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"Instinkt? Bullshit": Diese Mama spricht Klartext

Heute Redaktion
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"Es ist komplett absurd, wie viel Verantwortung man auf einen Schlag trägt", so die frischgebackene Mutter.
"Es ist komplett absurd, wie viel Verantwortung man auf einen Schlag trägt", so die frischgebackene Mutter.
Bild: Unsplash/ Valeria Zoncoll

Wie ist das erste Jahr mit Baby? Drei Mütter erzählen es uns. Den Anfang macht Anja, 31 Jahre alt, die vor knapp einem Jahr eine Tochter zur Welt gebracht hat.

Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie etwas so Herausforderndes erlebt wie das Mutterwerden. Es ist unglaublich, wie viel ich im letzten Jahr dazugelernt habe – viel mehr als ich im Job jemals lernen könnte.

Man kann vorher viel lesen und sich Gedanken machen – Mutter wird man aber ganz plötzlich, über Nacht. Es ist komplett absurd, wie viel Verantwortung man auf einen Schlag trägt. 24 Stunden, jeden Tag.

Man sagt ja manchmal, Mütter hätten einen Instinkt, und wüssten ganz automatisch, wie alles funktioniert – Bullshit! Ich war so froh um unsere Hebamme, die ich jeden Tag mit hunderttausend Fragen bombardieren konnte.

Die ersten beiden Wochen nach der Geburt hat meine Mutter bei uns gewohnt – sie hat gekocht und den ganzen Haushalt geschmissen. Mir hat das extrem geholfen, weil ich mich von meiner Geburt erholen und in Ruhe stillen üben konnte.

Vaterschaft ist teilweise noch hintergründiger

Nachdem meine Mami weg war, ist mein Mann zwei Wochen zuhause geblieben – er hat eine Woche Vaterschaftsurlaub und eine Woche Ferien genommen. Im System ist kein Platz für Vaterschaft; Mann und Frau werden einfach in Rollen gezwängt. Ich habe ihm deshalb auch nie Vorwürfe gemacht – ist ja nicht seine Schuld, dass er weder Brüste noch Mutterschaftsurlaub hat.

Einmal ist mir aber richtig der Kragen geplatzt, weil er auch nach der Geburt unserer Tochter drei Mal die Woche abends zum Sport gegangen ist – wie früher eben. Während ich mich 24 Stunden um unser Baby kümmerte und am Abend total k.o. war.

Mein Mann war schockiert und meinte, ihm sei das gar nicht bewusst gewesen. Ab dann hat er jeden Tag nach der Arbeit unsere Tochter übernommen und ich hatte einfach mal Zeit für mich allein – das hat unglaublich gut getan.

Wir mussten uns als Familie definitiv finden und neu definieren. Obwohl ich mich eher als chaotischen Freigeist bezeichnen würde, musste ich mir eingestehen, dass es extrem hilft, den Alltag gemeinsam durchzuplanen. Anders geht es gar nicht mehr.

Ich bin belastbarer als früher

Mittlerweile arbeite ich wieder 60 Prozent – früher waren es 100. Als ich zum ersten Mal meinen Lohn überwiesen bekam, war ich schockiert, wie wenig es ist. Auch habe ich oft das Gefühl, dass Frauen, die Mütter sind und Teilzeit arbeiten, als weniger kompetent und weniger belastbar wahrgenommen werden. Für höhere Posten werden sie kaum berücksichtigt.

Bei mir ist eher das Gegenteil der Fall: Ich bin jetzt deutlich belastbarer als früher und arbeite effizienter. Mit einem Kind nutzt man eben jede Minute. Ich finde, das müssten die Leute mehr anerkennen.

Ich war nie der Baby-Typ – auch heute flippe ich nicht aus, wenn ich ein Baby sehe. Dennoch freue ich mich nach der Arbeit immer extrem auf meine Tochter. Ich liebe es, ihr vorzusingen, mit ihr zu spielen und mich um sie zu kümmern. Ich kann es kaum erwarten, bis sie anfängt, mich auf einer neuen Ebene herauszufordern – und wir uns gegenseitig ganz viele neue Sachen beibringen.

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