) zugestellt an die Stadtgemeinde Groß Gerungs am 22. Oktober 2021, wird kundgemacht, dass nachfolgende Personen aus dem Stadtrat der Stadtgemeinde Groß Gerungs ausgeschieden sind: Herr Josef Eibensteiner (ÖVP), Herr Karl Eschelmüller (ÖVP), Herr DI Christian Laister (ÖVP) - scheidet auch als Vizebürgermeister aus, Herr Josef Maurer (ÖVP), Frau Liane Schuster (ÖVP). Es muss nun eine Neuwahl des Stadtrates und des Vizebürgermeisters innerhalb der gesetzlichen Frist durch den Gemeinderat der Stadtgemeinde Groß Gerungs durchgeführt werden."

FP-Landesparteisekretär: "Eine Schande"

FPÖ-Landesparteisekretär Andreas Bors kritisiert scharf: "Eine Schande, wie sich die Volkspartei über den Wählerwillen hinwegsetzt. Die ÖVP soll endlich dem Erkenntnis des VfGH nachkommen und ihre rechtswidrig gewählten Stadträte abtreten. Die Bevölkerung hat entschieden, dass diese Mandate der SPÖ sowie der FPÖ zustehen." 

Maximilian Igelsböck (ÖVP), der Bürgermeister von Groß Gerungs, zeigte sich gegenüber "Heute" zugeknöpft: "Ja, es ist eine Neuwahl notwendig. Ich muss erst mit den Fraktionen und meinen Mitverantwortlichen sprechen."

Freude auch bei der Bürgerliste

Die erneute Zuteilung aller fünf Stadträte an die ÖVP unter Berufung auf eine zwischenzeitlich durchgeführte Gesetzesänderung ist also verfassungswidrig - die ÖVP verliert endgültig zwei Mandate. Somit zieht Markus Kienast (Bürgerliste Germs), der die Anfechtung initiiert hat, in den Gemeindevorstand ein. Die FPÖ stellt ihm dafür ihr Mandat für die halbe verbleibende Legislaturperiode zur Verfügung, zur Halbzeit wechselt die FPÖ selbst in den Vorstand. Die SPÖ, die sich an der Anfechtung nicht beteiligt hatte, erhält das zweite Mandat.

“Wir freuen uns, dass der VfGH dem rechtlichen ‘Kunstgriff’ des Bürgermeisters eine klare Absage erteilt hat”, so Bürgerlisten-Mandatar Markus Kienast. “Das Urteil lässt auch keinerlei Spielraum für etwaige Umgehungsversuche. Die ÖVP wird sich einfach damit abfinden müssen.”

Wahl noch einmal zu wiederholen

Der VfGH urteilte am 5. Oktober 2021, dass die Anwendung der gegenständlichen Gesetzesänderung unabhängig vom Zeitpunkt der Wiederholungswahl grundsätzlich verfassungswidrig war: ”Die Anwendung dieser Bestimmung hat nämlich zur Folge, dass das Verfahren zur Verteilung der Mandate der geschäftsführenden Stadträte während des laufenden Wahlverfahrens geändert wird.” Das ursprünglich am 20. Februar 2020 begonnene Wahlverfahren sei nämlich noch nicht abgeschlossen. Die Wahl sei also noch einmal zu wiederholen und zwar unter Anwendung der Rechtslage, "die dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Oktober 2020, W I 6/2020, zugrunde lag,” also nach Rechtslage zum Beginn der Wahl im Februar 2020.

"Da der mutmaßlichen Verschleppung möglicherweise eine Schädigungsabsicht zugrunde lag, haben Bürgerliste Germs und FPÖ eine Sachverhaltsdarstellung wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch eingebracht. Die Staatsanwaltschaft Krems ermittelt bereits", heißt es in einer Aussendung der Bürgerliste. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Übt Kritik: Andreas Bors
Übt Kritik: Andreas Bors
privat