Wien

"Allianz der Vernunft" will Aus für Lobautunnel kippen

Die Empörung über die Entscheidung bleibt hoch. Im Wiener Rathaus wurde heute klargemacht, was das Aus bringe: Vor allem noch mehr Stau.

Louis Kraft
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Der Lobautunnel und die Nordostumfahrung sind alternativlos, sind sich (v.l.n.r.) Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy, Planungsstadträtin Ulli Sima (beide SPÖ), Niederösterreichs Mobilitätslandesrat Ludwig Schleritzko und der Bürgermeister von Gänserndorf, Rene Lobner (beide ÖVP) einig. Daher wollen sich das Projektaus mit allen rechtlichen Mitteln bekämpfen.
Der Lobautunnel und die Nordostumfahrung sind alternativlos, sind sich (v.l.n.r.) Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy, Planungsstadträtin Ulli Sima (beide SPÖ), Niederösterreichs Mobilitätslandesrat Ludwig Schleritzko und der Bürgermeister von Gänserndorf, Rene Lobner (beide ÖVP) einig. Daher wollen sich das Projektaus mit allen rechtlichen Mitteln bekämpfen.
Denise Auer

Auch am Tag nach dem offiziellen Aus für den umstrittenen Lobautunnel und weitere Teile der geplanten Nordostumfahrung gehen die politischen Wogen hoch. Wie auch Stadtchef Michael Ludwg (SPÖ) gestern ankündigte, will das Land Wien alle rechtlichen Mittel gegen die Entscheidung ergreifen. Unterstützung kommt aus Niederösterreich. Die "Empörung" über Gewesslers Entscheidung macht aus SPÖ und ÖVP plötzlich Verbündete.

Gemeinsam mit dem niederösterreichischen Mobilitätslandesrat Ludwig Schleritzko und dem Gänserndorfer Bürgermeister Rene Lobner (beide ÖVP), machten heute Wiens Verkehrs- und Planungsstadträtin Ulli Sima und der Donaustädter Bezirkschef Ernst Nevrivy (beide SPÖ) deutlich, welche Auswirkungen die Absage des Lobautunnels hätte.

Im Westen wurde der Regionenring in den vergangenen Jahren fertig gebaut. Das letzte Stück (grün eingezeichnet) fehlt aber - dieses hätte durch die Lobau führen sollen.
Im Westen wurde der Regionenring in den vergangenen Jahren fertig gebaut. Das letzte Stück (grün eingezeichnet) fehlt aber - dieses hätte durch die Lobau führen sollen.
Stadt Wien

"Tun wir nichts, fahren 2030 täglich 260.000 Fahrzeuge auf der Tangente"

Die Nordostumfahrung, die auf rund 8,4 Kilometer Länge durch den Lobautunnel führen sollte, sollte nicht nur das letzte Teilstück des Regionenrings schließen. Sie sollte vor allem auch die schon jetzt staugeplagte Südosttangente (A23) entlasten. "Derzeit befahren pro Tag rund 231.000 Fahrzeuge über die Tangente, wenn wir nichts tun, wird das bis zum Jahr 2030 auf rund 260.000 Fahrzeuge ansteigen. Mit dem Lobautunnel wäre das aber auf rund 212.000 Fahrzeuge gesunken", rechnet Sima vor. Pikant: Die Zahlen, die aus Sicht der Stadt für einen Bau der Nordostumfahrung und des Lobautunnels sprechen, stammen aus einer Untersuchung, die 2017 von der damaligen Grünen Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou in Auftrag gegeben wurde.

Ärger und Ratlosigkeit auch in Niederösterreich

In Niederösterreich herrschen "gemischte Gefühle", wie Schleritzko betonte. Ärger über die "Gleichgültigkeit" von Bundesminister Gewessler gegenüber der gesamten Ostregion und ihrer Bewohner, Unverständnis, dass sie sich über das beschlossene Bundesstraßengesetz hinweg setze und Ratlosigkeit, was die Ministerin nun vorhabe. Denn Alternativen wurden bisher keine genannt. 

Eine "massive Enttäuschung" mache sich im Marchfeld breit. "Seit gestern habe ich unzählige Nachrichten und Anrufe von Bürgern, aber auch anderen Bürgermeistern bekommen, die sich auf die versprochene Entlastung verlassen hätten", so Lobner. Schon jetzt würden etwa pro Tag bis zu 36.000 Autos, davon rund 6.000 LKW durch Deutsch-Wagram donnern. "Das ist eine Lärmhölle und keine Lebensqualität. Daher werden wir uns mit allen Mitteln wehren", zeigt sich der Stadtchef kämpferisch.

Sima befürchtet "Schlafbezirke"

Die Nordostumfahrung sei alternativlos, hält Sima erneut fest. Auch, weil an ihr Maßnahmen der Stadterweiterung hängen. "Aktuell entstehen im Norden Wiens rund 60.000 Wohnungen, der Bau der Stadtstraße ist unerlässlich für dessen Anbindung". Ohne diese könnten Floridsdorf und die Donaustadt zu "Schlafbezirken" werden, auch der Wirtschaftsstandort würde darunter leiden.

Die Wiener Nordostumfahrung: Was kommt und was (vorerst) nicht: Gebaut werden kann die Stadtstraßen und die S1-Spange bis Raasdorf. Dort enden aber die Pläne.
Die Wiener Nordostumfahrung: Was kommt und was (vorerst) nicht: Gebaut werden kann die Stadtstraßen und die S1-Spange bis Raasdorf. Dort enden aber die Pläne.
Stadt Wien

Die Absage der Ausbaupläne hat auch Auswirkungen auf andere Verkehrsmaßnahmen der Stadt. "Nach dem Bau des Lobautunnels hätten wir die Südosttangente für den Transitverkehr gesperrt", so Sima. Und für die Zeit nach Fertigstellung der Stadtstraße zwischen Hirschstetten und der Seestadt Aspern sei geplant, in den Donaustädter Wohngebieten die Durchfahrt so unattraktiv wie möglich zu machen. Etwa mit Schwellen und Ampelschaltung. So soll der Durchzugsverkehr auf die Stadtstraße als höherrangige Straße umgeleitet werden.

"Einziges positives ist Ja zur Stadtstraße und zur S1-Spange"

Auch in der Donaustadt ist der Ärger groß. Hier hätte die Nordostumfahrung eine für den Bezirkschef so notwendige Entlastung der Wohngebiete gebracht. "Die Donaustadt ist das am schnellsten wachsende Gebiet in Österreich. Pro Jahr ziehen rund 4.000 Bewohner zu. Für diese braucht es Wohnungen, Arbeitsplätze, Schulen und Kindergarten - und natürlich eine entsprechende Verkehrsinfrastruktur. 

Das einzige Positive, das Nevrivy der Ausführung von Bundesministerin Gewessler entnommen habe, war das Ja zur Stadtstraße und der S1-Spange zwischen der Seestadt Aspern und Raasdorf (NÖ). "Denn der Verkehr wird gebündelt und auf die höherrangige Südosttangente geleitet, weg aus den Wohngebieten, den Schulen und Kindergärten", betont Nevrivy. 

Stadt hinterfragt Argument des Klimaschutzes

Als Hauptgrund für die Absage des Lobautunnels hatte Gewessler auf den Anstieg klimaschädlicher CO2-Emissionen verwiesen. Durch den Bau des Tunnels seien diese viermal so hoch wie beim Bau von normalen Straßen. Daher habe die Nordostumfahrung den "Klimacheck" nicht bestanden.

Das lässt die Stadt so nicht stehen. Wien sei im Klimaschutz Vorreiter, gebe über das Dreifache für den Ausbau der Öffis als für Straßen aus. "Doch auch Straßenbahnen und Busse brauchen Straßen, auf denen sie fahren können", so Sima.

Nevrivy machen vor allem die "überflüssigen Umweg" Sorgen. Würde etwa jemand aus dem Nordosten Wiens nach Schwechat fahren wollen, so müsste er sich zuerst durch das Nadelöhr der Südosttangente zwängen um dann auf der A3 wieder nach Osten zu fahren. "Das muss man in die CO2-Emissionen mit einberechnen", so der Bezirkschef.

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