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Ametsreiter: Studenten sollen Professoren benoten

Heute Redaktion
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Hannes Ametsreiter ist seit fünf Jahren Telekom-Chef. Im "Heute"-Gespräch erzählt der Salzburger (47) von Schwachstellen in unserem Bildungswesen und sagt, was sich Europa von den USA abschauen kann.

Hannes Ametsreiter ist seit fünf Jahren -Chef. Im "Heute"-Gespräch erzählt der Salzburger (47) von Schwachstellen in unserem Bildungswesen und sagt, was sich Europa von den USA abschauen kann.

Heute: Wieviele Minuten telefoniert der Telekom-A1-Chef täglich?

Hannes Ametsreiter: Viele Minuten. Es ist vor allem das Datenvolumen groß. Ich komme im Monat auf über fünf Gigabyte.

Heute: Mit welchem Gerät? Auf dem Tisch liegt ein iPhone 6.

Ametsreiter: Ich probiere immer die neuesten Services und Handys.

Heute: Dabei hat A1 keinen Vertrag mit Apple. Kunden erhalten britische Geräte-Versionen. Warum?

Ametsreiter: Ich kommentiere nicht, ob wir einen Vertrag haben oder nicht. Wir bieten alle Geräte an.

Heute: Verkaufen Sie mehr Android- oder iOS-Geräte? 

Ametsreiter: Mehr Android, in einer Mischung von ca. zwei Drittel zu einem.

Heute: Hat die Festnetz-Telefonie Zukunft? 

Ametsreiter: Festnetz nein, aber Breitband ja. Hier legen wir zweistellig zu. Das ist eine Renaissance des Festnetzes. Netflix ist das beste Argument für ein Festnetzprodukt, genauer gesagt für Breitband. Das treibt uns derzeit die Kundenzahlen.

Heute: Wie werden wir in zehn Jahren telefonieren?

Ametsreiter: Es wird die normale Telefonie weiter geben. Aber das ist wie in einem Supermarkt, wo ich in ein Regal greifen kann. Einmal ist Telefonie, einmal Fernsehen, ein anderes Mal Apps. Es wird eine Transformation geben von Circuit Switched, das ist klassische Mobilfunktechnologie, hin zu IP. Wir haben als erster Telekommunikationsanbieter Europas unser Netz auf IP-Technologie umgestellt. Und IP kann alles sein. Über ein IP-Netz kann ich Daten transportieren, die Geld sein können, die Musik sein können, die ein Videostream sein können, die aber auch Sprache sein können.

Heute: Sprachtelefonie läuft noch über Circuit Switched. Was folgt?

Ametsreiter: Der nächste Schritt ist VoLTE, also "Voice over LTE". Dann läuft auch Sprache über die LTE-Netze.

Heute: Netflix erobert den Fernsehmarkt in den USA. Was erwartet uns in Europa?

Ametsreiter: Fernsehen wird interaktiv. Das TV-Gerät wird die Chance bieten, dass ich dort Apps nutzen kann und jederzeit sehe und mache, was ich will.

Heute: Sie sind Kommunikationswissenschaftler…

Ametsreiter: …auch…

Heute: Müssen Schule, Politik, Unternehmen die Digitalisierung betreiben um als Informationsgesellschaft zu überleben?

Ametsreiter: Ich glaube, ja. Wenn wir von der nächsten industriellen Revolution sprechen, ist das zwangsweise eine digitale Revolution. Und das macht Spaß – weil endlich zusammenkommt, was zusammengehört. Der Konsument hat Möglichkeiten, die er nie zuvor hatte. Denken wir an alte Gewerbe wie Hotel und Taxi. Heute tauchen Modelle auf wie Uber oder AirBnBb. Ich finde das wahnsinnig spannend, man hat getümpelt in einer alten Tradition, das bricht auf und es ergeben sich neue Möglichkeiten. Die Unternehmen, die wirklich gut sind, nutzen diese Möglichkeiten, um ihr Geschäft weiterzuentwickeln.

Heute: Eine Firma muss sich selbst Konkurrenz machen?

Ametsreiter: Sie muss sich mit den technischen Möglichkeiten auseinandersetzen. Tut sie es nicht, wird sie am Markt verlieren.

Heute: Im Eingangsbereich präsentieren sich einige Start-Ups. Was hat es damit auf sich?

Ametsreiter: Diese Initiative nennt sich Start-Up-Bus. Ein Australier fungiert als CEO. 200 Leute aus Estland, Spanien, Deutschland und anderen Ländern sind acht Stunden mit dem Bus gefahren – nach Wien. Warum? Weil hier das Pioneers-Festival stattfindet, mittlerweile Europas größte Plattform für StartUps. Es sind alle namhaften Investoren hier. Wir in Österreich gefallen uns sonst in der Durchschnittlichkeit, daher find' ich das gut, dass man das durchbricht und etwas Neues, Internationales macht.

Heute: In wieviele StartUps investiert die Telekom bzw. A1?

Ametsreiter: Wir investieren ausschließlich Sachleistungen. Geld zahlen wir nicht. Wir bieten Büros, Interaktion mit anderen StartUps, Handys, Fernsehen, Cloudservices und den Kontakt mit unseren Fachabteilungen. Im Vertrieb haben wir über 1.000 Mitarbeiter. Das ist ein gewaltiger Hebel für viele StartUps, den man sich sonst nie leisten kann. Der Konzern teilt Know-how mit StartUps.

Heute: Wieviele Bewerber kommen zum Zug?

Ametsreiter: Hunderte bewerben sich, am Campus können wir derzeit 5 bis maximal 10 StartUps in unseren Campus aufnehmen.

Teil 2: Bitte blättern Sie um!

Heute: Vor ein paar Jahren war mit Nokia ein europäisches Unternehmen Weltmarktführer. Heute finden sich im Telekom-Bereich keine großen Player aus der EU mehr. Hat Europa den Anschluss verpasst?

Ametsreiter: Europa hat klar den Anschluss verpasst. In den USA wird investiert, dort werden Arbeitsplätze geschaffen. Die beiden größten Investoren in den USA sind mit AT&T und Verizon Telekomunternehmen. Die schaffen Jobs und Infrastruktur.

Heute: Was braucht die EU?

Ametsreiter: Deregulierung und Investitionsfreundlichkeit. Uns werden drei Schlüsselthemen bewegen. Infrastruktur, Energie und Bildung. Wenn wir nicht unsere Hausaufgaben in diesen drei Fragen machen, werden wir wettbewerbsfähig sein.

Heute: In Österreich investiert die öffentliche Hand in die Infrastruktur. Was bringt die Breitbandmilliarde?

Ametsreiter: Wir verdoppeln jeden öffentlichen Euro mit privaten Investitionen. Die Breitbandmilliarde bringt mehr Speed, mehr Bandbreite und die Möglichkeit, neue Dienste zu nutzen.

Heute: Vorige Woche haben Sie eine nicht erfreuliche Bilanz gelegt…

Ametsreiter: …eine extrem erfreuliche Bilanz. Wir haben das erste Mal seit zehn Jahren ein Wachstum von 15 Prozent im dritten Quartal erzielt.

Heute: Wegen der Bulgarien-Gesellschaft mussten 400 Millionen abgeschrieben werden. Zugleich hat der Aufsichtsrat eine Kapitalerhöhung von einer Milliarde Euro genehmigt. Wollen Sie damit wieder in Osteuropa expandieren?

Ametsreiter: Wir bereiten die Kapitalerhöhung in diesem Jahr vor. Zu Letzterem sage ich nichts.

Heute: Warum muss ein teilstaatliches Unternehmen wie die Telekom Austria A1 expandieren?

Ametsreiter: Wir müssen ja nicht. Wir haben kein Muss. Wir haben ein organisches Wachstum erreicht, blicken optimistisch in die Zukunt und haben in Wien nun die Unternehmenszentrale für einen Konzern, der in acht Ländern tätig ist. In fünf von acht Märkten sind wir konvergent und die Erfolge wollen wir fortsetzen.

Heute: Sie fordern Deregulierung, die  EU "regulierte" aber zuletzt die  Abschaffung der für die Netzbetreiber lukrativen Roaminggebühren. Werden Sie sich das Geld bei den Kunden zurückholen?

Ametsreiter: Von der Absenkung bei Roaming werden hauptsächlich internationale Konzerne profitieren. Man wird versuchen, eine Balance zu finden, um zukünftigen Investitionen stemmen zu können. Eines ist klar: Um 7,50 Euro können Sie kein nationales Netz betreiben.

Heute: Wie teuer kann Telefonieren in Österreich werden?

Ametsreiter: Das bestimmt der Markt. Es gibt einen Wettbewerb der Infrastrukturplattformen und einen Wettbewerb der Betreiber. Politische Eingriffe wie beim Roaming sollte es nicht mehr geben. Die Signale vom neuen Kommissar Oettinger oder auch Kanzlerin Merkel sind positiv. Die kritische Frage für EU-Politiker ist: Wollen wir den billigsten Preis oder die beste Infrastruktur? Zweiteres ist nachhaltiger und stärkt den Wirtschaftsstandort, Ersteres schwächt ihn.

Heute: Was müssen Schüler können?

Ametsreiter: Bei den Lehrlingen wünschen wir uns, dass sie sinnerfassend lesen und rechnen können – und da scheitern viele. 

Heute: LTE, VoIP oder 3G müssen sie nicht kennen?

Ametsreiter: Nein. das muss man nicht wissen. Englisch sollte man flüssig sprechen können, dann kann man Fachausdrücke auch verstehen.

Heute: Sie bezeichnen Bildung als Schüsselfrage. Wo krankt es?

Ametsreiter: Die duale Ausbildung ist ein hervorragendes System, auf das wir stolz sein können. Im universitären Bereich brauchen wir eine Öffnung. Eine Öffnung international und eine Öffnung Richtung Wirtschaft. Ein Professor muss nicht daran gemessen werden, wieviel er publiziert. Das kann ein Aspekt sein. Aber wichtiger ist, ihn daran zu messen, ob er als begeisternder Vortragender erlebt wird.

Heute: Also eine Bewertung durch die Studierenden?

Ametsreiter: Ja, so wie es in den USA schon praktiziert wird. Als ich drüben studiert habe, hat mir der Professor am ersten Tag seine Visitenkarte in die Hand gedrückt und gesagt, ich kann ihn 24 Stunden am Tag anrufen. Das habe ich in Österreich in all meinen Jahren an den Universitäten nie erlebt. Auf der einen Seite gibt es echtes Wollen und auf der anderen Abwarten auf den Professorentitel.

Heute: Braucht Österreich Zuwanderung?

Ametsreiter: Absolut! Durch Zuwanderung haben wir schon profitiert. Wir sind gewachsen, andere sind geschrumpft. Wir müssen Anreize schaffen für Top-Professoren oder Top-Leute in anderen Bereichen, die wir als Schlüsselbereiche definieren.

Teil 3: Bitte blättern Sie um!

Heute: Weiblichen Mitarbeitern in den USA wird angeboten, Eizellen einzufrieren, damit sie erst später Kinder kriegen. Wie finden Sie das?

Ametsreiter: Das muss jeder für sich entscheiden. Anreize würden wir nicht schaffen. Das ist ein privater, persönlicher Bereich.

Heute: Welchen Sinn hat eine Staatsholding, wenn sie keinen Einfluss auf ihre Unternehmen üben kann – siehe OMV?

Ametsreiter: Wir mischen uns nicht in Entscheidungen unserer Eigentümer ein.

Heute: Nennen Sie drei Tipps für junge Menschen, die bei der Telekom oder A1 arbeiten wollen.

Ametsreiter: Ich würde eines voranstellen: Am wichtigsten ist, dass jeder erkennt, was ihm Freude macht. Nur wenn er das gefunden hat, wird er Erfolg haben. Wenn jemand glaubt, dass diese Zukunft bei A1 zu finden ist, weil Technologie fasziniert oder die Möglichkeiten erkannt werden, freuen wir uns. Ich habe damals auch gewechselt vom Fast Moving Consumer Bereich bei Procter & Gamble zu Mobilkom mit ein paar Hunderttausend Kunden. Heute haben wir in der Telekom-Gruppe 235,4 Millionen Kunden. Es war noch nicht absehbar, wie sich das Unternehmen entwickeln wird, aber ich habe daran geglaubt. Ich war begeistert von der Technologie.

Heute: Und dann die drei Tipps.

Ametsreiter: Neugierde, Leistungsbereitschaft, Selbstständigkeit.

Heute: Wie konkurrenzfähig ist ein Unternehmen, das zur Hälfte aus Beamten besteht?

Ametsreiter: Ich messe nicht nach Vertrag sondern nach der Leistung, die der Kunde bewertet.

Heute: Wie häufig reden Sie mit ?

Ametsreiter: Gestern um 21 Uhr hatte ich die letzte Besprechung mit América Móvil, die nächste heute um 18 Uhr. Wir sprechen uns häufig ab.